Inhalt und Gameplay

Cody und May wollen sich scheiden lassen. Ihre gemeinsame Tochter Rose bestürzt das sehr: Eine Kinderträne fällt, es wird magisch und die Ehepartner erwachen wenig später als selbstgebastelte Kinderspielfiguren. Unter Anleitung des überdrehten Paartherapeuten Dr. Hakim (einem anthropomorphen Selbsthilfebuch, dem Book of Love) müssen sie gemeinsam Aufgaben bewältigen, zusammenarbeiten und so ihre Beziehung retten. Die Spielabschnitte orientieren sich dabei an Phasen der von Dr. Hakim anvisierten Paartherapie und spiegeln sich gleichzeitig im Level Design und den Spielmechaniken wider.

It Takes Two ist ausschließlich zu zweit spielbar. Der Spieltitel ist also Programm, allein geht hier gar nichts. Neben dem klassischen Couch-Coop-Modus ist es auch möglich, das Game via Internet mit einer anderen Person zu spielen (wobei hier ebenfalls nur eine Spiellizenz benötigt wird). Das Game lässt sich im Kern als 3D-Action-Adventure mit starken Plattformer-Elementen beschreiben. Gleichwohl wechselt es immer wieder zwischen unterschiedlichen Spielgenres und beinhaltet sowohl Elemente von Rennspielen, Flugspielen, Puzzlern, 2D-Sidescrollern, Third-Person-Shootern sowie Hack 'n' Slay-RPGs in Iso-Perspektive, dazu zahlreiche Minigames. Beim Couch-Coop wechselt die Ansicht fließend zwischen Split Screen und einem geteilten Ausschnitt, je nachdem, was gerade für den Spielmodus benötigt wird.

Kritik

Nach einer Verwandlung in Spielfiguren müssen Cody und May Aufgaben erfüllen und Hindernisse überwinden, um ihre menschliche Gestalt zurückzuerlangen. Die unterschiedlichen Spielabschnitte und Level orientieren sich indes an den Themenschwerpunkten des antropomorphen Selbsthilfebuchs. Spielfortschritt bedeutet also Therapieerfolg. Dabei greifen die unterschiedlichen Spielmechaniken Hand in Hand mit der Story. Während die Spieler*innen beispielsweise beim Therapiethema 'Anziehung' mit Magneten einander anziehen und abstoßen können, gilt es später beim Gärtnern und Singen die eignen Hobbys wiederzuentdecken und sich gegenseitig zu unterstützen. Hierbei durchlaufen Cody und May eine Vielzahl von unterschiedlichen Spielwelten, die sich mal mehr mal weniger an ihrer ursprünglichen häuslichen Umgebung orientieren – nun jedoch für sie als Spielfiguren übergroß und unendlich weit. So müssen sie beispielsweise militarisierten Eichhörnchen im Kampf gegen Wespen helfen. Oder sie schleichen durch die unterirdischen Gänge schlafender Maulwürfe. Gefangen in einer Schneekugel fahren sie Schlittschuhrennen und in einer Kuckucksuhr müssen sie wiederum mit Zeitmechaniken experimentieren, um voranzukommen.

Hazelight It Takes Two Abb 1Abb. 1: Mit Split Screen im Kampf gegen die Wespen. © 2022 Hazelight Studios.

Eine herausragende Besonderheit des Spiels ist der kooperative Coop-Modus. Diese doppelt-gemoppelte Formulierung ist grade bewusst gewählt, denn Kooperation ist hier nicht gleichbedeutend mit einem typischen 2-Player-Modus. So verfügt jede der Figuren über wechselnde, aber stets einzigartige Fähigkeiten, wobei explizit ein Zusammenwirken der Fähigkeiten notwendig ist, um voranzukommen. Im Gegensatz zum sonst bekannten Coop-Modus von ursprünglich Singleplayer-Games kann hier also niemand ein Rätsel im Alleingang lösen. Das Zusammenspiel beider ist zwingend notwendig. So erhält etwa Cody gleich zu Beginn des Spiels einen Nagel, den er wie einen Speer in Wände wirft und an dem sich May entlanghangeln kann. Im Kampf gegen die Wespen verfügt Cody wiederum über eine Kanone mit entzündlicher Klebepampe. Nachdem er die Wespen eingekleistert hat, kann May sie mit ihrem Raketenwerfer entzünden. Eine Absprache der beiden Spieler*innen, welches Ziel als nächstes gemeinsam ins Visier genommen wird, ist hier unerlässlich. Aber auch bei gemeinsamen Schifffahrten lenkt etwa eine Person das Boot, die andere eliminiert Barrieren. Die Liste lässt sich lang fortführen, das Prinzip ist jedoch immer gleich: Es benötigt das Zusammenspiel Beider, um voranzukommen. Damit knüpft das Studio an ihren vorangegangen Spielerfolg A Way Out (2018) an, indem sie dieses Coop-Format erstmals verwenden. Gegenüber dem außerordentlichen und abwechslungsreichen Spielprinzip weist die Story dagegen einige Schwächen auf, denn auch wenn die Charaktere liebevoll ausgearbeitet sind, bleiben die Figuren und die Plotline einigen Stereotypen verhaftet. Ebenso kann die Darstellung der ausschließlich in Zwischensequenzen präsentierten Rahmenwelt optisch nicht mit den kreativen Miniaturwelten mithalten.

In Cutscenes sowie bei kurzen hitzigen Wortwechseln der Figuren während des Spielgeschehens lernen die Spieler*innen Cody und May immer besser kennen. Ihr ewiges Gestreite kann dabei sowohl als erheiternd als auch nervig wahrgenommen werden. Auf ihr witzig-giftiges Gezanke folgt aber oftmals eine Auseinandersetzung mit tiefergehenden Fragen nach der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, privaten Hobbys und gemeinsamer Familienzeit. Und genau hier wird das eigentliche Potenzial der Figuren bedauerlicherweise nicht voll ausgeschöpft: So wird die Ingenieurin May als sachliche und strukturierte Ernährerin der Familie präsentiert, während Cody als sehr emotionaler und fürsorglicher Vater charakterisiert wird. Gleichzeitig zeigt sich May häufig als eher draufgängerisch, während Cody zumeist zurückhaltend und ängstlich agiert. Während die Darstellung der Figuren also auf den ersten Blick gängige Geschlechterklischees zu unterlaufen scheint, werden bei genauerer Betrachtung lediglich neue Klischees entworfen, was insbesondere in der Anlage von May stört, da ihr Nicht-Erfüllen einer typischen Mutterfunktion im Spiel als klares Defizit formuliert wird. Aber auch in der Wahl der Hilfsgegenstände wie Raketenwerfer und Feuerschwert zeigt sich immer wieder: Cody übernimmt meist defensive Support-Funktionen, während May in den Angriff geht. Wenn also nicht die Controller und damit die Charaktere getauscht werden, gibt es auch für die Spielenden selten einen Wechsel in dieser grundlegenden Spielanlage.

Und auch der Grundplot muss an dieser Stelle kritisch betrachtet werden. Denn die handlungsleitende Annahme, dass zwei Personen, die sich zu einer Scheidung entschieden haben, nur etwas mehr Zeit miteinander verbringen müssen und so auch gegen ihren Willen einfach therapiert werden können, entspricht zwar im magischen Setting dem naiven Blick der Tochter, wird aber für die Perspektive der Erwachsenenwelt nicht besonders sensibel problematisiert, was auch an manchmal sehr einfach erdachten Dialogen deutlich wird.

Ein weiteres größeres narratives Problem stellt darüber hinaus die sehr stereotype Darstellung des Buches Dr. Hakim dar, welches mit einem spanischen Akzent, Schnurrbart und viel Hüftwackeln auftritt und dabei alle möglichen Klischees reproduziert. Ferner muss bei einer rassismuskritischen Lesart des Spiels problematisiert werden, dass, während die humanoiden Figuren der Spielwelt ebenfalls scheinbar ortsbedingt ausschließlich weiße Menschen sind, ausgerechnet die als Taxi fungierenden Frösche mit einem als jamaikanisch-gelesenen Akzent sprechen. Für alle, die sich an dieser Story stören, besteht immerhin die Option, alle Cutscenes zu überspringen – auch hier nur in Kooperation beider Spieler*innen, die dafür die Skip-Funktion zeitgleich betätigen müssen.

Gleichwohl ist das sehr gelungene Voice Acting von Joseph Balderrama (Cody) und Annabelle Dowler (May) herauszustellen. Deutsche Sprecher*innen gibt es indes nicht, die deutschsprachige Version ist lediglich untertitelt.

Hazelight It Takes two Abb 2Abb. 2: Plattforming-Abenteuer in der Schneewelt. © 2022 Hazelight Studios.

Auch wenn die Story ihre Mankos hat (die manchmal mehr oder weniger ins Auge stechen), lohnt es sich, It takes two zu spielen: Die vielen Wechsel der unterschiedlichen Spielmodi sind erfrischend. Gleichzeitig wirken sie komplexitätsreduzierend und sind damit sehr niederschwellig. Denn anstatt eine anfangs einfache Spielmechanik stetig auszubauen und so die Anforderung hochzuschrauben (wie es sonst in RPGs üblich ist), reihen sich hier wenig komplexe, aber dafür sehr unterschiedliche Spielmechaniken aneinander: Rennspiel, 2D-Sidescroller, 3D-Plattformer, Shooter usw. usf. Damit ist das Spiel stets leicht zu bewältigen, ohne langweilig zu werden. Statt einer immer komplexer werdenden Steuerung variieren hier unterschiedliche einfache Steuerungssettings. Hinzu kommen zahlreiche Minigames, wobei von Schach über Hau-den-Lukas (bzw. Cody) hin zu einer Carrera Rennbahn und sogar ersten digitalen Spielkonsolen eine große Bandbreite an Spielen zu finden ist. Die Spieler*innen spielen also Cody und May, wie sie spielen. Dabei präsentieren die Minigames mitunter ein analoges Pendant zur digitalen Spielmechanik und verweisen damit auf die Evolution vom analogen Spiel hin zum digitalen Game. Denn bereits bei einer Carrera Rennbahn handelt es sich um ein Spielgerät, bei dem über einen Handregler das Rennauto gesteuert wird – der gedankliche Schritt hin zum Steuern digitaler Fahrzeuge mit einem Controller ist hier nicht weit her. Und so lassen sich einige Minigames finden, bei denen die Spieler*innen Cody und May steuern, wie diese wiederum einen Controller bedienen. Das ist nicht nur hochgradig medienreflexiv, sondern auch noch extrem witzig! It takes two lässt sich also als auch Liebeserklärung ans Gaming lesen.

Hazelight It Takes two Abb 3Abb. 3: Minispiel "Hacking". © 2022 Hazelight Studios.

An wen richtet sich das Game? Die Niederschwelligkeit der Steuerung sowie die niedlich-witzige Darstellungsweise machen das Game zu einem klassischen All-Ager und Familienspiel. Obgleich es sich mit seiner Scheidungsthematik sowohl an Erwachsene als auch die betroffenen Kinder richtet, ist seine Bearbeitung des Themas primär aus der Perspektive der Erwachsenen dargestellt. Ausschließlich in den Zwischensequenzen ist die Tochter Rose und ihre Perspektive auf die Situation zu sehen. Gleichwohl richten sich der Humor und die grafische Gestaltung ebenfalls an kindliche Spieler*innen, es sei aber auch auf einige gewaltvolle Spielsequenzen verwiesen, bei der meist tierische Gegner*innen in einem klaren Gut-Böse-Schema beispielsweise mit Kanonen abgeschossen werden und auch Todesanimationen von Gegner*innen werden teils sehr plastisch dargestellt.

Fazit

It Takes Two ist spielmechanisch betrachtet ein herausragendes Game, welches neue Maßstäbe für das Coop-Spielprinzip setzt. Bedauerlicherweise kann die Narration an einigen Stellen nicht mit dem erstklassigen Gamedesign mithalten. Obgleich das Game auch online zu zweit spielbar ist, steigert das gemeinsame Spiel vor demselben Monitor den Spielspaß doch ungemein. Der Humor, die Niederschwelligkeit und der Abwechslungsreichtum machen es zudem zu einem Spaß für die ganze Familie. Auch Menschen, die bisher keine Erfahrungen mit digitalen Spielen gemacht haben, können aufgrund der Einfachheit der Steuerung gut in das Spiel hineinfinden. Die Spielzeit beträgt etwa 15 Stunden. Geeignet ist es ab 12 Jahren.

Titel: It Takes Two
Plattformen: Sony Playstation 5 , Sony Playstation 4, Microsoft Windows (PC), Microsoft Xbox Series s/x, Microsoft Xbox One
USK: 12 Jahre
Entwicklungsstudio: Hazelight Studios
Erscheinungsjahr: 2021
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
Hazelight Studios: It Takes Two