Inhalt

Jovan ist zehn Jahre alt und leidet seit seiner Geburt unter Zerebralparese. Diese Bewegungsstörung macht seinen Alltag zur Qual. Zur Schule erscheint Jovan mit Absicht viel zu früh, damit ihn niemand beim schwierigen Gang ins Klassenzimmer beobachten kann, und auch die Pausen verbringt er alleine im Klassenzimmer, während seine Mitschüler auf dem Schulhof spielen. Durch seine Außenseiterstellung in der Schule und die tägliche Physiotherapie am Nachmittag fällt es ihm sehr schwer, Freundschaften zu schließen. Im Schlaf sieht die Welt für Jovan ganz anders aus: als Superheld Shade fliegt er ohne jegliche Bewegungsprobleme durch die Stadt und beschützt die Menschen vor allem Bösen.

Als die aufgeweckte Milica neu in seine Klasse kommt, ihm als Sitznachbarin zugeteilt wird und sich kurzerhand selbst zum Spielen zu Jovan nach Hause einlädt, hält sich Jovans Begeisterung zunächst in Grenzen. Doch Milica nimmt Rücksicht auf Jovans körperliche Einschränkungen, ohne sich über ihn lustig zu machen oder auf ihn herabzusehen. Jovans Abwehrhaltung lässt nach und zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft.

Auch Milica führt nach der Trennung ihrer Eltern kein einfaches Leben. Für sie ist die neue Freundin ihres Vaters der Grund allen Übels. Als sie mitbekommt, wie ihre Oma die neue Freundin als Hexe bezeichnet, ergibt für sie auf einmal alles Sinn: Ihr Vater wurde von seiner neuen Freundin verhext!Milica vertraut sich Jovan an und gemeinsam schmieden sie einen Plan, um die vermeintliche Hexe aus dem Weg zu schaffen, damit Milicas Eltern wieder glücklich werden können. Doch Jovan scheitert aufgrund seiner Erkrankung an den alltäglichsten Dingen, woraufhin er sich stark zurückzieht, sodass Milica im entscheidenden Moment alleine dasteht.

Jovan lernt, dass er sich selbst so akzeptieren muss, wie er ist, und dass auch ein Superheld wie er manchmal auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Mit neuem Selbstbewusstsein und Milica an seiner Seite gelingt es ihm schließlich, als Shade auch die Probleme des Alltags zu bewältigen. So können die kleinen Hexenjäger einen weiteren Versuch starten, um Milicas Vater vom Fluch zu befreien.

Kritik

Die beiden Hauptdarsteller, Mihajlo Milavic und Silma Mahmuti, gewannen für ihre Rollen bereits mehrere Preise, unter anderem in Serbien und Montenegro. Zu Recht: Glaubhaft und mit viel Tiefe führen sie als Jovan und Milica durch die verschiedenen emotionalen Ebenen des Films.

Die Jagd auf die Hexe ist für Jovan ein großer Wendepunkt. Sein immer gleicher, frustrierender Tagesablauf wird schon durch die bloße Anwesenheit Milicas lebendiger und vor allem fröhlicher. Sobald Milica die neue Freundin ihres Vaters und deren vermeintliches Hexendasein ins Spiel bringt, muss Jovan immer wieder an seine Grenzen gehen. Auf realistische Weise zeigt der Film sowohl sein Scheitern als auch kleine und große Erfolge.

Dabei befindet sich die Kamera immer auf Augenhöhe der Kinder. Selbst wenn Erwachsene reden, befinden diese sich oft nicht innerhalb des Bildausschnittes oder nur unscharf im Hintergrund, sodass der Fokus immer auf der Mimik der Kinder liegt. Auch das Gesicht der vermeintlichen Hexe wird lange Zeit gar nicht gezeigt, lediglich ihr wirres, rotes Haar.

Die Krankheit Jovans, eine partielle Zerebralparese, ist für die gesamte Handlung relevant, dennoch handelt es sich nicht um einen Film über diese. Vielmehr steht das Abenteuer zweier Kinder im Mittelpunkt, von denen eines in der Bewegung beeinträchtigt ist.Die Rezipienten erfahren im gleichen Zuge wie Jovan selbst Näheres zu seinem Krankheitsbild. Durch die an Jovan gerichtete Erklärungen einer Ärztin sind seine gesundheitlichen Probleme für Kinder und Laien gut verständlich.

Mit dem besseren Verständnis seiner Krankheit und der Erkenntnis, dass er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals so frei bewegen kann wie andere Menschen, gelingt Jovan ein großer Schritt in Richtung Selbstakzeptanz. Er versteckt sich und seine körperlichen Einschränkungen fortan nicht mehr vor anderen Menschen, stattdessen bittet er sie bei Bedarf um Hilfe und merkt, dass dadurch die vermeintlich unüberwindbaren Hindernisse, wie zum Beispiel Treppenstufen, doch überwindbar werden. Begleitet wird diese Erkenntnis von hoffnungsvoll und euphorisch klingender Musik. Durch das Tragen seines Superheldenkostüms während der finalen Befreiungsmission von Milicas Vater steigert Jovan einerseits sein Selbstbewusstsein, andererseits ist es auch ein Zeichen dafür, dass er sich nun nicht mehr nur im Traum Superheldentaten zutraut, sondern auch im realen Leben.

Der Einsatz von Musik im Film ist minimal und dadurch umso aussagekräftiger. Jovan hat eine eigene Melodie, leise und ruhig, die immer dann ertönt, wenn er alleine und nachdenklich ist, oder an seine Grenzen stößt. Die Melodie endet oft durch eine Übertönung durch andere Geräusche, die Jovan aus seinen Gedanken reißen, sei es der Lärm seiner Mitschüler oder eine Türklingel.Wenn Milica über die Freundin ihres Vaters erzählt, Jovan über Hexen recherchiert und während die beiden ihre Hexenjagd konkret planen, ist eine bedrohliche klingende Melodie unterlegt, die auch in zwei von Jovans Träumen übergeht, in denen die Hexe vorkommt.

Die Traumsequenzen, in denen Jovan als Superheld Shade gegen das Böse kämpft, sind farblich düster gehalten, von theatralischer Musik untermalt, teilweise können sie sogar als gruselig eingestuft werden. Die Kamera bewegt sich in diesen Sequenzen schneller, Schnitte folgen dichter aufeinander. Dadurch wird der Unterschied zwischen dem in der Bewegung beeinträchtigten Jovan und dem fliegenden Shade noch einmal verdeutlicht.Düster wird es auch auf inhaltlicher Ebene, als klar wird, dass Milica und Jovan die Freundin von Milicas Vater nicht einfach nur aus seinem Leben vertreiben wollen, sondern einen Mord planen. Die Situation wird jedoch rechtzeitig entschärft.

Milicas Verhalten resultiert aus ihrem kindlichen Glauben: Sie nimmt die Aussage ihrer Großmutter wörtlich, da sie ihr eine plausible Erklärung liefert. Für die Zehnjährige ist es unmöglich zu verstehen, weshalb ihr Vater sich eine neue Freundin gesucht hat, da sie der festen Überzeugung ist, man könne sich nur einmal im Leben verlieben. Daher liegt der Verdacht nahe, die neue Freundin hätte den Vater verhext. Während sehr junge Rezipienten vermutlich Milicas Gedankengang folgen und ebenfalls an das Hexendasein glauben, begreifen ältere Zuschauer, dass die Großmutter mit der Bezeichnung „Hexe“ nur ihre Abneigung kundgetan hat und durchschauen das Missverständnis. Für sie gewinnen einige Szenen dadurch einen satirischen Charakter, etwa wenn Milica die gesunden, selbst gemachten Säfte der Freundin ihres Vaters für Zaubertränke hält und die ungewöhnlichen Körperpositionen der Yogaroutine für Hexenrituale. So unterhält Die kleinen Hexenjäger Kinder und Erwachsene gleichermaßen, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.

Fazit

Die kleinen Hexenjäger ist ein Abenteuerfilm, der von Mut, Rückschlägen und der Bedeutung von Freundschaft erzählt. Die Krankheit Jovans wird authentisch dargestellt, es gibt keine plötzliche Wunderheilung, dafür wächst der Junge im Laufe der Handlung an den Herausforderungen, vor die ihn seine Freundschaft mit Milica stellt. Mit Milica und ihrer Abneigung gegenüber der neuen Freundin ihres Vaters können sich mit Sicherheit viele Trennungskinder identifizieren und sogar Eltern können von dem Film lernen, wie wichtig die Kommunikation mit ihren Kindern ist. 

Verständlich wäre der Film sicherlich auch für jüngere Kinder, doch aufgrund der düsteren Elemente des Filmes kann dieser erst ab einem Alter von zehn Jahren empfohlen werden.

Titel: Die kleinen Hexenjäger
Regie:
  • Name: Miljkovic, Rasko
Drehbuch:
  • Name: Kreckovic, Milos
  • Name: Manojlovic, Marko
Erscheinungsjahr: 2018
Dauer (Minuten): 86
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
FSK: 0 Jahre
Format: Kino