Über erste Erfolge

Sabine Planka: Herr Kuhlmann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen. Mit Ihrem Bilderbuch Lindbergh ist Ihnen direkt zu Beginn Ihrer Karriere der ganz große Erfolg gelungen. Ihre Bilderbücher Maulwurfstadt und Armstrong sind ebenfalls erfolgreich. Hätten Sie zu Beginn oder während Ihres Studiums damit gerechnet, direkt so erfolgreich in Ihr Berufsleben zu starten?

Torben Kuhlmann: Während des Studiums überhaupt nicht, und insbesondere nicht im Bereich Bilderbuch. Das war während meines Studiums ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema, eben weil ich ein sehr vorsichtiger Mensch bin. Ich dachte mir, wenn ich schon als Illustrator arbeiten will, muss ich einfach mit verschiedenen Standbeinen arbeiten. Darum habe ich schon während des Studiums viele Kurse im Bereich Kommunikationsdesign besucht und Animation, weil ich dachte, dass ich nach dem Studium vielleicht erst einmal in einer Agentur oder einem Filmstudio arbeiten kann, um mich dann so langsam in das Berufsleben vorzutasten. Das habe ich dann auch gemacht. Ich war mehrere Jahre in einer Werbeagentur angestellt und hab währenddessen dann an meiner Abschlussarbeit gesessen.
Dadurch, dass ich da schon eine Festanstellung hatte, hat das das Projekt wiederum befreit. Ich hatte nicht im Hinterkopf, dass das auf jeden Fall ein Buch werden muss, das verlegt werden und gleich funktionieren muss. Ich konnte das Projekt relativ autark machen, so wie ich das wollte, ohne zu viel auf die Zielgruppe zu schielen oder so. Lindbergh ist somit ganz unbefangen entstanden. Und das war dann auch im Endeffekt das, was der NordSüd-Verlag so mochte, eben diese Andersartigkeit. Da hatte ich dann großes Glück.
Aber wie gesagt, während des Studiums selbst hätte ich nicht gedacht, dass ich vor allem im Bereich Kinderbuch überhaupt eine Karriere mache. Ich dachte, ich mache vielleicht mal Bücher. Aber es ist ja auch abwegig, gleich zu spekulieren, dass man auch sofort erfolgreich wird. Erfolg an sich ist ja schon, wenn man ein Buch überhaupt verlegt. Und dass das dann aber gleich so weitergeht, das kam dann überraschend.

Lindbergh ist inzwischen auch auf Englisch erschienen – bitte ergänzen Sie mich, wenn das Buch inzwischen auch in anderen Sprachen erschienen ist – und ist mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet worden: Es wurde nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015, wurde u.a. als Buch des Monats Juli 2014 von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. sowie von der Stiftung Buchkunst im Jahr 2014 als eines der schönsten Bücher 2014 ausgezeichnet. Auf internationaler Ebene haben Sie mit Lindbergh den Golden Island Award 2015 (Nami Island International Picture Book Illustration Concours) in Korea abgeräumt, wurden mit dem MAG Book Award 2015 als "The Best Children Book" ausgezeichnet und sind Indifab Winner 2015 mit dem "Foreword's Book of the Year Award". Ich könnte noch endlos weiter aufzählen. Wie groß ist der Druck bzw. gibt es Druck, den Sie empfinden, angesichts dieses Erfolgs? Und was für Auswirkungen hat das ggf. auf andere Bücher?

Die Frage kommt tatsächlich häufiger. Allerdings kann ich da sagen, dass ich gar nicht so einen Druck verspüre. Der war eher am Anfang da, als ich das Buch als Diplomprüfung angefertigt habe. Und dann später noch einmal, als es darum ging, erste Verlage anzusprechen, weil ich mir sehr viele konzeptionelle Gedanken zu dem Buch gemacht habe. Ich wollte anders mit Text und Bild umgehen und dem Bild mehr Raum gewähren. Ich wusste, das war alles sehr theoretisch und ich wusste nicht, ob es funktioniert. Im Rahmen einer Diplomprüfung kann man experimentieren und viel machen. Aber ob es dann auf dem Markt ankommt, ist dann natürlich die andere Frage. Insofern war ich da sehr nervös.
Diese Nervosität hat sich dann erst später relativiert, und der entscheidende Moment war hier die erste Rezension noch vor Veröffentlichung, die genau die Punkte gelobt hat, die ich mir so theoretisch in meinem Hinterstübchen überlegt hatte. Und dann dachte ich, dass das Konzept zu funktionieren scheint. Das war für mich ein sehr befreiender Moment, weil ich dann dachte, dass der Ansatz wahrgenommen wird und auch mit Kindern sehr gut funktioniert.
Und so konnte ich das dann bei dem zweiten Buch wesentlich weniger experimentell angehen, weil ich zumindest einmal schon gesehen habe, dass es klappt. Was den Erfolgsdruck angeht, ist es eher so, dass jedes Buch natürlich eine Herausforderung ist. Ich versuche immer, den Druck so klein wie möglich zu halten, zumal ich auch immer selbst mein größter Kritiker bleibe. Und sobald ich zufrieden bin, ist der Druck dann auch ein bisschen weg. Ich hoffe dann natürlich, dass meine Idee dann auch allgemein ankommt. Ich verlasse mich darauf, dass ich selbst kritisch genug auf die Projekte gucken kann.

Über Konzepte, Texte und Bilder

Besprechen Sie Ihre Konzepte vorher mit Familie und Freunden? Oder entscheiden und entwickeln Sie Ihre Ideen für sich?

Mit ersten Ideen jongliere ich manchmal ganz gerne erst einmal 'rum. Beim Armstrong hatte ich die Idee z.B. schon sehr lange, die war also gar nicht so neu und kam kurz nach der Lindbergh-Verlegung. Schon 2014 hatte ich eine erste Idee, wie die Geschichte weitergehen könnte. Und da habe ich dann viel mit meiner Schwester geredet. Das brachte sehr viel, einfach weil ich diese noch sehr vagen Ideen einmal formulieren musste. Im Kopf denkt man natürlich immer ganz anders. Wenn man eine Idee aber einmal in Worte packen muss, sieht man dann an vielen Stellen plötzlich, da funktioniert es noch nicht, an anderer Stelle funktioniert es dann aber doch schon ganz gut. Und da ist es dann schon einmal ganz gut, wenn man irgendwann einmal die Idee aus der reinen Gedankenblase zumindest einmal geschrieben oder mit jemand anderem darüber gesprochen hat.

Sie haben gerade gesagt: Geschrieben oder gesprochen. Was ist Ihnen lieber? Schreiben Sie eine Idee für sich gerne erst einmal auf und strukturieren sie? Oder ist das direkt eine Kombination aus Skizzen und Text und Erzählen, also allen Bereichen zusammen? Manchmal ist es ja doch alles untrennbar miteinander verbunden.

Mir ist es am liebsten, wenn ich ein Konzept vorschlage, dass es eine Mischung aus Skizzenbuch und Konzept ist, und ich dann frei erzählen kann, worum es geht. Geschriebene Inhaltsangaben – finde ich – treffen häufig den Nerv nicht so ganz. Häufig ist es einfach nur eine Aufzählung der Handlung. Wenn ich frei erzählen kann, kann ich oft auch schon Emphase reinbringen und an den Stellen, die später für die Handlung wichtig sind, Handlungsstrukturen besonders hervorheben und erläutern. Bei NordSüd hat das geklappt. Als ich Armstrong vorgeschlagen habe, war das im Rahmen einer Verlagssitzung. Ich habe dann eine kleine Präsentation vorbereitet, Skizzen gezeigt und die Handlung vorgestellt. So präsentiere ich am liebsten Ideen. Ich versuche wirklich, Leute zu überzeugen, und nicht einfach ein PDF zu schicken.

Es ist wahrscheinlich auch einfacher, weil es etwas anderes ist, Geschichten mit und in Bildern zu erzählen, als 'nur' mit Text. In Bildern hat man visuelle Freiheiten, im Text kann man Dinge sprachlich präzisieren.

Das ist auch ein bisschen das Ziel meiner Bücher, nämlich die Freiheiten, die ein Bild haben kann, auch frei zu lassen. Bei dem Bild der Maus, die umringt wird von Mausefallen, wird das Bild wesentlich interpretationsoffener, wenn ich es unkommentiert stehen lasse, als wenn ich die Bedeutung des Bildes einschränke und sage: "Die Maus hat Angst, weil sie von Mausefallen umzingelt ist." Die Info sieht man auf jeden Fall. Aber wenn man nur das Bild hat, springen an allen Ecken noch zusätzliche Ideen und Handlungsdetails heraus. 

Text kann da vermutlich sehr viel kaputt machen, gerade bei diesem Beispiel [aus Lindbergh]. Ich habe dieses Bild sofort vor Augen, eben weil es eine so starke Kraft und Wirkung hat.

Mit Text schränkt man es in der Tat ein. Man sieht dann plötzlich im Bild nur noch die Message, die man dem Bild durch den Text mitgibt. Der Text hat dafür auf der anderen Seite andere wichtige Funktionen. Viele Sachen funktionieren im Bild, andere Sachen funktionieren dann wiederum im Text. Man kann auch nicht immer alles nur im Bild erzählen. Das würde dann manchmal etwas kompliziert, gerade wenn es z.B. um das gesprochene Wort geht. Da ist es gut, wenn man das in den Textteil packen kann. Beides darf aber genug Freiraum haben.

Ich habe gerade überlegt: Bei Maulwurfstadt funktioniert die Geschichte ja fast komplett ohne Text. Nur am Anfang und am Ende gibt es kleine Texte.

Das war das große Experiment und die Idee dahinter, weil ich eben nicht die Geschichte einschränken wollte. Ich wollte keine typische Protagonistengeschichte machen mit einem Maulwurf, der im Mittelpunkt steht. Es ging eigentlich um ein weiteres, übergreifenderes Thema: Es sollte nicht das Schicksal einer Maulwurfsdynastie sein, sondern ein Querschnitt dieser Zivilisationsgeschichte. Und da dachte ich mir, ich gebe einfach nur ein paar Informationen am Anfang und am Ende mit und überlasse quasi dem Betrachter das Erzählen. Ich erzähle wirklich nur im Bild, was ich sagen will. Und wie sich in vielen Workshops mit Kindern gezeigt hat, funktioniert das auch sehr gut. Das überrascht mich dann häufig auch selber, dass sie an kleinen Details, die sie im Bild entdecken, dann plötzlich selber ganze Verästelungen an Seitengeschichten konstruieren. Und das ist dann natürlich immer viel mehr, als ich selbst mitgeben könnte. Auch wenn Eltern sich mit dem Buch beschäftigen und es den Kindern vorlesen bzw. es mit ihnen betrachten, blättern sie es nicht schnell durch, sondern entdecken es, so dass hoffentlich jeder seine eigene kleine Geschichte hinein interpretiert. Das war ein bisschen das Ziel und es freut mich, dass das funktioniert.

Weil Sie gerade "entdecken" sagen: Ihre Bilder sind unglaublich detailreich und geradezu detailverliebt, was ich sehr mag, weil es das Entdecken in den Bildern ermöglicht. Man findet Kleinigkeiten und kann sich nicht sattsehen und kann sich die Bilder immer wieder anschauen. Hinzu kommen die Verknüpfungen z.B. zwischen Lindbergh und Armstrong, die ich ganz wunderbar fand. 

Dankeschön!

Über Fabeln und Adaptionen

Die Protagonisten all Ihrer Bücher sind Tiere: Mäuse und Maulwürfe, Tiere, die man im Alltag oftmals übersieht. Was hat Sie daran gereizt, gerade Mäuse zu Protagonisten zu machen?

Das lag an der allerersten Idee, auf der die Geschichte basiert. Die Idee war älter. Schon während meines ersten Illustrationskurses "Kinderbuch" an der Hochschule hatte ich mir überlegt, die kleinen Aufgaben, die wir bekommen hatten, anhand einer übergeordneten Geschichte zu machen. Da ging es um Perspektive, Fläche, Farbauftrag und solche Experimente. Und meine Idee damals war, dass eine Maus eine Fledermaus entdeckt und inspiriert ist, sich das nachzubauen und erfinderisch sein muss, um sich Flügel zu basteln. Das war die erste kleine Idee. Das habe ich zunächst nicht weiter verfolgt. Und Jahre später, als es dann darum ging, ein Diplomthema zu suchen, war das dann plötzlich wieder auf dem Tisch als Thema. Und dann dachte ich, dass die Geschichte Potential hat und ich daraus ein ganzes Buch machen will. Und so kam mehr oder weniger zwangsläufig die Idee auf eine Maus als Hauptcharakter, weil sich eben die anfängliche Idee eindeutig um eine Maus drehte. Und damit war dann auch klar, als es dann weiterging mit Armstrong, dass die Handlung dann auch hier in einer Mausewelt stattfinden sollte.
Die Wahl für Maulwürfe war auch sehr bewusst. Ich erzähle Geschichten immer gerne in einer Art Fabel. Und es ist manchmal stärker, eine Aussage in eine Tierwelt zu verlagern. Wenn man die Geschichte mit Menschen erzählt, hat man immer gleich den großen moralischen Zeigefinger, während man das in so einer lustigen Tierwelt spielerischer machen kann. Und das war der Grund, warum ich bei dem doch ökologischen und kritischen Thema, das in der Maulwurfstadt dahinter steckte, dachte, das müssen dann doch äußerst knuffige und possierliche kleine Tierchen sein. Und dann kamen eben die Maulwürfe, weil ich zudem ein Tier gesucht habe, das eindeutig seinen Lebensraum verändert durch seine Anwesenheit. Bei anderen Tieren, die beispielsweise im Wald leben, sieht man da nicht viel. Aber wenn ein Maulwurf irgendwo hinzieht, sieht man, dass er da ist, ähnlich wie ein Mensch. Sobald der irgendwo lebt, sieht man das: Er baut ein Häuschen. Und ein Maulwurf macht seine Gegenwart präsent durch einen Maulwurfshügel, die dann immer mehr werden. Man kennt das ja von den Wiesen, die zugepflastert sind.
Und dann kann man noch einen Schritt weiterdenken: Was würde passieren, wenn die Maulwürfe nicht ohnehin schon dieses exzessive Siedeln unter der Wiese haben, sondern dann auch noch anfangen, Maschinen zu benutzen. Das war die Idee.

Zuletzt wurde Armstrong als Hörspiel vertont mit Bastian Pastewka. Wie ist das für Sie als Bilderbuchkünstler, Ihre Bilderbücher in ein anderes Medium übertragen zu sehen, das nicht mehr visuell, sondern auditiv ist und auch wieder komplett ohne Schrift funktioniert?

Das war für mich sehr spannend! Ich mag das Konzept von Adaptionen sehr gerne. Ich bin zum Beispiel niemand, der sagt, ich guck mir den Film nicht an, weil ich das Buch mag. Das ist ein so anderes Medium mit anderen Werten. Allein schon die gestalterischen Möglichkeiten, die sich aus Kameraarbeit oder Regie ergeben, und mit denen man andere gestalterische Aspekte bedienen kann. Als dann anfangs die Anfrage kam, aus Lindbergh ein Hörbuch zu machen und auch noch Bastian Pastewka als Sprecher vorgeschlagen wurde, war ich natürlich hellauf begeistert. Die Adaption, die dann stattfand, war einfach in sich sehr stimmig. Man hat dann überlegt, wie man eine leichte Schilderung der Bilder in die Geschichte mit reinbringt, da man die Bilder selbst ja nicht hat, aber dennoch die Stimmung transportiert wird. Ich finde, dass das bei beiden Hörbüchern gut gelöst ist.
Bei Lindbergh ist es ja noch so, dass ich ja auch noch ein Teil der Geschichte bin. Da gibt es ja einen Zeichner, der [Torben Kuhlmann verstellt die Stimme] klingt dann natürlich ein bisschen älter. [Mit normaler Stimme] Aber das stellt man sich dann wahrscheinlich so vor, wenn man sich einen Märchenonkel vorstellt. Das ist dann nicht so ein 34-jähriger Mann, sondern das ist immer so ein Märchenonkel. Deswegen bin ich im Hörbuch der alte Zeichner.

Über den Arbeitsalltag

Das ist ganz spannend. Carson Ellis hat das ja auch gemacht in ihrem Bilderbuch Zuhause, da ebenfalls bei NordSüd erschienen ist, und in dem sie die unterschiedlichsten Behausungen zeichnet und ihr Arbeitszimmer integriert. Eigentlich spannend, wenn man sich selbst dann noch einmal einbringt in sein Werk und dem Betrachter zeigen kann, wie man arbeitet. Wie sieht entsprechend bei Ihnen ein typischer Arbeitsalltag aus?

Der typische Arbeitsalltag… Das ist immer ganz abhängig davon, was gerade so der Schwerpunkt ist. Ich habe ja mehrere Standbeine, also mehrere Bereiche in der Illustration, in denen ich arbeite, Lesereisen und solche Sachen, und natürlich Kinderbuch. Also der ganz klassische, typische Tag sieht eigentlich so aus, dass ich irgendwann vormittags, vielleicht um zehn, ins Atelier gehe, weil ich häufig, wenn ich in einem Projekt drin hänge, meistens open end arbeite. Ich sitze dann entweder so lange an der Arbeit, bis ich nicht mehr kann oder ich keine Lust mehr hab. Aber ich mag sowieso den Morgen sehr gerne und versuche, bevor ich mit dem Zeichnen anfange, mir ein bisschen Ruhe zu gönnen. Im Sommer radle ich dann gerne an die Alster, die nicht weit weg von meiner Wohnung ist, und trink dann da meinen Kaffee und genieß' einfach ein bisschen den Morgen, um dann, wenn ich an meiner Arbeit sitze, auch wirklich intensiv arbeiten zu können. Denn meistens ist der Feierabend dann so spät, dass dann von der Sonne nicht mehr viel da ist. Das ist so der klassische Tag. Und häufig sitze ich dann einfach gebeugt über mein Malpapier und male und zeichne oder mache Entwürfe. Nebenbei läuft dann meistens mein Rechner, wo ich dann das ein oder andere Hörbuch höre.

Irritiert Sie das nicht?

Nein, seltsamerweise gar nicht. Ich kann besser Hörbücher hören während der Arbeit und eine beständige Erzählung haben, als Musik. Ich höre kaum Musik bei Arbeiten. Aber Hörbücher sind gar kein Problem. Das Malen ist schon so ein meditativer Prozess, wo man, wenn mal einmal drin ist, weiter macht, und ganz überrascht ist, dass es schon elf Uhr abends ist, wenn man auf die Uhr guckt. Und Hörbuch hören ist ganz ähnlich. Aber es funktioniert wunderbar parallel. Ich werde nicht von dem einen und dem anderen abgelenkt. Das eine kann ich wahrnehmen, und das Malen ist dann ab einem gewissen Punkt, wenn man über die Vorzeichnungsphase hinaus ist, dann plötzlich nur noch ein ja fast mechanischer, laufender Arbeitsprozess.
Eine andere Arbeit könnte ich nebenher jedoch nicht machen. Ich könnte zum Beispiel nicht Hörbuch hören und Schreiben oder Steuererklärungen machen. In der Konzeptphase geht das übrigens auch nicht, da brauche ich meine volle Konzentration. Ich muss festlegen, wo was sein muss, ich muss die Perspektive konstruieren und so weiter. Wenn es aber darum geht, das Bild fertig zu malen, dann geht das wunderbar.

Warum keine Musik?

Ich weiß nicht. Musik höre ich lieber bewusst, habe ich festgestellt. Ich höre gerne bevor ich arbeite Musik und danach, manchmal auch, um in eine gewisse gestalterische Stimmung zu kommen. Aber während der Arbeit eher selten. Das stört mich irgendwann ab einem gewissen Punkt. Anders zum Beispiel beim Autofahren. Da kann ich Musik hören. Auto fahren und Musik oder Hörbuch hören. Das sind Sachen, die gehen gut zusammen.

Wie lange arbeiten Sie an einem Buch? Wenn Sie sagen, Sie setzen sich so um zehn oder elf hin und dann manchmal auch bis elf Uhr abends, das sind ja schon zwölf Stunden Tage.

Man will dann manchmal auch gar nicht aufhören und muss sich oftmals zwingen, aufzuhören, damit man am nächsten Tag wieder einigermaßen rechtzeitig starten kann. Das ist dann aber auch schön, wenn man dann so richtig in einem Projekt drin ist und nichts anderes machen will. Wie lange so ein Buch braucht, ist unterschiedlich. Lindbergh ist unter anderen Bedingungen entstanden, neben dem Beruf, den ich zu der Zeit hatte. Da hat es recht lange gedauert, bis so die erste Diplomfassung fertig war, so ca. ein Jahr. Das war dann auch häufig Feierabendarbeit und am Wochenende viel. Maulwurfstadt ist dann das Gegenbeispiel: Da gab es dann auch von vornherein von Verlagsseite einen Abgabetermin. Da habe ich dann ungefähr mit Konzept drei Monate dran gesessen. Das gleiche war dann bei Armstrong: Das erste Konzept war erst für ein 96-seitiges Buch wie Lindbergh und ich habe auch einen Abgabetermin gesetzt bekommen. Ich habe dann, während ich dran gesessen habe, noch zwei Mal beim Verlag anrufen müssen und gesagt, ich brauche ein bisschen mehr Platz und habe um 16 Seiten extra gebeten und dann später noch mal nach Extraseiten, so dass es dann 128 wurden. Insgesamt war das Zeitfenster – als das Konzept fertig war – für das reine Arbeiten und das Design 8 Monate.

Ganz schön lang.

Man kann das immer so ein bisschen staffeln. Man muss sich ja selbst gut einschätzen, um die zeitliche Kalkulation machen zu können. Es mussten dann immer so zwei Bilder pro Woche fertig werden, um dann irgendwann auf die 64 zu kommen. Bei 64:2 kann man dann ausrechnen, wie viele Wochen und Monate das sind und kann das dann grob einteilen.

Über die Arbeit auf mehreren Baustellen

Sie haben gesagt, sie haben mehrere Arbeitsfelder. Bleibt da überhaupt noch Zeit für etwas anderes?

Wenn ich an einem Buch sitze, ist das schon sehr intensiv. Da muss ich dann schon auch mal die ein oder andere Anfrage, die aus einer Werbeagentur kommt, leider ablehnen, vor allem, wenn es größere Sachen sind. Kleinere Sachen nehme ich dann doch ganz gerne an, auch wenn es teilweise doch schon eng wird. Aber es ist auch einfach schön, dann mal rauszukommen. Und irgendwann ist man auch ein bisschen betriebsblind, wenn man jeden Tag immer nur das Gleiche macht. Man muss dann einfach auch mal einen Tag raus.

Ich habe mir Ihre Homepage angeschaut und bin dort noch auf andere Bilder gestoßen, u.a. auf Werbeillustrationen, aber auch auf ganz viele Bilder, die geradezu als fotorealistisch gelten können, z.B. Freunde. Wann haben Sie bemerkt, dass Ihnen Malen und Zeichnen liegt?

Das wusste ich eigentlich schon immer, weil es rückblickend eigentlich keine Zeit gab, in der ich nicht gezeichnet habe. Das war so ein bisschen auch der Vorteil des Ganzen, dass ich immer gerne gezeichnet habe, auch als ich ganz klein war. Und dadurch, dass ich nie aufgehört habe zu zeichnen, bin ich in kleinen Schritten immer besser geworden. Ich habe mir in meinen frühen Teenagerjahren dann einen Aquarellkasten gekauft und erste Aquarellexperimente gemacht und dann auch viel mit Öl gemalt. Also alles im Eigenexperiment. Und dann war ich irgendwann an einem Punkt, dass ich das als Berufsoption gesehen habe.

Das, was ich an Bildern auf Ihrer Homepage gesehen habe, ist enorm vielfältig. Ihre Skizzenbücher aus den USA haben mir besonders gut gefallen, vor allem das Flüchtige in den Bildern, das aber trotzdem die Stimmung vermittelt. Weil Sie auf Ihrer Homepage eine enorme Vielfältigkeit zeigen, habe ich mich gefragt, ob es etwas gibt, dass Sie nie malen oder zeichnen wollen oder würden?

Was ich nie malen würde… [Es folgt eine Pause.] Das habe ich mich noch nicht gefragt. Eigentlich wüsste ich kein Thema, bei dem ich sagen würde, das geht nicht oder das mache ich nicht. Man kann ja in allem eine zeichnerische Herausforderung sehen und Spaß daran haben. Das war auch in der Werbeagentur immer ein Anreiz. Manchmal ging es einfach nur darum, ganz grobe Entwürfe für einen Storyboard-Clip oder einen kleinen Werbespot zu machen. Zum Beispiel haben wir damals viel für die ARD oder den NDR gemacht. Da gab es dann ein paar Einspieler mit Jan Fedder, einer 'Kodderschnauze', wie man so sagt, und da war es dann eben mein zeichnerischer Antrieb, gute Porträts zu machen für das Storyboard. Man kann in allem, selbst wenn einem das Thema von vornherein erst einmal nicht liegt, zeichnerische kleine Herausforderungen sehen.

Ist Malen oder Zeichnen für Sie ein Ersatz für Fotografie?

Nein. Das eine ersetzt das andere nicht. Die Diskussion ist ja auch alt. Als man die Fotografie erfunden hat, hieß es ja auch, dass es das Ende der Malerei sei und das war es dann nicht und ist es heute auch nicht. Fotografie hat wieder andere Möglichkeiten, andere Qualitäten und ist wieder ein anderes Medium, so dass Malerei/Zeichnung und Fotografie gar nicht so stark im Kontrast zueinander stehen. Wie bei Film und Buch, die ja auch völlig unterschiedliche Medien sind und die gut nebeneinander funktionieren können.

Das heißt, Sie haben immer eine ganz volle Tasche dabei, wenn Sie reisen mit Kamera und Zeichenutensilien?

Hauptsächlich Skizzenblock und Farben. Statt Fotoapparat habe ich dann doch meist nur mein Handy dabei, um mal das ein oder andere Bild zu machen.

Über das Lesen

Wenn Sie selbst Zeit zum Lesen haben: Wo lesen Sie gerne, was lesen Sie gerne und welches Buch wartet darauf, als nächstes gelesen zu werden?

Ich höre ja viele Hörbücher – und lese dann nicht – und habe als letztes Bücher von einem Hamburger Autoren gehört, der so kleine norddeutsche Krimigeschichten schreibt, Krischan Koch, auch von Bjarne Mädel toll gelesen, und war davon ganz begeistert. Und was ich als nächstes höre oder lese, weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht. Von Koch habe ich noch nicht alle Titel durch, da werden vielleicht noch ein oder zwei folgen. Als nächstes möchte ich dann noch einmal den ein oder anderen Klassiker lesen oder hören, zum Beispiel Mary Shelleys Frankenstein. Bram Stokers Dracula war in der Jugend immer mein Lieblingsbuch. Und deswegen dachte ich, dass ich diese Klassiker irgendwann noch einmal lesen muss. Frankenstein ist daher gerade ein Titel, der mir einfällt. Auch den ein oder anderen Jules Verne-Titel, also alles, was man so allgemein als Klassiker bezeichnet. Auch gerne im Bereich Fantasy oder Science Fiction.
Hörbücher höre ich gerne im Auto oder bei der Arbeit, und lesen tue ich gerne im Zug wenn ich reise. Ich bin ja relativ häufig im Zug unterwegs bei meinen Lesereisen und komme viel 'rum. Und wenn man dann mal fünf Stunden Zeit hat, nutze ich das. Ich brauche auch immer einen kleinen Moment, um in ein Buch reinzukommen. Ich kann mich nicht hinsetzen, eine Seite lesen und bin drin. Ich brauche ein bisschen Zeit. Und deswegen muss ich auch, bevor ich anfange zu lesen, wissen, dass ich dann mal zwei Stunden oder länger Zeit habe, damit ich dann auch in die Situation komme, wo ich nicht mehr aufhören kann und wissen will, wie es weitergeht. Ich muss mich in Bücher immer ein bisschen einarbeiten.

Gibt es ein neues Projekt, an dem Sie arbeiten?

Noch nicht 100%ig konkret. Ich hab jetzt mit NordSüd einen Titel, den wir als nächstes angehen. Es wird etwas anderes, im Bereich Science Fiction/Klassiker Science Fiction. Die richtige Arbeit geht dann allerdings nächstes Jahr erst richtig los. Ich selbst habe auch noch zwei Ideen für weitere Titel, wo ich demnächst anfange, erste Entwürfe und Konzepte zu machen, damit ich das dann vorstellen und vielleicht NordSüd wieder begeistern kann.

Vielen Dank für das Interview!

 

Weitere Informationen zu Torben Kuhlmann und seinen Werken sind auf seiner Homepage zu finden: torben-kuhlmann.com

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