Dass die literarische Sozialisation schon vor Schuleintritt beginnt und Kinder bereits in jungen Jahren literarische Kompetenzen ausbilden, wurde in der literaturdidaktischen Forschung mehrfach herausgestellt und empirisch bestätigt (vgl. etwa Spinner 2006, Hurrelmann 2006). Im Zeichen der rezeptionsästhetischen Wende gehen Betrachtungen von literarischem Lernen und der early literacy-Förderung davon aus, dass Kinder bei der Rezeption literarischer Texte als Ko-Konstrukteurinnen und Ko-Konstrukteure von Sinn fungieren. Die Heranführung an diese aktive Rezeptionshaltung erfolgt im Elementar- und Primarbereich oftmals durch Medien mit spezifischen Involvierungsstrategien und immersivem Charakter. Spiel- und Mitmachbilderbücher stellen Medien dar, die die Kinder aktiv werden lassen und ihnen die Möglichkeit der Einübung eines aktiven und involvierenden Rezeptionsmodus geben (vgl. Al Chammas 2012).

Die Ausgangsüberlegung unserer Tagung besteht darin, dass Medien wie Spiel- und Mitmachbilderbücher, aber auch (digitale) immersive Medien für den frühkindlichen Einsatz durch ihre aktive Involvierung der kindlichen Rezipientinnen und Rezipienten spielerische Zugänge zum literarischen Rezipieren und eine Anbahnung ästhetischer Kompetenz ermöglichen. Anknüpfend an diese am Spiel orientierten Zugänge zu den interaktiven Medien im vorschulischen Bereich ist davon auszugehen, dass Kinder im Anfangsunterricht auch einen interaktiven und gleichsam spielerischen Zugriff auf Bild-Text-Medien und Narrationen im erweiterten Sinne wählen und dass ihre (proto-)literarische Spieltätigkeit zum weiteren Ausprägen literarischer Kompetenz hilft.

Diese Grundidee des Einsatzes von Medien, die zum spielerischen Rezipieren einladen, wurde bereits zum Gegenstand literaturdidaktischer Forschung. Angefangen beim Umgang mit Spielbilderbüchern (vgl. Al Chammas 2012) über narrative Spiele am PC (vgl. Naujok 2012) oder Apps (vgl. Knopf 2018) liegt mittlerweile eine Fülle an immersiven Medien für eine Anbahnung literarischer Rezeptionserfahrungen in einem erweiterten Sinne vor. Auch nicht-immersive Medien können zum spielerischen Entdecken literarischer Gegenstände im erweiterten Sinne einladen und sind entsprechend mit dem Spielen korreliert.

Eine systematische interdisziplinäre Aufarbeitung von Literaturbegegnungen für literarisches Lernen durch das Spiel fehlt allerdings bislang. Das Erkenntnisinteresse unserer Tagung besteht darin, die Betrachtung des frühen Erwerbs literarischer Kompetenzen und die Betrachtung kindlichen Spiels interdisziplinär zu vernetzen und konkrete Perspektivierungen für den Zusammenhang von Spielen und literarischen Erfahrungen zu entwerfen. Die Veranstaltenden sind daher auf der Suche nach Beiträgen, die unterschiedliche literarästhetische Gegenstände für den Elementarbereich und den Anfangsunterricht in der Primarstufe (z.B. Bilderbücher, Spielbilderbücher, Bilderbuch-Apps oder Computerspielen) aus literatur- und/oder spieldidaktischer Sicht betrachten.

Aufgerufen zu Beiträgen sind Literaturdidaktikerinnen und -didaktiker für Elementar- und Primarbereich ebenso wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich vornehmlich der Effekte des Spiels für die kindliche Entwicklung annehmen. Eine Anschlusspublikation ist in der Reihe Literatur – Medien – Didaktik im Verlag Frank und Timme vorgesehen.

Auswahl möglicher Themen:

  • Das Spiel als protoliterarische Tätigkeit
  • Immersive Medien für den Elementar- und Anfangsunterricht und deren Potenziale für das literarästhetische Lernen
  • Möglichkeiten der Beobachtung kindlichen Spiels mit literarästhetischen Medien
  • Fiktionskompetenz und Spiel – interdisziplinäre Perspektiven

Die Tagung soll vom 01.03.-03.03.2023 in digitaler Form stattfinden.

Deadline für die Einreichung vom Beitragsvorschlägen ist der 01.05.2022. Sie werden bis zum 03.05.2022 eine Rückmeldung erhalten. Im Anschluss an die Tagung sollen die Beiträge publiziert werden. Einreichungsfrist für die Beiträge wird der 01.06.2023 sein.

Literaturhinweise

  • Al Chammas, Tamara (2012): Das Spielbilderbuch – Ästhetische Formen und Chancen frühkindlicher Förderung. Oldenburg: Selbstverlag.
  • Boelmann, Jan. M./König, Lisa/Rymeš, Robert (2019): Vom Storyboard zum eigenen Film. Schul- und Hochschulpädagogische Erfahrungen aus dem Teilprojekt "Digital Storytelling und intermediales Geschichtenverstehen". In: Niesyto, Horst/Junge, Thorsten (Hrsg.): Digitale Medien in der Grundschullehrerbildung. München: kopaed, S. 43-56.
  • Hauser, Bernhard (2016): Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten, 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Heimlich, Ulrich (2015). Einführung in die Spielpädagogik, 3. Aufl. Stuttgart: UTB.
  • Hurrelmann, Bettina (2006): Ko-Konstruktion als Theorierahmen historischer Lesesozialisationsforschung: sozialisationstheoretische Prämissen. In: Hurrelmann, Bettina/Becker, Susanne /Nickel-Bacon, Irmgard (Hrsg.): Lesekindheiten. Familie und Lesesozialisation im historischen Wandel. Weinheim: Juventa, S. 15-30.
  • Krahé, Hildegard (2002): Erscheinungsformen der Spielbilderbücher durch die Jahrhunderte. In: Laub, Peter: Spielbilderbücher, Aus der Spielzeugsammlung des SMCA, Die Sammlung Hildegard Krahé. Salzburg: Roser Ges.m.b.H.&Co. KG.
  • Liesen, Pauline (2009): Sehen, Fühlen, Klappen. Das Spielbilderbuch für die Kleinen (0 bis 3 Jahren). In: Kümmerling-Meibauer, Bettina/Linsmann, Maria (Hrsg.): Literatur im Laufstall. Bilderbücher für die ganz Kleinen. Troisdorf: Druck Verlag Kettler.
  • Naujok, Natascha (2012): Zu zweit am Computer. Interaktive und kommunikative Dimensionen der gemeinsamen Rezeption von Spielgeschichten im Deutschunterricht der Grundschule. München: kopaed.
  • Neitzel, Britta (2012): Involvierungsstrategien des Computerspiels. In: GamesCoop: Theorien des Computerspiels zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag GmbH, S. 75-103.
  • Knopf, Julia (2018): Bilderbuch-Apps im Kindergarten und in der Primarstufe. Potential für das literarischer Lernen?! In: Ladel, Silke/Knopf, Julia/Weinberger, Armin (Hrsg.): Digitalisierung und Bildung. Wiesbaden: Springer VS, S. 23-38.
  • Zügel, Nora (2019): Spielend zu mehr Fiktionskompetenz. In: Literatur im Unterricht 1/19, S. 3-15.

[Quelle: Pressemitteilung]