Inhalt 

Der Titel ist hier Programm: Aus verschiedenen Wörtern werden bestimmte Buchstaben ausgelassen. Lässt man diese aus einem Wort heraus, so entsteht dabei eine ganz neue Bedeutung. Wenn plötzlich das "K" im Wort "Kassel" fehlt, dann hält der Zug an einer Haltestelle, an der eine "Assel" steht. Aus dem „Stummfilm“ wird ein "Summfilm" und aus dem "Kindergarten" wird ein unschönes "Kinder garen". Mit diesen Wortspielen werden die kleinen und großen Leser und Leserinnen einmal durch das ganze Alphabet geführt. Dabei sind die Bilder passend zu den Texten und dem neu entstandenen Kontext gestaltet.

Kritik

Ausgelassen ist das Buch Das ausgelassene ABC von Ina Hattenhauer in doppeltem Sinne. Einerseits bezieht sich der Titel auf das Wegfallen einzelner Buchstaben aus einem Wort. Andererseits sind die dabei entstehenden Zusammenhänge lustig und lebhaft – eben ausgelassen.

Die Idee, durch das Streichen bestimmter Buchstaben neue Kontexte zu erschaffen, ist eine sehr schöne. Hier wird den kleinen Lesern und Leserinnen vermittelt, wie bedeutsam jeder einzelne Buchstabe wirklich ist. Zudem lernen sie das ABC auf eine ganz neue Art und Weise spielerisch kennen. Der Gedanke, Wissen durch witzige Wortspiele zu vermitteln, ist gut, die Umsetzung dagegen etwas kritischer zu betrachten. Viele der neu entstandenen Kontexte können Kinder ab vier (Verlagsempfehlung) noch nicht verstehen, weshalb eher eine ältere Zielgruppe ab sieben Jahren zu empfehlen wäre. Der "Uroparat" bei dem viele Uropas versammelt sind, ist eigentlich der "Europarat". Erwachsene ziehen hier die richtigen Schlüsse, die kleinen Leser und Leserinnen können mit diesem Begriff jedoch noch nichts anfangen. Schwierig dürfte es auch bleiben, kleineren Kindern kurz und auf verständliche Weise den Europarat zu erklären. Auch die Geschehnisse um das geklonte Schaf Dolly könnten in Erklärungsnot führen. Zudem finden sich auch Anspielungen auf Personen oder Geschehnisse wieder, die selbst die jüngere Elterngeneration nicht unbedingt kennt. Der Musiker Joe Cocker sagt diesen wahrscheinlich wenig. Teilweise entstehen Wörter oder sprachliche Ausdrucksweisen, deren Gebrauch fragwürdig bleibt. Der "Barsch" ist ein "Arsch", ein Schmetterling wird mit "Ey, Alter" angesprochen, da man ihn auch als „Falter“ bezeichnen könnte und Fliegen trinken ohne das "K" zwar einen gesunden ACE-Saft, der mit jedoch zu einem "Kacke-Saft" wird. Diese Wortwahl ist kritisch zu betrachten. Ein paar Anspielungen sind eventuell etwas zu drastisch für ein Bilderbuch. Dass aus dem Kindergarten ein Haus zum "Kinder garen" wird, in das eine Hexe kleine Kinder lockt, scheint hinsichtlich der Ähnlichkeit zu dem Märchen Hänsel und Gretel noch harmlos. Kritischer ist hingegen ein Bär, der anstatt "Handy ohne Vertrag" eine abgetrennte Hand anbietet, was kleinen Lesern und Leserinnen Angst machen kann. Geeigneter wäre das Buch für eine höhere Altersklasse, eventuell ab sieben Jahren, damit die Kinder die Rätsel verstehen und sich aktiv mit dem Buch auseinandersetzen können. In dieser Weise erinnert das Buch an das ABC der Schadenfreude aus dem Klett Kinderbuch Verlag.

Viele andere Wortspiele sind lustig, fröhlich und bringen die Kinder zum Lachen. Da gibt es anstatt "Fliegenklatschen", "Fliegenlatschen" zu kaufen. Die Plätzchenbäckerei wird zur "Lätzchenbäckerei" und das Gästehaus ist ein "Ästehaus". Diese witzigen Ideen sind zudem wunderbar passend illustriert, sodass der neue Sinn an Bedeutung gewinnt. Das Ästehaus besteht wirklich aus vielen einzelnen Ästen. Der Baum ohne "M" wird zum Bau, auf dem viele Vögel fleißig arbeiten. Die Zeichnungen sind im Comic-Stil gehalten und mit fröhlichen, bunten Farben gestaltet. Der Aufbau ist immer ähnlich. Gewählt wird eine bestimmte Szenerie, zum Beispiel eine Rennstrecke, auf der sich dann alle möglichen Bild- und Worträtsel tummeln. Da findet sich dann eine Ente als Zahnarzt, die ohne das "D" zu einem sogenannten "Entist" wird. Die eigentliche Waldbühne wird zu einem Podium für einen Wal, also zur Walbühne. Und ein Schild bittet um Ruhe, wegen "Reharbeiten", bei denen fleißige Rehe einen Film drehen. Durch die zahlreichen, detaillierten Bilder gibt es, über den Text hinaus, viel zu entdecken. Dabei bleibt der Bezug zu dem weggefallenen Buchstaben immer bestehen. Hier kann viel gerätselt werden, welche eigentliche Bedeutung gesucht wird. Einige Dinge sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich und auch Erwachsene kommen nur mit der Lösung, die sich hinten im Buch befindet, darauf. So soll ein Ringer, auf der Seite des fehlenden "B", einen "Glücksbringer" darstellen, da auf seinem Gymnastikanzug lauter Hufeisen und Kleeblätter abgebildet sind.  Solche und ähnliche Rätsel und Anspielungen klären sich erst mit dem Blick auf die Lösung. Auch ist den Lesern und Leserinnen beim ersten Durchblättern gar nicht bewusst, dass bestimmte Zeichnungen auch mit dem Auslassen der Buchstaben in Verbindung zu bringen sind. Sie werden zuerst als witzige Illustrationen wahrgenommen, deren Sinn sich nicht vollkommen erschließt. Dadurch, dass viele, aber nicht alle Zeichnungen, Wörter und Textabschnitte einen Bezug zu dem jeweils fehlenden Buchstaben haben, kommt eine gewisse Verunsicherung, teilweise Verwirrung auf. Ist die Zeichnung jetzt Teil des Rätsels oder einfach nur eine nette Illustration? Fehlt in dem Wort jetzt der Buchstabe oder nicht?

Hier wäre eine klarere, einheitlichere Linie leichter zu verstehen gewesen. Andererseits, macht gerade dies die Besonderheit des Buches aus, da es somit für Querdenker und Ratefreunde interessant wird. Durch die Lösungen hinten im Buch, die alle Wörter, Sätze und Bildrätsel zu jedem einzelnen Buchstaben auflösen, werden aber einige Zusammenhänge geklärt.

Fazit

Das ausgelassene ABC ist ein Bilderbuch, hinter dem ein schöner Gedanke steckt. Kindern soll durch das Wegfallen einzelner Buchstaben das Alphabet und die Bedeutung jedes Buchstaben auf lustige Art und Weise vermittelt werden. Die Wortspiele, Anspielungen und Zusammenhänge sind jedoch teilweise noch nicht, wie in der Verlagsempfehlung angegeben, für Kinder ab vier Jahren geeignet. Die Idee des Buches jedoch ist sehr schön und die vielen Worträtsel machen das Buch spannend, weshalb es für eine ältere Zielgruppe ab sieben Jahren empfehlenswert ist, damit ein reflektierter Umgang mit dem Wortwitz und den Anspielungen möglich wird. Selbst junggebliebene Erwachsen haben an den Rätseln eine Zeit lang zu knabbern. Raten, Knobeln und Kichern kann man mit den Wortspielen und lustigen Zeichnungen genug. Kleine und große Rätselliebhabende mit langem Durchhaltevermögen werden somit ihre Freude an diesem "ausgelassenen" Buch haben.

Titel: Das ausgelassene ABC
Autor/-in:
  • Name: Hattenhauer, Ina
Illustrator/-in:
  • Name: Hattenhauer, Ina
Erscheinungsort: Hildesheim
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Gerstenberg
ISBN-13: 978-3836956239
Seitenzahl: 56
Preis: 13,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 7 Jahre
Hattenhauer, Ina: Das ausgelassene ABC