Spielen, so beschreibt es das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, „bezeichnet im allgemeinen eine thätigkeit, die man nicht um eines resultats oder eines praktischen zweckes willen, sondern zum zeitvertreib, zur unterhaltung und zum vergnügen übt: spiel, ludus, jeu. überhaupt ein thun, so zur belustigung und zeitvertreib“.
In der frühen Spielphilosophie steht, spätestens seit Schillers berühmtem Diktum, der Mensch sei „nur da ganz Mensch, wo er spielt“, das Spiel im Zentrum von Überlegungen zum Wert des Kinderspiels und dem Spielen als Kulturtechnik zwischen Freiheit und Sozialisation sowie als Denk- und Gegenfigur zur Arbeit auch im Zentrum der konstruierten Unterscheidung von kindlichem und erwachsenem Handeln, was von Huizinga (1938/2001) in die Figur des Homo ludens als Gegenstück zum Homo faber überführt wurde. Mit den Überlegungen Huizingas und Scheuerls (1979) kommen zudem Aspekte hinzu, die das Spiel um des Spielens willen als eine Kulturpraktik jenseits des normalen und alltäglichen Lebens verorten, die Handlungs- und Denkformen des Alltags außer Kraft setzt.
In den Kinder- und Jugendmedien finden sich diese Funktionen von Spiel seit den Anfängen, im Märchen wird mit goldenen Bällen, echten und fantastischen Kindern und Tieren gespielt, im 19. Jahrhundert wird Kriegsspiel ebenso zentral wie Puppenspiel und Spielzeug steht insbesondere in Weihnachtserzählungen als Markierung von Bürgerlichkeit sowie von geschlechterspezifischen Sozialisationsschwellen beständig im Mittelpunkt. Viel später beschreibt Michael Ende (1984) seine Literatur für Kinder als dadurch motiviert, ein Spiel in Gang zu setzen und markiert damit die Übertragung eines zentralen literaturtheoretischen Anliegens der Postmoderne in die Kinder- und Jugendliteratur seiner Zeit.
Auch in der Jugendliteratur ist das Spiel seit jeher ein essenzielles Erzählmoment, oft markiert das Spielen einen (letzten) Ort der Kindheit und Raum des Rückzugs vor der Arbeits- und Erwachsenenwelt; ein zentrales Moment des Spiels ist dabei seine spezifische Differenz zu dieser ‚Erwerbswelt‘. Als Ermöglichungsstruktur für Jugendkultur, Eskapismus und Freiheitssuche wird das Spielen zudem spätestens im 21. Jahrhundert auch an die Kultur der Digitalität gekoppelt und um ganz neue Formen des Spielens via Computer, Smartphone und Konsole sowie in Techtopien innovativ in immersiven virtuellen Erscheinungsformen sichtbar gemacht.
In den Kinder- und Jugendmedien, insbesondere im Bilderbuch und seinen Erweiterungen, zeichnet sich zudem zunehmend eine neue Spielkultur ab, die das Erzählen von geschlossenen hin zu offenen Formen transformiert, Erzählformen spielerisch digital, multimodal und interaktiv erweitert, aber auch cross- wie transmedial in kommerzialisierten Erzählwelten weiterverarbeitet.
Die hier skizzierten synchronen wie diachronen Formen, Konstruktionen, Genres und Motiv- wie Erzählkonstellationen des Spielens in Kinder- und Jugendmedien möchte die Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung (GKJF (e.V.) vom 26. bis 28. Juni 2025 im Arbeitnehmer-Zentrum Königswinter aus literaturwissenschaftlicher Sicht in den Blick nehmen. Für die Keynote konnte Prof. Dr. Rolf F. Nohr (HBK Braunschweig) gewonnen werden.
Mögliche Themen – immer mit Bezug auf aktuelle und historische Kinder- und Jugendmedien aller Gattungen und Genres – sind:
- Erzählen als Spiel
- Funktion von Spiel und Spielzeug als Trope, Metapher, Motiv
- Sprachspiele in KJM (Lyrik etc.)
- Räumliche, systematische, gesellschaftliche und strukturelle Konstellationen von Spiel
- Spiel als Kulturtechnik
- Ludische Elemente in Medienverbünden
- kultur-, literatur- und medientheoretische Zugänge zur Inszenierung von Spiel
- Digitale Spielkulturen
- Neue Formen der Rezeption sowie materialitätsorientierte Zugänge (Spielbücher etc.)
- Intersektionalität und Spiel
- Theaterspiel und Performance
- An die Toy Studies sowie an die Game Studies anschlussfähige Vorträge sind erwünscht.
Wir hoffen auf Ihr reges Interesse und bitten um Zusendung von Vortragsangeboten (von maximal 30 Minuten Dauer) bis zum 17.1.2025.
Bitte beachten Sie bei der Einreichung Ihrer Abstracts (von ca. 300 Wörtern) folgende Anforderungen: Die Abstracts sollen in einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung den Bezug zu theoretischen Positionen herstellen sowie die Literatur und ggf. Primärquellen nennen, auf die sich der Vortrag stützt. Damit die Vorträge zu einem Programm zusammengestellt werden können, sollte sich der geplante Vortrag einem der oben aufgelisteten Schwerpunkte zuordnen lassen.
Bitte senden Sie Ihre Vorschläge per E-Mail an Prof. Dr. Julia Benner:
Literaturhinweise
- Bachmann, Christian A. (Hg.) (2023): Play it again. Vom Spielbilderbuch zum Videospiel. Begleitpublikation zur Ausstellung der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. Berlin.
- Bernhardt, Sebastian / Dichtl, Eva-Maria (2023): Frühkindliches Spiel und literarische Rezeption. Perspektiven der Kindheitspädagogik und der Literaturdidaktik. Berlin.
- Bilstein, Johannes/Winzen, Matthias/Wulf, Christoph (Hg.) (2005): Anthropologie und Pädagogik des Spiels. Weinheim/Basel.
- Caillois, Roger (1982): Die Spiele und die Menschen. Frankfurt/M.
- Flitner, Andreas (1998): Spielen – Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. Erweiterte Neuausgabe. München/Zürich.
- Huizinga, Johann (1938/2001): Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek.
- Scheuerl, Hans (1979): Das Spiel. 9. Aufl. Weinheim/Basel.
- Standke, Jan (2022): Spiele(n) in der Gegenwartskultur. Medien und Praktiken des Spiel(en)s im literatur- und mediendidaktischen Kontext. Trier.
Weitere Informationen finden Sie hier.
[Quelle: Pressemitteilung]