"Sitzen, denken, tippen"1, diesen Titel würde die österreichische Bestseller Autorin Ursula Poznanski einem Buch verleihen, das Einblick in ihr Leben als Autorin gibt. Dass diese puristische Formulierung ihren äußerst ertragreichen literarischen Schaffensprozess allenfalls in humorvoller und verknappter Form abbildet, sei einmal dahingestellt. Zählt Poznanski doch zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen und -autoren im deutschsprachigen Rezeptionsraum, die auch mit ihren Thrillern für Erwachsene ein großes Lesepublikum anzusprechen vermag. Dabei ist die Wienerin erst relativ spät zum Schreiben gekommen, da sie nach ihrem Studium der Japanologie, Rechtswissenschaften, Publizistik und Theaterwissenschaften und diversen Statistenrollen bei der Wiener Staatsoper zunächst etliche Jahre als Medizinjournalistin tätig war. Seit ihrem literarischen Durchbruch im Jahr 2010 mit ihrem Jugendroman Erebos, der mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, hat die Schriftstellerin jedes Jahr im Durchschnitt ein bis zwei Romane veröffentlicht, die thematisch gesehen immer am Puls der Zeit waren bzw. der Technik einen Schritt voraus zu sein schienen. Ob es sich um die Realität manipulierende Computerspiele bzw. Technologiemissbrauch (Erebos 1 und 2), um virtuelle Parallelwelten und Klimakatastrophen (Cryptos), um Drohnen (Elanus), um Chancen und Risiken der modernen Hirnforschung (Thalamus), um Macht und Manipulation nach Katastrophenszenarien (Eleria-Trilogie) oder um Verschwörungstheorien (Shelter) handelt – ihr Themenspektrum erweist sich als überaus facettenreich und ist aufgrund der Aktualität sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene gleichermaßen relevant. Ihre sogenannten Cyberspace-Novels (vgl. Gansel 2016, S. 146), die in der Gegenwart spielen und teils fantastische, teils dystopische Elemente beinhalten, zeichnen sich u.a. durch eine spannende und Sog generierende Erzählweise, durch ein komplexes Handlungsgeschehen und eine Vielschichtigkeit des Figureninventars aus. Die Texte bieten somit ein reichhaltiges, generationenübergreifendes Identifikationspotenzial für Leserinnen und Leser, zudem erweisen sie sich aber auch als kommunikativ höchst anschlussfähig für aktuelle gesellschaftliche Diskurse.

Zielstellung des Sammelbandes

Die Beiträge des Sammelbandes, der in der Schriftenreihe Kinder- und Jugendliteratur. Themen – Ästhetik – Didaktik (hrsg. von Jan Standke) erscheinen wird, sollen einen möglichst multiperspektivischen Blick auf Autorin und Werk werfen: Willkommen sind literatur- und medienwissenschaftliche Aufsätze zu einzelnen Texten, Textgruppen und Medienadaptionen ebenso Studien aus dem Bereich der jüngeren Forschung zu Autorinnenschaft/Autorschaft bzw. Autorinneninszenierung/Autoreninszenierung wie auch literatur- und mediendidaktische Beiträge, die das Potenziale der ausgezeichneten Romane für das literarische Lernen herausstellen. Beiträge in folgenden Bereichen sind erwünscht, wobei eine Erweiterung des thematischen Spektrums möglich ist:

  • Werkstattbericht (Ideen, Planung des Plots, Schreibprozess, Co-Autorschaft mit Arno Strobel etc.) Selbstinszenierung Poznanskis als Autorin z.B. bei Lesungen, in Podcasts, in Blogs und Interviews
  • exemplarische Untersuchungen von Einzeltexten unter Berücksichtigung thematischer Aspekte (z.B. fortschrittliche Technologien, Katastrophenszenarien, Formen von Gewalt und Machtmissbrauch, Konstruktionsweise von (virtuellen) Parallelwelten, Geschlechterkonzeptionen und -verhältnisse, Generationenverhältnisse, Familienbilder, Peer-Verhältnisse, soziale Milieus, medizinisches Know-How, Thriller-Elemente etc.) sowie der Kommentierung didaktischer Potenziale und konkreter Anschlüsse für literarisches Lernen in Bezug auf verschiedene Jahrgangsstufen
  • Serielles Erzählen (z.B. Eleria-Trilogie, Vanitas, Kaspary & Wenniger-Thriller, Salzburg-Thriller)
  • Poznanskis Texte im Medienverbund (Audiofassungen, Buchtrailer etc.)
  • Ästhetik und Funktion(en) der Textillustrationen in Poznanskis Kinder- und Bilderbüchern
  • Bildungsmedien: Poznanskis Werk im Spiegel von Materialien für den Literaturunterricht

Kurze Abstracts mit bio-bibliografischer Angaben werden erbeten bis zum 16.12.2022 an Inger Lison (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) und Jan Standke (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.). Die fertiggestellten Beiträge im Umfang von 48.000 Zeichen inkl. Leerzeichen sollen bis zum 16.06.2023 vorliegen.

Dr. Inger Lison / Prof. Dr. Jan Standke
Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Literatur
Technische Universität Braunschweig
Institut für Germanistik
Bienroder Weg 80
D-38106 Braunschweig


 1Vgl. Podcast freigeistern, Folge 41: Ursula Poznanski − Goldgeistern, Christine Knödler im Gespräch mit Ursula Poznanski am 02.06.2022.