Es ist wieder mal vollbracht: Im diesjährigen Dschungelcamp wurde unlängst Sharlely „Lilly“ Becker zur neuen Königin gekürt. Durchschnittlich 3,8 Millionen Zuschauer:innen verfolgten die Sendungen der aktuellen Staffel. Kein schlechter Wert für ein Format, das seit Jahren für hitzige Debatten sorgt. Einerseits werden Dschungelcamp und vergleichbare Produktionen als entlarvender Blick auf mediale Mechanismen gelobt, andererseits als voyeuristischer Unterschichten-Trash gescholten. Am Beispiel dieser Formate lässt sich exemplarisch die Ambiva- lenz des Phänomens „Trash“ im Kontext der gegenwärtigen Medienkultur beobachten. Erlaubt zum Beispiel das Dschungelcamp Einblicke in komplexe Gruppendynamiken, soziale Rollen und Machtverhältnisse oder erschöpft sich die Sendung in einer gezielten Bloßstellung von mehr oder weniger prominenten Menschen bzw. einer kalkulierten Zurschaustellung menschlicher Schwächen? Das Feuilleton jedenfalls arbeitet sich bevorzugt an dieser Ambiva- lenz des Trash-Faktors ab: „Diese Ambivalenz macht Trash-TV zu einem kulturellen Phänomen, das weit über bloße Unterhaltung hinausgeht. Das Dschungelcamp zeigt uns, dass selbst die vermeintlich seichtesten Unterhaltungssendungen tief in gesellschaftliche und kulturelle Dynamiken eingebunden sind.“1


„Trash“ ist allgegenwärtig – in Literatur, Film, Fernsehen oder digitalen Medien. Neu ist das Phänomen hingegen nicht. Begriffe wie etwa „Schund“ oder „Kitsch“ haben eine breite literatur-, kultur- und mediengeschichtliche Tradition. Sie sind das Ergebnis von Diskursen über ästhetische Wertzuschreibungen und Praktiken verschiedener Rezipierenden-Gruppen. Aktuell gilt die Gunst eines großen Publikums vor allem den für das Fernsehen produzierten Reality-Formaten, die eine klare wirkungsorientierte dramaturgische Struktur aufweisen und häufig um körperliche Herausforderungen und Wettkampfsituationen herum organisiert sind. Aber auch Trash in literarischen Texten und anderen Medien erfreut sich großer Beliebtheit. „Trashologie“ ist ein Rezeptions- und Diskursformat, das die Beliebtheit entsprechender Formate anschaulich dokumentiert.2


In den letzten Jahren hat sich die kultur- und medienwissenschaftliche Forschung den diversen Phänomenen des Trash mit einigem Interesse zugewandt3. Die Literatur- und Mediendidaktik oder, aufgrund der besonderen Körper- und Wettkampforientierung der Formate, auch die Sportpädagogik setzen sich, wenn auch noch einigermaßen zaghaft, mit entsprechenden Formaten auseinander. Ausdrücklich als „Trash“ deklarierte Phänomene werden aber noch selten als Gegenstände im schulischen Unterricht thematisch. Angesicht der Bedeutung des Trash in der Gegenwartskultur erscheint diese Ausblendung zumindest diskussionswürdig.
Die nächste Ausgabe von Literatur im Unterricht möchte bei der oben beschriebenen ambivalenten Wahrnehmung von Trash-Formaten ansetzen und im Rahmen theoretischer Reflexionen, exemplarischer Analysen und didaktischer Perspektivierung die Potenziale des Phänomens für den Literaturunterricht sowie körperbezogene schulische Reflexionsbereiche, z.B. Sportunterricht, ausloten.

Mögliche Themenfelder für das Heft können sein:

  • Begriffsklärungen und theoretische Perspektiven: Was ist Trash? Welche allgemeinen und medienspezifische Merkmale und Funktionen lassen sich identifizieren?
  • Analyse literarischer und medialer Trash-Phänomene: Von Trivialliteratur über Gro- schenromane bis hin zu Trash-Filmen und Reality-TV – welche trash-typischen Muster, Themen und ästhetischen Strategien lassen sich erkennen?
  • Trash im Literaturunterricht: Mit welcher Zielsetzung können Trash-Texte und -For- mate produktiv im Unterricht genutzt werden? Welche Auswahlkriterien bieten sich an, welche didaktischen Zugänge lassen sich entwickeln?
  • Trash und Medienkompetenz: Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für eine kritisch-reflexive Medienbildung?
  • Körperlichkeit und Wettkampf in Trash-Formaten: Welche Bedeutung kommen der Präsentation und Verhandlung von Körperlichkeit und Wettkampf in den verschiede- nen Trash-Formaten zu?
  • Trash als Provokation und Gegenkultur: Inwiefern kann Trash gesellschaftliche Debat- ten anstoßen und tradierte Normen infrage stellen?

Erwünscht sind auf dieser Grundlage Beiträge u.a. zu folgenden Aspekten:

  • Beiträge, die exemplarisch den aktuellen Forschungsstand zu Formen, Funktionen und Wirkungspotenzialen von Trash in literarischen Texten und anderen Medien der Gegenwartskultur illustrieren,
  • Beiträge, die die Funktionsweisen von Trash an konkreten Formaten exemplarisch untersuchen und diskutieren,
  • Beiträge, die sich explizit den Aspekten von Körper, Körperlichkeit und Wettkampf in Trash-Formaten widmen,
  • Beiträge zu historischen Vorformen des Trashs im Bereich von Kunst und Literatur und ihrer Bedeutung für aktuelle Debatten,
  • Beiträge, die didaktische Perspektiven auf das Phänomen Trash im Bereich der Gegen- wartsliteratur in ihrer ganzen medialen Breite (z.B. Text, Film, Serie, Hörspiel, Bilder- buch/Comic/Graphic Novel, digitales Spiel etc.) entwickeln, konkrete fachdidaktische Anregungen für den Unterricht aller Schulformen und Jahrgangsstufen.

Erwünscht sind Beiträge im Umfang von bis zu 32.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen). Gern können aber auch kürze Beiträge zu einzelnen Trash-Formaten eingereicht werden.
Kurze Abstracts mit bio-bibliographischer Notiz werden per Mail bis zum 14.03.2025 erbeten an die Schriftleitung: Dr. Inger Lison (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)
Die fertiggestellten Beiträge sollen bis zum 18.07.2025 vorliegen.

Redaktionskontakt
Prof. Dr. Jan Standke
Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Literatur TU Braunschweig
Institut für Germanistik
Bienroder Weg 80
D-38106 Braunschweig Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Tel.: +49 531 391 8666


1 Samira Straub, 2025 Warum das Dschungelcamp mehr ist als seichte Unterhaltung, in: https://www.swr.de/swrkultur/film-und-serie/dschungelcamp-neue-staffel-trash-tv-mehr-als-reine- unterhaltung-ich-bin-ein-star-holt-mich-hier-raus-rtl-100.html (zuletzt eingesehen am 11.02.2025).

2 https://www.aufdieohren.de/podcasts/trashologie/ (zuletzt eingesehen am 11.02.2025).

3 Stefano Brilli, 2017, Zwischen Trash und Transzendenz. Zur kollektiven Produktion von lächerlichen Stars auf YouTube. In Zeitschrift für Medienwissenschaft, Heft 1, S. 21-36.

4 Daniel Klug und Axel Schmidt, 2014, Körper(-Darstellungen) im Reality-TV. Herstellung von Wirklichkeit im und über das Fernsehen hinaus, in: Sozialer Sinn Jg. 15 (2014) H. 1, S. 77-107. 

[Quelle: Pressemitteilung]