Inhalt

Das Ende der Menschheit ist gekommen. Jene unbekannte Wesen, die den Menschen vor Jahrmillionen das Wissen und die Mittel gaben, um die Erde zu bevölkern, sind nun wiedergekommen. Da sie die Welt für überfüllt und die Menschen einer weiterer Existenz unwürdig halten, läuten sie das Ende der Welt ein. Nur eines der zwölf Völker, das sie zu Anbeginn der Menschheit gegründet haben, darf weiterleben. Welches dies sein wird, entscheidet ein Spiel namens Endgame. Zwölf Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren – jeder Vertreter eines Stammes – treten in einem Kampf um Leben und Tod, bei dem das eigene Überleben im Vordergrund steht, gegeneinander an, um drei Schlüssel zu finden, die den Sieg im Endgame bedeuten. Die Anhänger der restlichen Stämme und damit der Rest der gesamten Weltbevölkerung werden anschließend ausgelöscht. Regeln gibt es keine, lediglich codierte Rätsel weisen den Weg zu den Schlüsseln. So führt Endgame die Spieler rund um den Erdball und stellt sie immer wieder vor neue Herausforderungen und Aufgaben. Der Ausgang ist ungewiss, die Zukunft noch ungeschrieben. Doch eines ist sicher: Nur ein Spieler wird überleben.

Kritik

Mitte der 2000er wurde James Frey in der amerikanischen Öffentlichkeit vorgeführt, weil er seinem Roman A Million Little Pieces, der als Autobiographie vermarktet wurde, frei erfundene Elemente hinzugefügt hatte. Jetzt kommt der amerikanische Autor mit einer in dieser Form noch unerprobten Idee zurück: Durch ein vorkonzipiertes multimediales Event rund um seinem Jugendroman Endgame – Die Auserwählten lässt er Realität und Fiktion ineinander übergehen.

Als erster Teil einer angekündigten Trilogie reiht sich Endgame ein in eine wachsende Liste dystopischer Jugendromane. Wie auch Die Tribute von Panem (Suzanne Collins 2008), Divergent (Veronica Roth 2011), Maze Runner (James Dashner 2009) oder auch Die Verratenen (Ursula Polanski 2012) handelt Endgame von einer kleinen Anzahl ausgewählter Jugendlicher, die für ein größeres Wohl kämpfen und dabei der Aufgabe auf den ersten Blick nicht gewachsen scheinen. Die Protagonisten all dieser Romane sind zu Höherem berufen, aber in großem Maße fremdbestimmt: ein Sinnbild des Leben eines/einer Heranwachsenden. Doch muss der Gegner gleich ein totalitäres System oder der Weltuntergang sein, damit der Leser sich in der Geschichte wiederfindet? Vielleicht ist die Beliebtheit junger Hauptfiguren, die ihrer unausweichlichen Bestimmung entgegentreten müssen, ein Ruf nach Orientierung und Sicherheit, die in einer Zeit, in denen Heranwachsenden alle Türen offen stehen, oftmals fehlen. Andererseits kommt die Kritik und die Unzufriedenheit an den Systemen unserer Zeit zum Ausdruck, in denen Individualität und Freigeist nur noch kleinen Wert besitzen.

Trotz des abgegriffenen Themas gelingt es James Frey, seine Geschichte von anderen abzuheben. Während die Sprache einfach gehalten und weder besonders ausgeschmückt noch einfallsreich ist, sind die Charaktere der zwölf Spieler sehr vielschichtig und die einzelnen Lebensläufe detailgetreu ausgearbeitet. Obwohl der Roman in großen Teilen die Geschichte um Sarah Alopay, die Spielerin der Cahokianer, und deren Freund Christopher sowie deren Verbündeten Jago Tlaloc, den Spieler der Olmeke, erzählt, werden Hintergrundinformationen zu allen Spielern, deren Vergangenheit und Einblick in ihr Inneres enthüllt. Dem Leser/der Leserin bleibt es trotz ungleicher Anzahl an Kapiteln, die jeweils einem Spieler oder einer Spielerin gewidmet sind, selbst überlassen, ober einen Favoriten hat und mit wem er mitfiebert. An dieser Stelle offenbart sich auch Freys Vermarktungskonzept: Zwischen den ersten beiden Büchern der Trilogie werden zwölf Novellen erscheinen, die jeweils die Hintergrundgeschichte zu einem der Spieler erzählen.

Die Ausarbeitung der Protagonisten macht die Geschichte auf der einen Seite tiefgründiger, auf der anderen Seite für junge Leser auch schwerer fassbar. Viele der Personen wirken auf den ersten Blick unsympathisch, eine klare Trennung zwischen gut und böse gibt es nicht, Handlungsmotive sind mehrdimensional. So möchte die Nordamerikanerin Sarah ihre Freunde und Familie beschützen. Obwohl sie Gewalt nicht als Lösung sieht, ist sie gezwungenermaßen dennoch bereit, über Leichen zu gehen. Der Spieler der Shang, An Liu, empfindet hingegen Spaß an Gewalt und Brutalität. Er wirkt aber weitaus menschlicher, nachdem der Leser von seiner traumatischen Kindheit erfährt, in der er zu einem Kämpfer gedrillt wurde und seitdem von schrecklichen spasmischen Anfällen geplagt wird. Wenige Spieler wie der Aksumite Hilal Ibn Isa al-Salt glauben sogar an eine friedliche Einigung zwischen den Spielern. Neben den vielschichtigen Figuren macht auch die Darstellung von Gewalt – dazu gehören abgeschnittene Finger und zerfetzte Leichname ebenso wie unschuldige Kinder, die zu kaltblütigen Mördern herangezogen werden  – Endgame zu einer ungeeigneten Lektüre für allzu junge Jugendliche.

Die Besonderheit an Endgame – Die Auserwählten ist im Gegensatz zur mittelmäßigen Geschichte ein realer Goldschatz, zu dem das Buch führt. In dem Roman sind Hinweise versteckt, die – richtig interpretiert – den Weg zu drei Schlüsseln weisen, die eine Kiste mit Goldmünzen im Wert von mehreren hunderttausend Dollar öffnen. Dieses reelle Endgame ist in enormem Ausmaß angelegt und macht die Dimension dieses Medienverbundes deutlich, der drei Bücher, zwölf Novellen, ein Kinofilm, ein Augmented-Reality-Game für das Smartphone, einen eigener Twitter- und Google+-Account von jedem Spieler und diverse YouTube-Kanäle umfasst. Zusammen mit seiner Schreibwerkstatt Full Fathom Five und Mitarbeitern des Massachusetts Institute of Technology entwickelte Frey eine Multimedia-Schnitzeljagd, deren Preisgeld mit jedem weiteren Buch der Reihe ansteigt. Da es nur einen Gewinner geben soll und das Spiel damit sehr knifflig gestaltet ist, wird das Rätsel für Jugendliche wahrscheinlich zu komplex und anspruchsvoll sein. Es inspiriert den Leser jedoch auf jeden Fall, sich auch nach der Lektüre sich noch weiter mit der Geschichte zu beschäftigen.

Fazit

Endgame – Die Auserwählten ist eine Geschichte für Jugendliche und junge Erwachsene, die Spaß an schlichter, leicht zu verfolgender Handlung und spannenden, actiongeladenen Szenen haben. Dabei werden vor allem jene LeserInnen in den Bann gezogen, die sich außerhalb des Buches in die Geschichte vertiefen und versuchen den Goldschatz zu bergen. Wer mehr Wert auf komplexe Figuren als auf ausgefeilte Handlungen legt, dem wird Endgame gefallen. Durch gewaltsame Szenen ist das Buch aber nicht für junge Leser geeignet und eher für Jugendliche ab 16 Jahre zu empfehlen.

Titel: Endgame. Die Auserwählten
Autor/-in:
  • Name: Frey, James
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Endgame. The Calling
Übersetzung:
  • Name: Felix Darwin
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2014
Verlag: Oetinger
ISBN-13: 978-3789135224
Seitenzahl: 592
Preis: 19,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 16 Jahre
Frey, James: Endgame. Die Auserwählten