Artenvielfalt, Klimawandel, die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren, Pflanzen und Landschaften zählen bereits seit einigen Jahren auch in der Kinder- und Jugendliteratur sowie in Kinder- und Jugendmedien zu den zentralen Themen. In Geschichten über Freundschaften zwischen Kind und Tier werden tierliche Eigenart und Handlungsmacht in den Vordergrund gerückt; Climate Fiction für Jugendliche modifiziert postapokalyptische Szenarien und phantastische Romane greifen Diskurse um Bäume, Wurzeln und ihre Netzwerke auf; Sach(bilder)bücher wollen auf teils ästhetisch avancierte Weise für die Schönheit und Vielfalt des Lebens in den Wäldern, in der Tiefe des Meeres und an den Rändern der Städte sensibilisieren – um nur einige Beispiele des in allen Genres in Erscheinung tretenden Trends zu erwähnen. Längst kann und muss in diesem Zusammenhang auch von einem sehr lukrativen Verkaufstrend gesprochen werden, die Verlage ,bedienen’ die Thematik durch immer neue Veröffentlichungen, oftmals jedoch ohne neue inhaltliche Akzentsetzungen.

Der Blick in die aktuelle, aber auch in die historische Kinder- und Jugendliteratur zeigt dennoch, dass die Perspektiven der neomaterialistischen Theorie, der Cultural Animal- und der Cultural Plant-Studies sowie einer ökokritisch orientierten Literatur- und Medienwissenschaft hier neue bzw. Re-Lektüren hervorbringen können. Dabei ließe sich die These formulieren, dass kinder- und jugendliterarische Texte seit der Romantik von einer besonderen Verbindung zwischen Kindern und nicht-menschlichen Lebewesen geprägt sind, die sich immer schon durch eigenwillige Agency auszeichnen – insofern also andere Geschichten von Mensch-Natur-Verflochtenheiten erzählen –, die zu untersuchen wären.

Trotz der auffallenden Präsenz von Naturthemen bleiben deren Analyse und Reflexion in der Kinder- und Jugendliteratur und -medienforschung ein Desiderat. Ökokritische Ansätze konzentrieren sich bisher stark auf die Inhalts- und Repräsentationsebene, weiterhin ist ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung didaktischer Konzepte im Zusammenhang mit einem nachhaltigeren Lebensstil gerichtet. Doch gerade vor dem Hintergrund des New Materialism, aber auch des Animal Turn sowie des Plant Turn, der gegenwärtig stattzufinden scheint, zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Neues Wissen über das Zusammenleben von Menschen und nicht-menschlichen Wesen wird in Literatur und Medien nicht einfach repräsentiert, sondern erst beschreibend und erzählend hergestellt – es wird erschrieben. Oder, entsprechend, mit visuellen, auditiven und audiovisuellen Verfahren hervorgebracht. Dabei bedingt „Natur schreiben“ immer eine Reflexion von bislang unhintergehbaren anthropozentrischen Beobachtungs- und Erzählpositionen. Und während die Diskussion über den Klimawandel häufig abstrakt und an Zahlen orientiert bleibt, finden sich in Literatur und Medien ästhetische Verfahren, die nicht nur die Veränderung der natürlichen Mitwelt ermöglichen, sondern auch die Beziehungen zwischen Menschen und nicht-menschlichen Wesen erzählbar und sinnlich erfahrbar zu machen. Solche Versuche stehen im Mittelpunkt unseres Interesses.

Der sechste Jahrgang des open-access, peer-reviewed Jahrbuchs der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung widmet sich gegenwärtigen wie historischen Dimensionen der Beziehungen zu Natur und Landschaft in Kinder- und Jugendliteratur und -medien, insbesondere den Verfahren des Schreibens von Natur.

Die Beiträge sollten die vielfältigen Implikationen dieses komplexen Themas sowohl aus theoretischer als auch aus gegenstandsorientierter Perspektive in seinen unterschiedlichen erzählerischen und medialen Realisierungen (Romane, Kurzprosa, Lyrik, Theaterstücke, Bilderbücher, Sachbücher, Comics, Graphic Novels, Hörmedien, Filme, TV-Serien, Computerspiele) aufgreifen.

Mögliche Themen, Aspekte, Zugänge und Schwerpunkte, jeweils mit Bezug auf Kinder- und Jugendliteratur bzw. -medien, wären:

  • Nature Writing
  • Ökokritische Zugänge
  • Neomaterialistische Zugänge
  • Narratologie und Wissen
  • Schnittstelle Naturwissen – Esoterik
  • Utopie, Dystopie
  • Phantastik und Worldbuilding
  • Natur und Horror / dunkle Idyllen / Ökohorror / Weird Fiction
  • Mensch-Natur-Beziehungen und Gender
  • Materialität

Über das Schwerpunktthema hinaus sind zudem bis zu drei offene Beiträge zu kinder- und jugendliterarischen bzw. -medialen Fragestellungen aus historischer wie theoretischer Perspektive erwünscht; auch dazu bitten wir um entsprechende Vorschläge.

Formalia

Die Herausgeberinnen hoffen auf große Resonanz und bitten bei Interesse um die Zusendung von entsprechenden Angeboten für themenbezogene bzw. offene Beiträge in Form eines Abstracts (von nicht mehr als 300 Worten) bis zum 15.09.2021. Die Abstracts sollten außer einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung Angaben über die Fragestellung enthalten, den Bezug zu theoretischen Positionen herstellen sowie Literatur nennen, auf die sich der Beitrag stützt. Benachrichtigungen über die Annahme des Vorschlags und die Einladung zur Einreichung eines Beitrags werden zusammen mit dem Style Sheet bis zum 15.10.2021 verschickt.

Die Beiträge selbst sollten einen Umfang von 40.000 Zeichen (inkl. Fußnoten und Literaturverzeichnis) nicht überschreiten und den Herausgeberinnen spätestens bis zum 01.03.2022 als Word-Dokument vorliegen.

Bitte senden Sie Ihre Abstracts an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Das Jahrbuch der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung | GKJF 2022 wird im Dezember 2022 online veröffentlicht.

[Quelle: Call for Papers]