Inhalt

Pekka liebt die Welt: Er liebt sein Bett, seine Socken, den Duft seiner Mutter, die Tannen und eigentlich alle Menschen, die ihm begegnen. "Ich liebe dich", sagt er dann zu den Überraschten. Pekka ist faszinierend, klug und lebt mit einer Behinderung. Aus der Sicht seiner großen Schwester Leena erfahren die Zuhörerinnen und Zuhörer in episodenhafter Erzählweise von Pekkas alltäglichem, aber auch aufregendem Leben mit seiner großen Familie in Finnland. Er lässt sich seine schöne Welt nie verderben: Pekka meistert Krankheiten, Unfälle, schulische Ausgrenzung, materielle Probleme und kann dabei allem etwas Positives abgewinnen. Für ihn gibt es immer einen Weg. Er ist ein Meister des Lebens und Liebens – auch und vielleicht vor allem für seine Mitmenschen. Gerne und oft wirft er Steine in die Luft, immer in der Hoffnung, dass sie wieder zu den Vögeln werden, die sie einmal waren. Unsinnig? Nicht für Pekka.

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Kritik

Dieses Hörbuch des Jahres 1999 der hr2-Hörbuchbestenliste ist vor allem eines – unaufgeregt. Ulrike Folkerts Stimme – vielen Erwachsenen wahrscheinlich bekannt aus der Reihe Tatort – harmoniert durchgehend mit dem Inhalt der Erzählung. Mit großer Gelassenheit trägt sie durch die Geschichte, variiert nur wenig, aber gekonnt, sodass Pekkas Figurenrede leichter erkennbar ist. In schwierigen Situationen spricht Folkert schneller, die Stimme aber bleibt stabil.

Die Gitarrenmusik von Thomas Lotz entsteht aus einer Improvisation, in der Tonfolgen variiert werden. Sie wirkt ungekünstelt, ist atmosphärisch wichtig und kommt vielleicht gerade beim jungen Publikum gut an. Ein sich wiederholendes Motiv mit Ohrwurmpotential steht oft im Kontrast zum tragischen Inhalt und untermauert Pekkas Art, das Leben mit einer gewissen Leichtigkeit zu nehmen. Zusätzlich hat die Musik eine episodenverbindende Funktion.

Kommt es zur Schilderung von Herausforderungen für den Protagonisten oder für die Familie, werden Stimme und Musik etwas lauter und schneller, um dann wieder in die gewohnte Ruhe zurückzukehren. Diese Rhythmisierung, die die Erzählung an sich vorgibt, wirkt gelungen. Manchmal spielt die Melodie während des Vorlesens leise im Hintergrund, was einem anhaltenden Trend (auch im Film) zu entsprechen scheint, häufig aber störend wirkt. Eine klare Trennung von Text und Musik wäre konsequenter und der sonst vorherrschenden Nüchternheit zuträglicher gewesen.

Die Ruhe wird meist von Pekka selbst wieder hergestellt: In der Schule gehänselt und sogar in einen Brunnen geworfen, hat er nach seinem Krankenhausaufenthalt einen starken Freund an seiner Seite. Auf die Frage seines Bruders, ob denn nicht dieser neue Freund ihn in den Brunnen geworfen habe, antwortet Pekka, dass er es nicht wisse, und lächelt verschmitzt. In der Schule und somit in der Erzählung treten wieder Ruhe ein.

Nachdem die Familie ihre Umzugspläne nach Kanada aufgrund einer vermeintlichen Leukämieerkrankung Pekkas aufgeben und plötzlich in Finnland wieder neu anfangen musste, erklärt der Arzt bei einem Kontrolltermin, dass er eine falsche Diagnose gestellt und Anämie mit Leukämie verwechselt habe. Pekkas Blutbild sei eben seltsam, rechtfertigt sich der Arzt. Pekka ist seltsam. Diese eigentlich unglaubliche Fehldiagnose, die nicht weiter erklärt wird, würde in einer anderen Logik zu rechtlichen Schritten gegen den Arzt führen. Nicht in Pekkas Welt: Ruhig und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hat er auf sein Sterben gewartet. Als sich die Familienmitglieder kurz über die Fehldiagnose des Arztes ärgern, fragt Pekka: "Ist denn niemand froh, dass ich nicht sterben muss?" (2/VI/00:42).

Das Leben geht weiter und Pekka lebt noch viele Jahre. Auch wenn das Ende schließlich abrupt kommt, erschreckt es nicht. "Auf Wiedersehen" ist auf Pekkas Grabstein eingraviert. Die Erzählweise, Folkerts Stimme und die ruhige Gitarrenmusik machen selbst diese Szene zu einer tröstlichen Selbstverständlichkeit.

Lembckes unaufgeregter Text, Folkerts ruhige Erzählart und die musikalisch untermauernde Gestaltung wandern auf einem schmalen Grad. Diese Kombination setzt sich nämlich der ständigen Gefahr des Abgleitens in den Kitsch aus. In den etwas über 100 Minuten Spielzeit stürzt aber keine und keiner ab. Eine beachtenswerte Leistung.

Fazit

Eine leise Produktion in einer lauten Zeit. Ein wichtiges Hörbuch für Kinder und  Erwachsene. Lembckes Text und Folkerts Lesung bestechen durch ihre "Einfachheit", mit der so viel transportiert wird. Die Gitarrenmelodien versuchen daran anzuknüpfen, was sinnvoll, aber nicht immer ganz gelungen ist. Vor allem die manchmal vorkommende Vermischung von Text und Ton erscheint in diesem Fall etwas unpassend. Trotzdem: Insgesamt harmonieren Text, Stimme und Musik. Nicht zuletzt wird auf der Homepage von Thomas Lotz "das Zusammenwirken von Musik und Sprache" als ein Grund für den Erhalt der Auszeichnung "Hörbuch des Jahres" angeführt. Auch in Rezensionen scheint die Kombination gut anzukommen, wenn es heißt: "Hier tragen die Stimme Ulrike Folkerts und die Musik von Thomas Lotz kleine wie große ZuhörerInnen in einen stillen Raum abseits des Alltags, den man nur sehr ungern wieder verläßt" (Briese 1999, 57).

Es stellt sich noch die schwierige Frage, ab wann man diesen schön-schwierigen Raum Kindern eigentlich zumuten darf? Wir kennen Diskussionen darüber aus der Pädagogik und Literaturdidaktik. Der Altersempfehlung "ab 8 Jahren" des Verlags kann ich – das wird manche vermutlich verwundern – nicht ganz zustimmen. Kinder lernen in der Regel sehr früh "ein Bullerbü mit Problemen" sowohl im realen als auch im medialen Alltag kennen. Ich würde das Hörbuch durchaus Vorschülerinnen und Vorschülern ab 5 Jahren zutrauen, vorausgesetzt man lässt die Kleinen mit dem Gehörten nicht alleine. Auch das Einlegen von Pausen oder ein verkürztes Zuhören ist aufgrund der episodenhaften Erzählweise gut möglich. Das macht das Hörbuch natürlich auch für den Unterricht interessant.

Dieses "besondere Bullerbü", in dem ein kranker Bub zusammen mit vielen Weggefährtinnen und -gefährten seinen sicheren Platz hat, nimmt vieles, was wir heute in der "Inklusionspädagogik" diskutieren, vorweg. Erstmals erzählt wurde Pekkas Weg bereits vor 20 Jahren.

 

Literatur

Briese, Brigitte: Rez. zu "Als die Steine noch Vögel waren". Buchkultur, Heft 57/1-1999, S. 57.

 

Titel: Als die Steine noch Vögel waren
Autor/Bearbeitung:
  • Name: Marjaleena Lembcke
Sprechende: Ulrike Folkerts
Produktion: uccello
Erscheinungsjahr: 1998 [Neuauflage 2013]
Dauer (Minuten): 103 Minuten
Preis: 14,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 5 Jahre
Lembcke, Marjaleena: Als die Steine noch Vögel waren (Hörbuch)