Editorial

Schrift ist mehr als die Abbildung gesprochener Sprache; die Typografie eines Textes mehr als der oberflächliche erste Zugang zum Geschriebenen; der Inhalt nicht losgelöst von seiner Materialisierung zu denken. Editionspraktiken zeigen einen Text – einem Erkenntnisinteresse folgend – als ein zu lesendes Artefakt. Die Sichtbarkeit des Textes wird damit zu einem wesentlichen Kriterium, das eng mit dem Inhalt und ggf. auch einer Aussageabsicht verwoben ist. Die Schriftgestaltung eines Textes kann der optischen Inszenierung dienen, ebenso der Thematisierung von politischen und sozialen Realitäten, sie kann zum ästhetischen und poetischen Gestaltungsmittel werden oder zum Medium identitätspolitisch-ideologischer (Selbst-)Positionierungen. Selbst der Weißraum zwischen und hinter den Buchstaben ist nicht frei von Bedeutung. In jedem Fall greift die schlichte Trennung von Materialität und Referenzialität zu kurz. Auch die allzu abgegrenzte Gegenüberstellung von Schrift- und Bildmedien ist bei näherer Betrachtung nicht zu halten. Typografie und Layout sind zentrale Dimensionen schriftlicher und also auch literarischer Gestaltung.

Im vorliegenden Themenheft wird die Schriftgestaltung entsprechend vielschichtig zum Thema. Ben Dammers geht grundlegend auf die Schrift als Infrastruktur des Buchraums ein. Es folgen Beiträge von Hartmut Hombrecher und Larissa Carolin Jagdschian zu historischen kinderliterarischen Phänomenen und von Katharina Egerer und Carla Plieth zu eher aktuellen Erscheinungen auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt. Kathrin Heintz und Andy Sudermann diskutieren in einem gemeinsamen Beitrag das narrative Potenzial leerer Flächen im Buch.

In didaktischer Perspektive analysiert Anna Ulrike Franken, wie ein Sachbuch durch typografische Gestaltung Orientierung bietet. Wie Kinder schriftgestalterische Elemente deuten, analysieren Kira Härtel, Laura Drepper und Elvira Topalović in einer empirisch qualitativen Perspektive. Der Kommunikationsdesigner Johannes Ritter richtet seinen Blick dann auf die Frage, wie Schriften für Kinder als Lesenoviz*innen auszuwählen sind. Ganz ähnlich gelagert ist der Beitrag von Hans Brügelmann, der aber empirisch untersucht, wie sich Schriftarten und Schriftgrößen auf die Leseprozesse von Leser*innen am Anfang des Leseerwerbs auswirken. Ebenfalls lesedidaktisch ist der Beitrag von Susanne Riegler ausgerichtet, die das grafische Element der Silbenbögen in Erstlesebüchern kritisch-konstruktiv diskutiert. Am Schluss des Thementeils steht ein Interview mit Hans ten Doornkaat, der mit dem Blick des Verlagslektors auf die Schriftgestaltung im Bilderbuch schaut.

Rezensionen zu neu erschienener Fachliteratur und Berichte aus der AJuM und zum LesePeter runden das Heft in gewohnter Form ab. Viel Freude bei der Lektüre!

Michael Ritter

 

Inhaltsverzeichnis

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