Inhalt

Goldstadt im 19. Jahrhundert: Der ambitionierte junge Wissenschaftler Dr. Henry Frankenstein (Colin Clive) ist besessen von der Idee künstliches Leben zu schaffen. Dafür hat er sich von seinen Vertrauten, sowie den Forschungen an der Universität zurückgezogen. Einzig sein Assistent Fritz (Dwight Frye) unterstützt das Vorhaben. In einem Akt des Hochmuts maßt sich Frankenstein an, die Gesetzmäßigkeiten der Natur zu überschreiten und entgegen wissenschaftlicher und menschlicher Moral zu handeln: Er kreiert ein künstliches Wesen aus Leichenteilen (Boris Karloff). Dabei ahnt der Wissenschaftler nicht, dass sein Assistent das Gehirn eines Verbrechers zur Vollendung der Kreatur gewählt hat und so scheint vorprogrammiert, dass sich die Schöpfung delinquent verhalten wird.

In einer stürmischen Nacht erweckt Frankenstein das künstliche, menschenähnliche Wesen im Labor mittels Elektrizität zum Leben. Völlig überwältigt von der eigenen Schöpfung, ignoriert er allerdings jedwede Warnungen. Als der Wissenschaftler begreift, dass von der übermenschlich großen und starken Kreatur, die ein kindlich-naives Wesen besitzt, Unberechenbarkeit ausgeht, sperrt er diese in ein Verließ, wo das Geschöpf von dem sadistischen Assistenten gequält wird. In Gegenwehr tötet die Kreatur ihren Peiniger und begibt sich auf die Flucht, wobei sie Angehörige Frankensteins, sowie versehentlich ein Kind umbringt. Der Wissenschaftler trifft die Entscheidung, das Geschöpf zu töten. Unterstützt von aufgebrachten Bürgern, jagt er das künstliche Wesen, bis sich beide in einer verwitterten Windmühle gegenüberstehen. Frankenstein überlebt, da er aus der Mühle stürzt, während der wütende Mob diese anzündet und die Kreatur ihr Ende in den Flammen findet.

Kritik

Whales Filmadaption basiert nur lose auf der literarischen Vorlage Mary Shelleys und orientiert sich mehr an Peggy Weblings Theaterstück Frankenstein aus dem Jahr 1927, in welchem die Kreatur sich erstmals knurrend verständigte und auf den Namen ihres Schöpfers hörte.[1] Whale schuf mit der ersten Tonverfilmung des Frankenstein-Stoffs einen Klassiker, dem bis heute zahlreiche weitere Frankenstein-Verfilmungen folgten, wie z.B. House of Frankenstein (1948, Kenton), Young Frankenstein (1974, Brooks) oder Victor Frankenstein (2015, McGuigan).

In Shelleys Roman werden sowohl Handlung als auch Protagonisten weitaus komplexer dargestellt, während Whale den Film zu Gunsten von Schock-Effekten inszeniert. Dadurch  wird Shelleys alptraumhafte Vorstellung eines künstlichen Wesens, konstruiert aus Leichenteilen, erstmals mit Ton für den Horrorfilm audiovisualisiert. So nimmt beispielsweise die Schöpfungsszene in der literarischen Vorlage lediglich einen Absatz ein, in dem vage beschrieben wird, wie es dem Wissenschaftler gelingt, seine Kreatur durch den „spark of being“ zu animieren. Whale inszeniert diese Szene deutlich länger, dramatischer und expliziter mit reichlich Special-und Soundeffekten in einem Labor, das futuristisch-anmutende Apparaturen zeigt, welche an die Wirkungsstätte des Dr. Rotwang in Metropolis (1928, Fritz Lang) erinnern.       

Die Protagonisten des Films sind Stereotype: So wird aus dem Naturwissenschaftler Frankenstein ein mad scientist, dessen Hybris sich überdeutlich im Satz „Now I know how it feels to be God! “ zeigt und seine Kreatur, im Roman vernunftbegabt, redegewand und geschmeidig, wird zum roboterhaften, knurrenden Monster mit quadratischem Schädel und Bolzen im Nacken. Ein ikonisches Bild, welches sich bis heute durch unterschiedlichste Medienadaptionen manifestiert hat, z.B. in der Figur Lurch der TV-Serie The Munsters (1964-66, Stone) oder in Maurice Sendaks Pop-Up-Buch Mommy aus dem Jahr 2006.

Im Kern bleibt die Filmadaption dennoch der literarischen Vorlage treu: Obwohl die Monologe der Kreatur, in denen sie ihre Existenzkrise schildert im Film gänzlich fehlen, gelingt es Karloff, als stummes Geschöpf, Empathie zu erzeugen und die menschliche Seite des verstoßenem kindlich-naiven Wesens zu zeigen, das nach Liebe, Zuneigung und Freiheit strebt. An Aktualität hat die Thematik der künstlichen Wesen keinesfalls verloren, wirft der Film doch, ebenso wie die Romanvorlage mit wissenschaftskritischen Impetus Fragen nach Autonomie, Verantwortlichkeit und Staus einer Kreatur auf, die zwar menschenähnlich, jedoch künstlich ist. Auch aktuellere Filme wie Her (Jonze, 2012) oder Ex Machina (Garland, 2015) setzen sich mit jenen Themen auseinander.

Fazit

Frankenstein ist ein cineastisches Meisterwerk und ein Augenschmaus für erwachsene und jugendliche Liebhaberinnen und Liebhaber von (Horror-) und Schwarzweiß-Klassikern. Edward van Sloans Ankündigung zu Beginn des Films, in der er davor warnt, dass allzu zartbesaitete Gemüter sich diesen besser nicht ansehen sollten, kann aus heutiger Sicht getrost vernachlässigt werden, so dass auch die Altersempfehlung von 16 Jahren als nicht mehr zeitgemäß erscheint.


Fortsetzungen

  • Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein, Whale 1935),      
  • Frankensteins Sohn (Son of Frankenstein, Lee 1939),  
  • Frankenstein kehrt wieder (The Ghost of Frankenstein, Kenton 1942),                
  • Frankenstein trifft den Wolfsmenschen (Frankenstein Meets the Wolf Man, Neill 1943)           
  • Frankensteins Haus (House of Frankenstein, Kenton 1944)      
  • Draculas Haus (House of Dracula, Kenton 1945)            
  • Abbott & Costello treffen Frankenstein (Abbott and Costello Meet Frankenstein, Barton 1948) 

Webseite zu Frankensteinadaptionen: http://frankensteinfilms.com

Fußnote

[1] S. Marsilius, Hans Jörg: Frankenstein – Eine kommentierte Filmographie. In: Drux, Rudolph (Hg.): Der Frankenstein-Komplex. Kulturgeschichtliche Aspekte des Traums vom künstlichen Menschen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999, S. 224.

Titel: Frankenstein
Regie:
  • Name: Whale, James
Originalsprache: Englisch
Drehbuch:
  • Name: Balderston, John L.
  • Name: Faragoh, Francis Edward
  • Name: Webling, Peggy
Erscheinungsjahr: 1931
Dauer (Minuten): 71
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
FSK: 16 Jahre
Format: Kino
Originalposter des Films Frankenstein von James Whale, 1931