Handlung

Als der Ich-Erzähler Finn, wie jeden Samstagnachmittag, gelangweilt mit Vater, Großvater und Urgroßvater Fernsehen schaut, wird die Tristesse plötzlich durch ein unerwartetes Ereignis gestört: Ein Motorradfahrer stürmt in das Wohnzimmer und richtet eine Pistole auf die Beteiligten. Schnell entpuppt sich der Motorradfahrer als Frau, die einen Supermarkt ausraubte und jetzt vor der Polizei flieht. Sie habe das Geld nur genommen, um ihrer kranken Tochter zu helfen, tönt die rothaarige Schönheit, von der sich Finn mehr und mehr in Bann gezogen fühlt. Nun sind Finns Vater und Großvater selbst auf das Geld aus und setzen Finn als Pfand für einen intriganten Plan ein: Gegen einen prozentualen Anteil des Geldes wollen sie der Räuberin helfen. Schließlich mit der schönen Unbekannten in einer Kammer eingesperrt, um die Polizei zu täuschen, bahnt sich für Finn eine kleine Romanze an, doch die Diebin verlacht ihn. Bloßgestellt und von der eigenen Familie verraten, wird der bislang leise Beobachter Finn zum Schluss selbst zum aktiven Teil der Geschichte: Laut und überraschend überwältigt er die Räuberin und klaut ein Teil des Geldes, das er später unbesorgt verschleudert. Symbolisch für die Loslösung aus der erstickenden Enge und dem kindlichen Gehorsam entwickelt sich Finn vom determinierten Objekt hin zum selbstbestimmten Subjekt. So ist die äußere Erzählspannung eng verbunden mit Fragen zu Identität, Reife und Selbstfindung und moralisch-ethischem Handeln.

Analyse

Einfache Sprache meint die Reduktion sprachlicher Komplexität und entspricht einem mittleren Anspruchsniveau zwischen Standardsprache und leichter Sprache (vgl. Hallik/Janssen 2017). Der Jugendthriller Finn Black. Der falsche Deal (2017) präsentiert ein mittleres Anspruchsniveau, weil die Kriterien einfacher Sprache erfüllt sind: geringer Seitenumfang (90 Seiten), größere Schrift, erhöhter Wortabstand, einfacher Schrifttyp, kurze Kapitel, überwiegend kurze Sätze und einfache(re) Syntax, keine Fremdwörter, viele Dialoge, Aktion (vgl. Kellermann 2014). Teilweise steht aber schon die äußere Darbietung der Geschichte, etwa der Verzicht auf Flattersatz und Illustrationen, dem Anspruch an vereinfachte Literatur entgegen, wie ihn z. B. Peter Conrady (2008) formuliert. Darüber hinaus wird die eigentlich reduzierte Sprache mit komplexeren literarischen Stilmitteln verbunden, die den Text ästhetisieren. So sind etwa Wortwiederholungen einfach, weil sie die Leserinnen und Leser kognitiv entlasten. Zugleich aber auch ästhetisch, weil sie als Stilmittel verwendet werden:

Die nächsten fünf Minuten passiert nicht viel. Wir stehen alle nur rum … wir reden nicht viel, machen nicht viel. Wir warten nur einfach und überlegen, warten und überlegen, warten und überlegen … (43)

Die Wiederholung von Worten und Phrasen gilt als festes Prinzip des gesamten Textes. Auf diese Weise wird auch an anderen Stellen Komplexität reduziert und die eigentlich an der Mündlichkeit orientierte Sprache ästhetisch überhöht:

Die Sekunden und Minuten scheinen irgendwie ständig zu beschleunigen und zu verlangsamen … zu beschleunigen, zu verlangsamen … schneller und wieder langsamer … schneller, langsamer … schneller, langsamer. (53)

Im ersten Textbeispiel fungiert die Wiederholung als Dehnung und markiert die lange Wartezeit bildhaft, im Sinne des Tickens einer Uhr. Im zweiten Beispiel wird das Erzähltempo durch die kürzer werdenden Phrasen und Wiederholungen beschleunigt, um Spannung zu erzeugen. Zur rhetorischen Figur der Wortwiederholung gehören allgemein Stilmittel wie Anapher, Epipher, Kyklos, die einen Text rhythmisieren und zugleich die Wahrnehmung bzw. Merkfähigkeit der Leserinnen und Leser unterstützen. Sie schaffen Kolorit und helfen so, eine bessere Vorstellung vom Text zu entwickeln.

In Finn Black. Der falsche Deal (2017) ist nicht nur die Sprache, sondern auch die Narration vereinfacht. Mit Hilfe der übersichtlichen Erzählweise können Textverstehen und Lesemotivation auch von speziell ungeübten Leserinnen und Lesern gestärkt werden. Zunächst schafft der Erzähler ein solidarisches Verhältnis zu diesen, indem er einen einfachen und spannenden Einstieg in die Geschichte verspricht:

Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber wenn ich eine Geschichte lese, möchte ich von Anfang an wissen, worum es geht. […] Ich will Fakten. Ich will wissen, wer wer ist und was was … Und dann will ich weiterlesen. Das heißt: Wenn es für dich okay ist, mache ich`s hier genauso. (5)

Die direkte Leseranrede kann für die Handlung leichter sensibilisieren und interessieren, aber auch Reflexionen wecken, die das eigene Leseverhalten betreffen. Darüber hinaus sind Zeit und Raum überschaubar und schaffen einen leichteren Zugang zur Geschichte. Zum einen findet das Geschehen an nur einem Handlungsort statt, dem Haus der Familie (zwei Räume). Zum anderen wird auf Dissonanzen in der Chronologie verzichtet und werden größere Dehnungen, Pausen, Ellipsen oder Raffungen vermieden. Finn Black. Der falsche Deal (2017) ähnelt einer Milieustudie aus den Augen des Erzählers. Finn beobachtet und beschreibt, vor allem die Täterin, zu der er sich hingezogen fühlt. "Sie ist nicht sonderlich groß. Ungefähr so wie ich. Schlank, nur mit Kurven, kleine Füße und kleine Hände." (13) Durch die detaillierten Beschreibungen wird die Figur plastisch, spannend und vorstellbar.

Aus wirkungsästhetischer Sicht ist Finn Black. Der falsche Deal (2017) ein auch für leseungeübte Jugendliche attraktiver Text, der aufgrund von Erwartungs- und Normbrüchen Spannung garantiert. Das Figurenarsenal, die Figurentypen und Figurenkonstellationen sind im Vergleich untypisch. Zu Beginn wird ein bürgerliches, eher tristes Familienbild präsentiert, bis sich die Figuren als skurrile Gestalten erweisen, die christliche Werte und gesellschaftliche Normen immer wieder torpedieren. Somit werden die tradierten Vorstellungen der – geübten – Leserinnen und Leser permanent gestört. Im Kopf entsteht immer wieder eine Ahnung vom Fortgang der Geschichte, die im nächsten Moment durchbrochen wird. Mit Hilfe der inneren Monologe des Erzählers wird nicht nur ein breiterer Einblick in das Denken und Handeln gegeben, der Empathie und Perspektivwechsel fördert. Sondern auch Unmittelbarkeit, d. h. eine Sogwirkung zwischen Geschichte und Lesenden erzeugt. Gleichwohl sorgt das szenische Erzählen für Aktion, ein schnelleres Erzähltempo und Spannung.

In der äußeren Darbietung ist der Text nicht nur vereinfacht, sondern in verschiedener Hinsicht ästhetisiert. In der Typografie lockern Fettmarkierungen, Kursivsetzungen oder Versalschrift den Text auf. Oft sind statt der Satzendzeichen drei Auslassungspunkte vorhanden, die wie Pausenmarkierungen eines mündlichen Dialogs erscheinen (ähnlich einer Transkription) und, z. B. auch der Soziolekt ("Schädel" 12, "glotzen" 13), sprachliche Authentizität vorgeben. Durch die oft kurzen Sätze erhält die Sprache einen stakkatohaften, schnellen Charakter. Die Ein-Wort-Sätze, Gedankenstriche, Einrückungen, Fragestellungen oder Satzabbrüche machen den Text rhythmisch sowie auch lyrisch, z. B. wenn durch das Auslaufen der Zeile vor dem Ende der Druckzeile ein Vers entsteht:

Es ist mir eigentlich auch egal.
Ich will bloss raus hier.
Raus aus dem Haus.
Und heimgehen. (45)

In Finn Black. Oder der falsche Deal (2017) kulminiert die Sprache teilweise in lyrisch anmutenden Sätzen, die den Abstand zur Alltagssprache vergrößern.

Das Zimmer versinkt wieder in diesem lastenden Schweigen. Ich höre das leise Ticken der Uhr auf dem Kaminsims, das blecherne Surren der Zahnräder und Federn… ich höre die Stille der Straße draußen. Ich sehe die Staubwolken in dämmrigen Licht… Und alles fühlt sich unheimlich an. (S. 43)

Durch die Wortwiederholungen, Alliteration und Assonanzen wird der Absatz phonologisch verfremdet bzw. ästhetisch überhöht: "Das Zimmer versinkt wieder in diesem lastendem Schweigen" oder "ich höre die Stille der Straße draußen. Ich sehe die Staubwolken im dämmrigen Licht". Auffällig ist auch die Wiederholung von Worten, die im Wortfeld Hören verankert sind (hören, Schweigen, Leise, Ticken, blecherne, surren, hören, Stille), wobei der Höreindruck mittels der onomatopoetischen Wortfolge "blecherne Surren" noch intensiviert wird. Auch durch die dynamisierende Metapher "das Zimmer versinkt" oder das Oxymoron "höre die Stille" wird der beklemmende Eindruck des Wartens gesteigert.

In Finn Black. Der falsche Deal (2017) ist auch die Farbe Schwarz von Bedeutung, die z. B. als Oxymoron ("schwarzes Leuchten", 63) oder als Synästhesie ("schwarze Hitze", 40) gebraucht wird, aber v. a. im Titel "Finn Black" nicht zufällig gewählt ist. Schwarz steht symbolisch für Finns dialektische Figurenanlage, die ihn einerseits als Opfer beschreibt, andererseits als Täter darstellt, der selbst einen Teil des gestohlenen Geldes klaut. Auf diese Weise wird die Figur Finn mit der Familie und vor allem mit der Figur der Räuberin verbunden, deren äußere Erscheinung schon zu Beginn Unheil verkündet: "Der Fremde ist ganz in Schwarz gekleidet – schwarze Lederhose, schwarze Lederjacke, schwarze Lederstiefel und schwarzer Motorradhelm." Das Gegensatzpaar Opfer (Finn) und Täter (Räuberin) entwickelt sich am Ende der Geschichte zu Täter und Täter bzw. Täter und Opfer, als die Räuberin schließlich von der Polizei verhaftet wird und Finn einen Teil ihres gestohlenen Geldes an sich nimmt.

Die Verständlichkeitsforschung zeigt, dass nicht nur Einfachheit und Kürze, sondern auch Textattraktivität Verstehen fördern kann. Darüber hinaus wird leseungeübten Jugendlichen die Möglichkeit geboten, Literatur hedonistisch-emotional zu erleben. Dass nicht alle Leserinnen und Leser an der Ästhetik und Komplexität der Geschichte gleichermaßen partizipieren, spricht nicht gegen, sondern für komplexere Texte wie diesen: zum einen im Sinne der Zone der nächsten Entwicklung nach dem sowjetischen Psychologen Lew Wygotski. Zum anderen, weil die literarischen Stilmittel auch nur oberflächlich wahrgenommen oder überlesen werden können, ohne Verlust oder Abbruch der Lektüre.

Rezeption

Finn Black. Der falsche Deal (2017) wurde im März 2018 mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet und als "leicht zugängliche, zielgruppenorientiert geschriebene Schullektüre" gewürdigt, die sich für "Kurzstreckenleser" eignet. Denn einfache Lektüren sind "Mangelware", heißt es in der Jurybegründung, und kommen meist pädagogisch daher (vgl. Leipziger Lesekompass 2018). Tatsächlich konzentriert sich ein Großteil der einfachen Jugendliteratur auf didaktische Problemerzählungen, die Stoff und Thema im problemorientierten Milieu verorten. So ist nicht nur die Ästhetik in Finn Black. Der falsche Deal (2017), sondern bereits das Genre zentrales Differenzmerkmal in Bezug auf jugendliterarische Texte in einfacher Sprache, z. B. der Reihen "K.L.A.R." (Verlag an der Ruhr) oder "Short & Easy"(Ravensburger).

Auch auf der Rezensionsdatenbank der Regionalorganisation Kinder- und Jugendmedien Bern-Freiburg des Schweizer Instituts für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) wird Finn Black. Der falsche Deal (2017) für leseschwache Jugendliche empfohlen (Monika Fuhrer, 10.02.2018). Wie sich in den (bislang) wenigen Online-Rezensionen zeigt, nehmen ebenso jugendliche Leserinnen und Leser die Kürze und/oder Einfachheit des Textes als Besonderheit wahr, die sie z. T. positiv, wie auch kritisch bewerten. Für die Klassen 7-9 gibt es ein Unterrichtsmodell der Reihe "Lesen in der Schule mit dtv junior", das im Internet kostenfrei zur Verfügung steht. Herausgeberin ist Marlies Koenen, zuständig für die Bearbeitung Richard Klimmer:

https://www.dtv.de/_files_media/downloads/lehrermodell-71729-956.pdf?utm_source=zum.de&utm_medium=advertorial&utm_content=text&utm_campaign=finn_black.

Bibliografie

Primärliteratur

Brooks, Kevin: Finn Black. Der falsche Deal. München: dtv 2017 (dt. Übersetzung Uwe-Michael Gutzschhahn)

Brooks, Kevin: Bloodline. Edingburgh: Barrington Stoke 2004.

Sekundärliteratur

Conrady, Peter: Ist Jugendliteratur für leseungewohnte Jugendliche "einfache" Literatur? In: Kinder- und Jugendliteratur für Risikoschülerinnen und Risikoschüler? Aspekte der Leseförderung. Hrsg. von Jörg Knobloch. München: kopaed (kjl&m forschung.schule.bibliothek, H. 08. extra), S. 82-91.

Hallik, Sibylle/Janssen, Arne (2017): Das Projekt "Parlamentsdeutsch in Einfacher Sprache". In: "Leichte Sprache" im Spiegel theoretischer und angewandter Forschung. Hrsg. von Bettina M. Bock, Ulla Fix und Daisy Lange. Berlin: Frank & Timme, S. 373-385.

Kellermann, Gudrun: Leichte und einfache Sprache – Versuch einer Definition, 2014. Im Internet unter: http://www.bpb.de/apuz/179341/leichte-und-einfache-sprache-versuch-einer-definition.

Materialien

https://www.dtv.de/_files_media/downloads/lehrermodell-71729-956.pdf?utm_source=zum.de&utm_medium=advertorial&utm_content=text&utm_campaign=finn_black

http://buchundlesen.ch/index_htm_files/Leipziger_Lesekompass_10-14_Jahre.pdf