Inhalt

Pollos Geschichte beginnt an dem Tag, an dem sein Vater den Kampf gegen den Krebs verloren hat. In der vorherigen Nacht erlag er den Folgen seiner schweren Krankheit. Pollo beginnt von da an mit seinem Vater zu sprechen, denn zuhören, so glaubt er, kann der Vater über den Tod hinaus.

Die Geschichte erzählt einerseits die vergangenen, gemeinsamen Erlebnisse von Pollo mit seinem Vater und andererseits die Ereignisse der Gegenwart, an denen der Vater nur durch Pollos Erzählungen teilnehmen kann. Pollos Erinnerungen umfassen schöne Erlebnisse, wie die Jahrmarktbesuche mit seinem Vater und seinem Bruder Dajo, auf denen sie gemeinsam am Tauziehen, Schießen und Büchsenwerfen teilgenommen haben. Jedoch folgt auf diese Erlebnisse auch eines, das Pollo negativ im Gedächtnis geblieben ist: Das Fußballspielen, bei dem sein Vater vor lauter Aufregung Dajo anschreit.

Zudem verarbeitet Pollo in seinen Gesprächen mit dem Vater die Erinnerungen an dessen Krankheitsverlauf und die gegenwärtigen Ereignisse, die seinen Umgang mit dem Tod des Vaters zeigen, aber auch die Reaktionen der Familie auf den Tod beschreiben. Doch was passiert, wenn sein Vater beerdigt ist?

Kritik

In Deutschland war im Jahr 2010 jeder vierte Todesfall durch Krebs bedingt. An der Brisanz des im Jahr 2013 in Deutschland erschienenen Kinderbuchs von Tamara Bos besteht demnach kein Zweifel. Kinder werden oft mit dem Tod konfrontiert, doch der Umgang mit diesem Thema wird meist außen vorgelassen, um Kinder davor zu bewahren. Das Kinderbuch Papa, hörst du mich? setzt an diesem Aspekt an und verarbeitet das Thema auf kindgerechte, literarische Weise und macht es den Kindern zugänglich.

Diesen Zugang zum Thema Tod finden die Leserinnen und Leser anhand der Identifikation mit der Hauptfigur Pollo. Pollo erzählt seine Geschichte als Ich-Erzähler, sodass sich die Lesenden in Pollo hineinversetzen können und durch dessen Fragen an den Vater emotional berührt werden: "Weißt du noch Papa, wie du plötzlich krank warst?" (S. 30).

Durch die individuellen Wege der Familienmitglieder, mit dem Tod des Vaters umzugehen, bietet sich die Identifikation sowohl für jüngere als auch für ältere Leserinnen und Leser an. Pollo, für den die Erwachsenenwelt als unverständlich erscheint, bietet den Jüngeren die Möglichkeit, in die Vorstellung einzutauchen, dass der Vater über den Tod hinaus Sorgen aufnehmen und zuhören kann. Zudem gelingt es Tamara Bos, auch den Älteren einen Einblick in diese Gedankenwelt zu ermöglichen.

Zudem bietet das Kinderbuch den jungen Lesenden die Möglichkeit, sich anhand der beschriebenen Aktivitäten, wie Fußballspielen oder auf dem Jahrmarkt gehen, mit Pollo zu identifizieren. Dieses könnte weiblichen Leserinnen schwerer fallen, da diese Aktivitäten nur den männlichen Protagonisten zugeschrieben werden: "Mama kam nicht mit. Jahrmarkt ist Männersache, fandest du. Und so ist es auch" (S. 18).

Ein weiterer gut gelungener Zugang zu dem Thema Tod ist der aufbereitete und weniger komplexe Vergleich des Spiels Stratego mit der Krankheit des Vaters. Bei dem Strategiespiel für zwei Personen geht es um die Eroberung der gegnerischen Flagge mit Hilfe von Soldatenfiguren tratego wird sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der bildlichen Ebene des Buches integriert und fungiert als Erzählprinzip, um die Krankheit verständlich zu erklären. Auf der inhaltlichen Ebene vergleicht Pollos Vater die Soldaten mit den mutierten Zellen seines Körpers und erklärt Pollo, dass die Medizin diese Soldaten bekämpft. Am Ende seines Krankheitsverlaufes siegen jedoch die Soldaten und Pollo muss feststellen, dass ein Spiel nicht immer Spaß machen muss. Zudem wird der Vergleich durch die Bilder akzentuiert, die den Kampf gegen die Krankheit verbildlichen. Pollos Vater wird als blauer Soldat dargestellt, der im Kampf gegen die roten, gegnerischen Soldaten durch die Eroberung der blauen Flagge verliert. Dieser verbildlichte Kampf der Krankheit verläuft als roter Faden durch das Buch und hilft, mit der Übernahme des Farbspiels der Soldaten und der bildlichen Darstellung der Eroberung der gegnerischen Flagge aus dem Strategiespiel, die Krankheit besser zu verstehen.

Neben dem Vergleich werden mit dem Strategiespiel auch die Veränderungen aufgezeigt, die mit dem Tod eines geliebten Menschen einhergehen. Pollo kann das Spiel nach dem Tod seines Vaters nicht mehr spielen, da ihm der Spielpartner fehlt. Jedoch werden nur die negativen Veränderungen aufgezeigt und nicht die neuen Möglichkeiten, etwa das Spielen mit seinem Bruder Dajo.

Für die jungen Leserinnen und Leser muss die anachronische Erzählweise kritisch hervorgehoben werden. Die gegenwärtigen und vergangenen Ereignisse werden kapitelweise abgewechselt, sodass Pollos Erzählung keine chronologische Reihenfolge aufweist. Für sehr junge Lesende kann sich das Finden der chronologischen Reihenfolge als schwierig herausstellen.

Fazit

Papa, hörst du mich? ist, trotz des traurigen Inhaltes, ein gelungenes Kinderbuch. Tamara Bos schafft es, dem Thema Tod durch Pollo eine Sprache zu geben und erleichtert somit den Umgang mit diesem Thema. Das Buch empfiehlt sich aufgrund der kurzen Sätze und der anachronischen Reihenfolge für Kinder ab acht Jahren. Bei jüngeren Kindern kann sich diese Reihenfolge als schwierig erweisen. Jedoch sollte die Beschäftigung mit dem Thema Tod im Hinblick auf die emotionale Erzählweise des Buches auf das Kind individuell abgestimmt werden, sodass es sowohl für Jüngere als auch für Ältere geeignet sein kann.

Literatur

Titel: Papa, hörst du mich?
Autor/-in:
  • Name: Bos, Tamara
Originalsprache: Niederländisch
Originaltitel: Papa, hoor je me?
Übersetzung:
  • Name: Ita Maria Berger
Illustrator/-in:
  • Name: Annemarie Haeringen
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2013
Verlag: Freies Geistesleben
ISBN-13: 978-3-7725-2516-2
Seitenzahl: 40 Seiten
Preis: 13,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Bos, Tamara: Papa, hörst du mich?