Begriffe wie Vieldeutigkeit oder Mehrdeutigkeit, Polyvalenz und Ambiguität umschreiben das formal-ästhetische Merkmal literarischer Texte, keine eindeutigen Sinnangebote zu unterbreiten (vgl. Pfäfflin 20243, 20). Dabei geht es darum, Literatur als prinzipiell deutungsbedürftiges Medium zu begreifen, das das Nebeneinander verschiedener ggf. auch konkurrierender Deutungen zur Rezeptionsnorm erhebt. Das ist nicht nur ein deskriptives Kriterium, sondern auch ein axiologischer Wert, der als Maßstab für die Wertung von Literatur herangezogen werden kann (vgl. Jannidis 2003, 307). Der „Polyvalenzgrad“ (Pfäfflin 20243) literarischer Medien kann analytisch z. B. anhand der Ambiguität der literarischen Sprache, der Poetizität des Textes und der potenziellen Beteiligungsspielräume durch Leerstellen analytisch umschrieben werden.
Während die oben genannten Begriffe stark die Gegenstandsseite literarischer Texte adressieren, weisen Lindner und Mergen (2023) mit dem Begriff der Unbestimmtheitserfahrung auf die Rezeptionsseite der Textbedeutung hin. Denn Mehrdeutigkeit entsteht auch im Moment der Rezeption in der Hervorbringung des Werkes in der Vorstellung des lesenden Subjekts. Damit wird Mehrdeutigkeit auch zur didaktischen Herausforderung, insofern sich die subjektseitige Deutung intraindividuell und interindividuell eben nicht nur einer eindeutigen Deutungsnorm anzunähern hat, sondern gerade die selbstbewusst plausibilisierende Eigenständigkeit von Interpretationen zum Ziel des mündigen Umgangs mit literarischen Medien wird.
Mehrdeutigkeit kann auch in den unterschiedlichen Formen von Kinder- und Jugendmedien vielfältig beschrieben werden. Dabei können gegenstands- oder rezeptionsseitige Perspektiven stark gemacht werden. Im geplanten Themenheft soll die Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten erschlossen und in ihrer Herausforderung für die Rezeption und Vermittlung von Literatur reflektiert werden.


Erwünscht sind Beiträge aus dem Spektrum der Kinder- und Jugendmedien (KJM):

  • zu polyvalenten Erzählformen und Phänomenen in den Gattungen und Medienformen der KJM,
  • zur Vieldeutigkeit von All Age und Crossover,
  • zu Hybridisierungstendenzen in den KJM und ihrer Auswirkung auf die Bedeutungshaltigkeit von Literatur,
  • zu Bedeutungsaufladungen, z. B. durch Metaphorik oder Intertextualität, 
  • zu Bedeutungsverschiebungen, Um- und Neudeutungen von historischen Werken in historisch-diachroner Perspektive,
  • zu multimodalen Spannungsverhältnissen (z. B. im Bilderbuch, Comic, Film) und Leerstellen,
  • zu transmedialen Bedeutungsclustern und zur Bedeutungspluralisierung im Medienverbund,
  • zu Vermittlungsherausforderungen im Umgang mit Vieldeutigkeit im Unterricht und didaktischen Perspektiven auf das Themenfeld
  • etc.

Beiträge können bis zum 03.11.2024 an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. geschickt werden. Nach erfolgter Zusage sind die Manuskripte zum 01.06.2025 fertigzustellen. Das Heft erscheint im November 2025.

Verantwortlicher Redakteur: Michael Ritter (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Sekundärliteratur

  • Jannidis, Fotis (2003): Polyvalenz – Konvention – Autonomie. In: ders./ Gerhard Lauer/ Matias Martinez/ Simone Winko (Hgg.): Revisionen. Grundbegriffe der Literaturtheorie. Berlin [u. a.]: de Gruyter, 305-328
  • Lindner, Alexander/ Torsten Mergen (Hgg.) (2023): Einführung: Unbestimmtheitserfahrungen als Basis literarischen Lernens. In: Unbestimmtheitserfahrungen als Basis literarischen Lernens. Literaturtheoretische, fachdidaktische und unterrichtspraktische Perspektiven auf literarische Mehrdeutigkeit. Baltmannsweiler: Schneider, 9-24
  • Pfäfflin, Sabine (2024): Auswahlkriterien für Gegenwartsliteratur im Deutschunterricht. 3. korrigierte und überarbeitete Auflage. Baltmannsweiler: Schneider

[Quelle: Pressemitteilung]