Frau Schenkel, sie sind eine vielseitige und produktive Autorin. Wie würden Sie ihren eigenen Schaffensprozess beschreiben?
Andrea Maria Schenkel: Zum Schreiben schotte ich mich zumeist eine längere Zeit in einem Landhaus ab, um ganz für mich zu sein. An manchen Tagen geht dann das Schreiben trotzdem zäh wie Gummi und an anderen wieder so einfach wie geschnitten Brot. Zudem habe ich am Ende des Schaffensprozesses lernen müssen, nicht mehr zu lange über das Ergebnis nachzudenken. Denn Bücher sind wie Kinder – Wenn man sie gehen lässt, muss man sie so akzeptieren, wie sie geworden sind.

Rachemord, Mord aus Bigotterie oder aus Eifersucht – Ihre Werke sind geprägt von Gewaltverbrechen. Warum interessieren sie sich so sehr für Mord und Totschlag?
Mein Mann hat mich auch schon Ähnliches gefragt [lacht]. Dieser Aspekt hat mich schon mein Leben lang fasziniert, ohne eine Begründung dafür zu kennen.

Wie ist die Resonanz auf ihre auf historische Fakten basierende Krimis? Haben sich Nachfahren der Opfer ggf. schon einmal beschwert?
Nein, im Gegenteil. Bei Kalteis habe ich Briefe von den Nichten des Mordopfers Kathi erhalten, die sich bei mir bedankten, dass ihnen die Lektüre ihres Romans beim Verarbeiten des tragischen Vorfalls geholfen habe.

Von namhaften Tageszeitungen werden sie sogar als Begründerin der aktuellen Heimat-Krimi-Welle wie Rita Falks Eberhofer-Krimiserie gesehen. Sehen Sie das auch so?
Das sehe ich weniger so, weil meine Romane in diesem Sinne keine Heimatkrimis sind, da z.B. Tannöd auch in den USA oder sogar in Indien gelesen wird. Damit hat also der sogenannte Heimatkrimi die Heimat verlassen, sodass er dadurch meiner Meinung nach keiner mehr ist, auch wenn man sich natürlich in Zeiten der Globalisierung auch an verschiedenen Erdteilen verwurzelt fühlen kann.

Wie haben sie bei der viel beachteten Literaturverfilmung von Tannöd (2009) von Bettina Oberli mit namhaften Schauspielern wie Monica Bleibtreu als scheinbar verrückte Hinterwäldlerin Traudl Krieger mitgewirkt?
Eigentlich gar nicht. Ich habe mich überraschen lassen.

Wie hat Ihnen diese gefallen?
An der Verfilmung mochte ich zwar die Schauspieler, jedoch nicht die musikalische Untermalung, die für meinen Geschmack zu sehr im Vordergrund stand und somit etwas vom Inhalt ablenkte. Vielmehr als die Literaturverfilmung hat mir jedoch die Adaptionen meines Romans als Theaterstück gefallen, da dieses die Spannung subtiler als Filme präsentieren kann und weil es weniger mit technischen Mitteln überfrachtet ist.

Gefallen Ihnen dann Literaturverfilmungen generell weniger?
Nein, das kann so nicht sagen. An Literaturverfilmungen schätze ich zum Beispiel, dass viele Leute erst durch den Film auf die Lektüre aufmerksam werden und daher den umgekehrten Weg vom Film als Brücke zum Buch nehmen, um Spannendes noch einmal in einem anderen Medium erleben zu können.

Zu Tannöd erschien 2007 auch ein Hörbuch, das von Monica Bleibtreu, die auch schon in der gerade erwähnten Verfilmung mitgewirkt hatte, sehr stimmungsvoll eingelesen worden war. Dieses wurde sogar mit dem Deutschen Hörbuchpreis prämiert. Wie stehen Sie zu Hörbüchern?
Um auf dem Laufenden zu bleiben, höre ich gerne meist nebenbei aktuelle Hörbücher an. Erst vor Kurzem habe ich wieder einmal einer spannenden Geschichte gelauscht, als ich gerade von New York nach Regensburg gekommen bin, und festgestellt habe, dass mein Haus einmal wieder gründlich gereinigt werden muss. So lässt sich Hausarbeit viel einfacher verrichten [lacht].

Würden Sie uns etwas zu Ihrem neusten Buchprojekt verraten?
Dazu darf ich natürlich nur sehr wenig sagen, aber so viel kann ich verraten, dass sich mein neuester Roman, der gerade im Entstehen ist, um eine amerikanische "mixed-race"-Ethnie dreht, welche durch Rassismus bedroht wird.

interview schenkel abb2

Foto: (c) Dr. Michael Stierstorfer

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, Frau Schenkel! Man darf auf jeden Fall schon gespannt auf ihren nächsten literarischen Clou sein. Viel Erfolg beim Finden neuer historischer Stoffe für spannende Bücher und frohes Schaffen! Bei derartig wohl erzogenen und intelligenten "Bücher-Kindern", brauchen Sie sich um deren Entsendung in die Freiheit nicht sorgen, denn sie wurden und werden sicherlich auch in Zukunft mit äußerstem Wohlwollen vom Publikum aufgenommen.