Inhalt

Eigentlich könnte sich Adelina Amouteru glücklich schätzen. Die Tochter eines wohlhabenden Geschäftsmannes hat das Blutfieber überlebt – eine Seuche, die große Teile der Bevölkerung, darunter auch Adelinas Mutter, dahingerafft hat. Doch die Krankheit hat das Mädchen wie Hunderte anderer Überlebender gezeichnet. Mit ihrem strahlend silbernen Haar und einem entstellten Gesicht gehört Adelina nun zu den Malfettos. Diese Randgruppe der Gesellschaft wird von den meisten Menschen gemieden und verachtet, von manchen sogar gefürchtet. Denn einige wenige Malfettos veränderten sich – abgesehen von ihren körperlichen Entstellungen – anderweitig: Sie entwickelten übermenschliche Fähigkeiten. Diese Begabten, wie sie sich nennen, können mit Tieren sprechen, den Wind beherrschen und Feuer aus dem Nichts entstehen lassen. Sie haben sich als junge Elite zur "Gemeinschaft der Dolche" zusammengeschlossen, die seit ihrer Entstehung von der Sicherheitsgarde der Königin, der Inquisition, verfolgt wird.

Als Adelinas Vater sowohl die Hoffnung darauf aufgibt, dass seine Tochter ein besonderes Talent entwickelt hat, das er gewinnbringend verkaufen kann, als auch darauf, dass jemals ein Verehrer um ihre Hand anhalten will, entscheidet er sich dazu, Adelina als Maitresse wegzugeben. Das Mädchen erfährt von dieser Entscheidung und flüchtet aus ihrem Elternhaus. Ihr Vater versucht sie aufzuhalten. Dabei beschwört Adelina jedoch ungewollt schwarze Gestalten herauf, die einen Unfall verursachen, bei dem ihr Vater stirbt. Sie erkennt, dass sie auch über besondere Fähigkeiten verfügt. Denn Adelina besitzt das Talent, Schein- und Trugbilder zu erzeugen, die für ihre Mitmenschen überzeugend realistisch aussehen. Sie wird von der Inquisition gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Doch während ihrer Hinrichtung befreit die Elite sie, denn diese hat von Adelinas Talent erfahren und will sie in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Dort erfährt das Mädchen, dass die Gemeinschaft der Dolche versucht, den Thron zu stürzen, um die Welt für die Malfettos zu einem sichereren Ort zu machen. Und dafür brauchen die Begabten Adelinas Hilfe. Sie glauben, dass Adelina mit viel Training nicht nur in der Lage sein wird, anderen Menschen Trugbilder in den Kopf zu setzen, sondern auch Klänge, Gerüche oder sogar Empfindungen wie Schmerz. Einziges Hindernis: Während die anderen Begabten ihre Kräfte aus der Leidenschaft, der Freude, dem Ehrgeiz oder der Aufrichtigkeit in sich und in ihrer Umwelt ziehen, wird Adelinas Talent von Angst und Hass genährt. Das macht sie einerseits zu einer starken, aber auch zu einer unberechenbaren Verbündeten der Gemeinschaft der Dolche. Wird es Adelina gelingen, ihre Bosheit zu beherrschen oder wird sie der Dunkelheit erliegen?

Kritik

Nach ihrer ersten Trilogie Legends hat Marie Lu mit Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche den Grundstein für eine weitere dystopische Buchserie aus ihrer Feder gelegt. Dabei gelingt es ihr, alle Elemente in ihre Geschichte einzubringen, die es für eine Dystopie braucht: die verfolgte und verachtete Randgruppe der Malfettos, ein gewalttätiger und skrupelloser Herrscher und die Verfolgung der begabten Elite. Zwangsläufig sehen sich die Akteure der Geschichte daher Entscheidungen gegenüber, die für das Genre typisch sind und die erfahrene Leser daher nicht mehr überraschen. Stellt sich Adelina der Inquisition entgegen oder entscheidet sie sich zur Flucht? Oder läuft sie gar zur

Dramatik enthält die Handlung, die Adelinas Beziehung zu ihrer Schwester betrifft: Seit ihrer Kindheit sind sie unzertrennlich. Die beiden Mädchen gehen bis zu Adelinas Flucht gemeinsam durch alle Schwierigkeiten und trotzen Problemen und Widrigkeiten, die ihnen ihr unberechenbarer und gefährlicher Vater bereitet. Nachdem Adelina jedoch vor der Inquisition fliehen konnte, wird ihre Schwester Violetta von den Gefolgsleuten der Königin gefangen genommen. Das Motiv der Geschwisterliebe ist ebenfalls beliebt in dystopischen Werken, so wie Katniss Everdeen allein ihrer Schwester wegen an den Hungerspielen in den Tributen von Panem teilnimmt. Daher verleiht auch die Entführung von Violetta durch die Inquisition der Handlung keine überraschende Wendung.

Mit dem Charakter Adelina selbst, der Heldin, hat Marie Lu jedoch eine besondere Art von Hauptfigur geschaffen: Im Gegensatz zum prototypischen Helden, der sich auf einer scheinbar unerfüllbaren Mission befindet, dem es aber gelingt seine Ziele zu erreichen, indem er seine innere Dämonen bezwingt und über sich hinauswächst, schafft es Adelina Amouteru im Laufe der Geschichte nicht, sich von ihrer dunklen Seite zu lösen. Sie verfolgt ihre eigenen, zum Teil egoistischen Ziele. Da sie ihre Kraft aus dem Hass und der Angst zieht, haben diese sie fest in ihren Fängen. Die Protagonistin handelt egoistisch und skrupellos, das Gefühl der Macht, das sie dabei empfindet, genießt sie. Sie ist sogar bereit, für das Leben ihrer Schwester und ihr eigenes Wohlergehen über Leichen zu gehen. Die innere Zerrissenheit der Hauptfigur, Gutes tun zu wollen, die eigenen Kräfte jedoch aus dem Bösen zu ziehen, wird vor allem durch den personalen Erzählstil deutlich. Adelinas Gedankenströme und innere Monologe verfolgend sieht sich auch der Leser immer im Zwiespalt zwischen Wohlwollen einerseits und Antipathie andererseits gegenüber der Hauptfigur. Dabei durchlebt er zusammen mit dem Mädchen im Wechsel Zweifel und Zuversicht, wie die Gemeinschaft der Dolche zu Adelina steht und welches Ende die Geschichte nimmt: Werden die Mitglieder der Elite verstehen, dass Adelina für das Leben ihrer Schwester bereit ist, mit der Inquisition zu verhandeln? Wird sich ihr engster Verbündeter Enzo letztlich gegen sie stellen? Und möchte die Gemeinschaft Adelina wirklich helfen oder will sie nur die Kräfte des Mädchens für sich nutzen?

Einzelne Kapitel sowie der Epilog werden aus der Sicht anderer Figuren erzählt und gehen somit über Adelinas Horizont hinaus. Letztendlich schwankt der Leser also zusammen mit Adelina zwischen Zuversicht und Zweifel, wie die Gemeinschaft der Dolche zu dem Mädchen steht und welches Ende ihre Geschichte nehmen wird.

Die Frage, ob die Protagonistin durch ihre Abhängigkeit von der dunklen Seite zur tragischen Heldin oder zur Schurkin wird, lässt sich (noch) nicht klar beantworten. Wer Adelina also wirklich ist, wird sich wohl erst in den Fortsetzungen der Young Elites-Reihe herausstellen ...

Fazit

Was macht einen Helden zum Helden? Sind es seine Kräfte? Sind es seine Absichten? Sind es die Mittel und Wege, mit denen er diese zu erreichen versucht? Oder entscheidet alleine das Schicksal, ob das Gute oder das Böse im Menschen die Überhand nimmt?

Diese schwierigen Fragen stellt Marie Lu in ihrer neuen Trilogie Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche. Dabei erzählt sie die Geschichte einer kleinen Rebellengruppe, die mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten den Herrschaftsthron in einer dystopischen Gesellschaft stürzen will. Eine starke Geschichte über Freundschaft und Vertrauen, Zweifel und Verzweiflung, die mehr durch die Beziehungen der Figuren zueinander als durch die Charaktere selbst überzeugt. Die besondere Protagonistin, die durch die große Dunkelheit in sich kaum fähig ist, Gutes zu tun, macht das Buch zu einer spannenden Lektüre. Aufgrund der vielen Gewaltszenen ist das Buch für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet.

Titel: Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche
Autor/-in:
  • Name: Lu, Marie
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: Young elites
Übersetzung:
  • Name: Sandra Knuffinke
  • Name: Jessika Komina
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2017
Verlag: Loewe Verlag
ISBN-13: 978-3785583531
Seitenzahl: 416
Preis: 18,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Lu, Marie: Young Elites - Die Gemeinschaft der Dolche