Hintergrund
Der akute Lehrkräftemangel konfrontiert die Bildungssysteme der (nicht nur) deutschsprachigen Länder derzeit mit erheblichen Herausforderungen. Für die Politik ist dabei vielerorts längst klar, dass eine Vermeidung von flächendeckenden Unterrichtsausfällen über die grundständige Lehramtsausbildung nicht gewährleistet werden kann. Vielmehr ist ein (zumindest temporäres) Ausweichen auf alternative Strategien notwendig, wie sie in jüngster Zeit etwa von der GEW (2022), SWK (2023) oder GEBF (2023) vorgeschlagen wurden (z. B. Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteiger:innen, Rückgriff auf studentische Vertretungslehrkräfte). Für die Ausbildung von Deutschlehrkräften ergeben sich hieraus Konsequenzen auf systemischer, konzeptioneller und empirischer Ebene:
- Auf systemischer Ebene ist zu beobachten, dass zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels Veränderungen oder Ergänzungen der traditionellen Ausbildungsstruktur vorgenommen werden. Hierzu zählt etwa die Einführung dualer Studiengänge oder von wöchentlichen Praxistagen, um Studierenden von Anfang an Praxiserfahrungen zu ermöglichen und sie möglicherweise auch an Schulen im entsprechenden Bundesland/Kanton zu binden. Aber auch die Diskussion um Stufenlehramtsmodelle, bei denen sich Studierende nicht zum Studienbeginn auf ein Lehramt festlegen sollen, nimmt in vielen Bundesländern Fahrt auf. Schließlich wurden und werden vielerorts Programme oder postgraduale Studiengänge zur (Weiter-)Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteiger:innen ins Lehramt sowie zur Begleitung studentischer Vertretungslehrkräfte diskutiert bzw. implementiert.
- Auf konzeptioneller Ebene ist die Deutschdidaktik herausgefordert, auf entsprechende Änderungen zu reagieren. So ist anzunehmen, dass Studierende eines dualen Lehramtsstudiums andere Erwartungen an die universitäre Ausbildung im Fach Deutsch haben als Studierende, die ein traditionelles Universitätsstudium mit anschließendem Referendariat durchlaufen. Ebenso liegt auf der Hand, dass die Qualifikation von Quer- und Seiteneinsteiger:innen, die bereits über ein abgeschlossenes Fachstudium verfügen, andere Bedürfnisse adressieren muss als die Professionalisierung von Studierenden ohne Abschluss. Aufgabe der Deutschdidaktik ist es, in entsprechenden Programmen konstruktiv tätig zu werden, indem fachlich-fachdidaktische Kompetenzstandards definiert und Lernwege für die jeweiligen Zielgruppen entwickelt werden.
- Auf empirischer Ebene gilt es, die systemischen Änderungen und damit einhergehenden konzeptionellen Überlegungen forschend zu begleiten. Neben quantitativ ausgerichteten Wirkungs- und Evaluationsstudien dürften auch qualitativ-rekonstruktive sowie erprobende Zugänge – bspw. in Design-Based-Research-Formaten – eine zentrale Rolle spielen. Hierbei kann die Deutschdidaktik auf Vorarbeiten aus der allgemeinen Lehrkräfteforschung, beispielsweise zum Quer- und Seiteneinstieg (Porsch & Reintjes, 2023), aber auch zu studienunabhängigen Unterrichtstätigkeiten (Hesse & Krause, 2024) zurückgreifen.
Bei der Tagung werden einige dieser Herausforderungen in Keynotes von zwei ausgewiesenen Expertinnen aus dem Bereich der schulpädagogischen und naturwissenschaftsdidaktischen Professionsforschung theoretisch wie empirisch beleuchtet: Mit Raphaela Porsch (Schulpädagogik, Uni Vechta) und Friederike Korneck (Physikdidaktik, Uni Frankfurt) konnten zwei Referentinnen gewonnen werden, die bereits über mehrjährige Forschungserfahrung bezogen auf heterogen qualifizierte Lehrkräfte verfügen und in diesem Zusammenhang regelmäßig an Stellungnahmen mitwirken oder Entscheidungsträger beraten (z. B. SWK, GFD, GEBF).
Alle an der Deutschlehrkräftebildung beteiligten Akteur:innen sind dazu eingeladen, sich im Anschluss an die Keynotes mit eigenen Beiträgen in den Diskurs zur Zukunft der Deutschlehrkräftebildung einzubringen. Neben Forschenden und Lehrenden der Universitäten seien ganz explizit auch Lehrkräfte sowie Akteur:innen aus Studienseminaren, Zentren für Lehrkräftebildung oder Bildungsadministration angesprochen, sich für die Tagung anzumelden. Eine Teilnahme ist in zwei Formaten möglich.
Format 1: Vorträge
Im Rahmen von 20-minütigen Kurzvorträgen können theoretisch-konzeptionelle Überlegungen zu aktuellen Veränderungen oder empirische Befunde zum Themenfeld vorgestellt werden.
- Die theoretisch-konzeptionellen Beiträge sollten sich professions- bzw. professionalisierungstheoretisch fundiert beispielsweise mit der Frage beschäftigen, welche Herausforderungen sich für die deutschdidaktische Lehrkräftebildung in den unterschiedlichen Phasen der Lehrkräftebildung stellen und wie auf entsprechende Herausforderungen vor dem jeweiligen Hintergrund reagiert werden könnte/sollte. Wünschenswert ist dabei, bereits bestehende deutschdidaktische Debatten aufzugreifen und weiterzudenken – etwa zum Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“, von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft, von Wissen und Können etc. Neben professionalisierungstheoretischen Fragestellungen sind auch Beiträge willkommen, die konkrete Ideen für Studiengangs- bzw. Ausbildungskonzepte für alternative Qualifizierungswege im Lehramt präsentieren und zur Diskussion stellen.
- Die empirischen Beiträge sollten eine klar zugeschnittene Forschungsfrage im Themenspektrum der Tagung mittels qualitativer und/oder quantitativer Forschungsmethoden beantworten. Wünschenswert sind dabei sowohl Beiträge, die sich mit den angehenden Lehrkräften (Studierende, Quereinsteiger:innen etc.) als Zielgruppe von Professionalisierungsmaßnahmen befassen, als auch Beiträge, die andere beteiligte Akteur:innen (z. B. Dozierende, Ausbilder:innen, Schulleitungen) (mit-)berücksichtigen. Neben solchen personenzentrierten Forschungen sind darüber hinaus auch Studien willkommen, die neu geschaffene Seminarkonzepte, Qualifizierungsprogramme, Studiengänge o. ä. in der Deutschlehrkräftebildung evaluieren und dabei Gelingens- und Misslingensbedingungen bezogen auf die Implementation entsprechender Konzepte aufzeigen. Zudem sei darauf hingewiesen, dass neben Ergebnissen aus abgeschlossenen Projekten, die gegenwärtig in der Deutschdidaktik noch rar sein dürften, unter Berücksichtigung der entsprechenden Limitationen gerne auch erste Befunde aus laufenden Projekten zur Diskussion gestellt werden können.
Format 2: World-Café zur Zukunft der Deutschlehrkräftebildung
Sowohl Teilnehmende mit als auch ohne eigenen Beitrag werden vor Beginn der Tagung online dazu befragt, welche drei Anliegen sie in Bezug auf das Tagungsthema in besonderer Weise beschäftigten. Von Seiten der Tagungsleitung werden dann die am häufigsten genannten Anliegen destilliert und für die Besprechung in einem World-Café aufbereitet. Ein World-Café ist ein moderiertes Diskussionsformat, das den Austausch von Ideen und Wissen in einer lockeren Atmosphäre an Thementischen fördert. Die Teilnehmenden wechseln in regelmäßigen Abständen die Tische und diskutieren dort die im Vorfeld erhobenen Fragestellungen, während ein:e Moderator:in das Gespräch strukturiert und die Kernaussagen bündelt. Ziel ist es, kollektive Erkenntnisse zu gewinnen und kreative Lösungen für komplexe Fragestellungen zu entwickeln. Hierbei versteht sich das Format u. a. als eine Fortsetzung der bereits von Seiten des Symposions Deutschdidaktik e.V. und des Germanistenverbandes angestoßenen Debatte im Rahmen des Online-Forums zum Thema „Qualitätssicherung der Deutschlehrer:innenbildung in Zeiten des Lehrkräftemangels“.
Anmeldung
Die Tagung findet vom 15.05.–16.05.2025 in Jena in den Räumlichkeiten der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek statt. Interessierte, die einen Vortrag halten möchten, werden gebeten, bis zum 10.01.2025 ein aussagekräftiges Abstract (max. eine A4-Seite, exkl. Literatur) einzureichen. Interessierte Teilnehmende ohne Beitrag werden ebenfalls gebeten, sich über bis zum 10.01.2025 verbindlich für die Tagung anzumelden. Sowohl Anmeldung als auch Abstract-Einreichung und Themen-Nennung für das World-Café erfolgen über das Online-Formular. Da das Abstract in ein Textfeld des Formulars kopiert werden muss, verzichten Sie bitte bereits bei der Erstellung auf jegliche Formatierungen (Listen, Aufzählungen, Fettdruck etc.).
Die Teilnahme an der Tagung ist vorbehaltlich der Bewilligung beantragter Zuschüsse kostenfrei (ggf. wird ein kleiner Unkostenbeitrag für das Catering erhoben). Für Referentinnen mit einem eigenen Beitrag können vorbehaltlich der Bewilligung beantragter Zuschüsse Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von bis zu 250€ erstattet werden.
Publikation
Derzeit ist geplant, dass alle Keynotes, Vorträge und die Ergebnisse des World-Cafés in eine Tagungspublikation einfließen, wobei das konkrete Format mit den Beitragenden abgestimmt werden soll. Vortragende können sich bereits jetzt vormerken, dass die Beiträge (ca. 30.000 Zeichen, exkl. Literatur) voraussichtlich bis zum 31.10.2025 erbeten werden.
Tagungsprogramm
Tag 1: Donnerstag, 15.05.2025
13:30 – 14:00 Uhr |
Ankunft |
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14:00 – 14:15 Uhr |
Eröffnung der Tagung |
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14:15 – 15:15 Uhr |
Keynote von Prof. Dr. Raphaela Porsch (Vechta) Perspektiven zu heterogen qualifizierten Lehrkräften aus Sicht der Bildungsforschung (Arbeitstitel) |
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15:30 – 17:00 Uhr |
Sektion 1 Vortrag 1a Vortrag 2a |
Sektion 2 Vortrag 1b Vortrag 2b |
17:00 – 17:30 Uhr |
Pause |
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17:30 – 19:00 Uhr |
Vortrag 3a Vortrag 4a |
Vortrag 3b Vortrag 4b |
im Anschluss |
Gemeinsames Abendessen |
TAG 2: Freitag, 16.05.2025
08:45 – 09:00 Uhr |
Start in den zweiten Tag |
09:00 – 10:00 Uhr |
Keynote von Prof. Dr. Friederike Korneck (Frankfurt a. M.) Perspektiven zu heterogen qualifizierten Lehrkräften aus Sicht der Naturwissenschaftsdidaktik (Arbeitstitel) |
10:15 – 10:30 Uhr |
Einführung: World-Café |
10:30 – 12:00 Uhr |
Drei Diskussionsrunden á 30 Minuten |
12:00 – 12:30 Uhr |
Auswertung im Plenum |
im Anschluss |
Verabschiedung und Ausblick |
mit Keynotes von Prof. Dr. Raphaela Porsch (Schulpädagogik, Vechta)
& Prof. Dr. Friederike Korneck (Physikdidaktik, Frankfurt a. M.)
organisiert von Dr. Florian Hesse (
Literatur
GEBF. (2023). Alternative Qualifikationswege für Lehrkräfte ohne traditionelles Lehramtsstudium in Zeiten des Lehrkräftemangels. https://www.gebf-ev.de/app/download/9394444676/GEBF_Stellungnahme_2023_07_24.pdf?t=1690450855
GEW. (2022). #mehr Lehrkräfte. 15-Punkte-Programm gegen den Lehrermangel. https://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=130208&token=10c4e7d8d1acf111e623218a617825651d8318b5&sdownload=&n=2023-15-Punkte-Programm-web.pdf
Hesse, F., & Krause, J. (2024). Studierende unterrichten neben dem Studium als Vertretungslehrkräfte—Ein Bericht zum Stand der empirischen Forschung. Didaktik Deutsch, 56, 66–86.
Porsch, R., & Reintjes, C. (2023). Teacher Shortages in Germany. Alternative Routes into the Teaching Profession as a Challenge for Schools and Teacher Education. In P. Hohaus & J.-F. Heeren (Hrsg.), The Future of Teacher Education: Innovations across Pedagogies, Technologies and Societies (S. 393–363). Brill. https://doi.org/10.1163/9789004678545
SWK (Hrsg.). (2023). Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel. Stellungnahme der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz. SWK: Bonn. https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=26372
[Quelle: Pressemitteilung]