Dass literarische Themen, Motive, Stoffe im Laufe der Zeit erneut aufgegriffen, modernisiert und auch hinsichtlich des Zielpublikums angepasst werden, gehört mittlerweile zur gängigen Praxis. Literaturverfilmungen (vgl. Bohnenkamp 2005) oder Hörspieladaptionen (vgl. Pross 2013) sind seit geraumer Zeit in schulischen und universitären Curricula angekommen und gerade im Bereich von Kinder- und Jugendmedien allgegenwärtig.
Aktuell zeichnen sich neue Tendenzen ab: Das Feld der Adaptionen (vgl. Hutcheon 2006), verstanden als Medien- beziehungsweise Rahmenwechsel, der ein kinder- bzw. jugendliterarisches Artefakt verwendet und neu darstellt (vgl. Hübner 2012), differenziert sich immer weiter aus. Nachdem ein Buch zum Film geworden ist, gibt es mittlerweile vice versa Bücher zum Film, Biderbücher wandern animiert auf die Leinwand, Tabletop-Spiele werden zu E-Games, die ihrerseits in Fan-Fiction münden, Romane (und gar Lyrik) werden für die Bühne adaptiert (vgl. Lipinski 2014) oder Musicals verfilmt bzw. Filme ‚vermusicalt‘, Achterbahnen und Kreuzfahrtschiffe nutzen Storytelling, von Hybrid-Genres oder von vornherein als multimediale, -modale und -codale Franchises entworfenen Erzählkosmen gar nicht zu reden. Diesen Prozessen ist eine jeweils ganz spezifische Ästhetik eigen, die sich am konkreten Medienwechsel analysieren lässt. Zudem kann man die Adaptionsprozesse auch aus einer Metaperspektive hinsichtlich verschiedener Typen und Strategien reflektieren (vgl. Kudlowski/Münschke 2025, S. 289).
Während die Ästhetik der Adaption bezüglich Literaturverfilmungen und Hörspieladaptionen gut beforscht ist, sind einige Adaptionsformen von der Wissenschaft bislang kaum betrachtet worden, etwa solche, die ein Theaterstück in einen Roman transferieren (beispielsweise Karen Köhlers „Himmelwärts“, UA 16.04.2022 im Stadttheater Ingolstadt; 2024 als Roman). Auch die Übertragung von Kinderprosa ins Musikalische (und umgekehrt) oder Auseinandersetzungen mit Themenparks etc. erweisen sich eher als Desiderate der Kinder- und Jugendliteratur- und -medienforschung.
Im Rahmen der Tagung wollen wir den Diskurs rund um die Ästhetik des Medienwechsels in seiner Breite und Tiefe fokussieren. Dabei sind interdisziplinäre Herangehensweisen genauso erwünscht wie Beiträge aus Einzelfachwissenschaften. Besonders ergiebig scheinen uns die folgenden Kulminationspunkte zu sein:
- Einzeladaptionsprozesse im Detail: Wie genau verläuft der Medienwechsel (klar benenn-bare Vorher-nachher-Arrangements)? Welche ästhetischen Entscheidungen werden getroffen? Welche Schwerpunkte gesetzt? Welche narratoästhetischen Veränderungen gehen damit einher (vgl. Jakobi/Kurwinkel [Hg.] 2022)?
- Phänomene des Medienwechsels generell und Genregrenzen inspeziell: Inwieweit wird die Wahl der jeweiligen Gattung/des Mediums in besonderer Weise berücksichtigt (vgl. Rajewsky 2002)?
(Transmediale) Medienverbünde und Storyworldbuilding: Inwieweit lässt sich nicht mehr nur von einem konkreten Medienwechsel sprechen, sondern von mehreren? - Funktionen, die Adaptionsprozesse übernehmen: Inwiefern geht mit dem Medienwech-sel auch ein intermedialer Funktionswandel einher? Zeichnet sich das Verhältnis von Prä- und Posttext beispielsweise durch eine Fokussierung auf Parodie, Travestie, Pastiche etc. aus (vgl. Kudlowski/Münschke 2025)?
- Analyse von Artefakten, die eine inhärente Intermedialität/Multimodalität aufweisen: Stellt man dem Medienwechsel die intermedialen Phänomenbereiche „intermedialer Bezug“ und „Medienkombination“ zur Seite, stellen sich Fragen wie: Welche (anderen) Medien spielen eine Rolle? In welche (produktiven) Konkurrenzbeziehungen treten sie ein?
- Fachdidaktische Überlegungen (vgl. Bernhardt 2024): Inwieweit können Adaptionsprozesse für das Schulen der Lese- und/oder literarästhetischen Verstehenskompetenz genutzt werden? Welche Potenziale ergeben sich aus der Beschäftigung mit Adaptionsprozessen für das literarische Lernen?
Die Tagung findet am 1. und 2. Oktober 2026 in den Räumlichkeiten der Silke Weitendorf Stiftung in Hamburg statt. Die Kosten für zwei Übernachtungen nahe des Tagungsortes werden übernommen. Eine Veröffentlichung der Tagungsergebnisse ist geplant.
Ihre Themenvorschläge (max. 200 Wörter) nebst Kurzbiografie schicken Sie bitte bis zum 15.12.2025 an Dr. Anke Christensen (
Literatur (Auswahl):
- Bernhardt, Sebastian: Literaturgeschichte unterrichten mit populärkulturellen Adaptionen. In: ide 1/2024, S. 96–103.
- Bohnenkamp, Anne: Vorwort. In: Dies. (Hg.): Literaturverfilmungen. Stuttgart 2005, S. 9–38.
- Hübner, Sina: Adaption. In: KinderJugendmedien.de. Erstveröffentlichung: 01.05.2012. (Zuletzt aktualisiert am: 06.10.2021). URL: https://www.kinderundjugendmedien.de/begriffe-und-termini/232-adaption?highlight=WyJhZGFwdGlvbiJd. Zugriffsdatum: 27.08.2025.
- Hutcheon, Linda: A Theory of Adaptation. New York / London 2006.
- Kudlowski, Marc / Münschke, Frank: Der Verfluchte Medienwechsel. In: Tobias Kurwinkel, Philipp Schmerheim, Anke Vogel (Hg.): Cornelia Funke intermedial. Würzburg 2025, S. 283–307.
- Kurwinkel, Tobias / Jakobi, Stefanie (Hg.): Narratoästhetik und Didaktik kinder- und jugendmedialer Motive: Von literarischen Außenseitern, dem Vampir auf der Leinwand und dem Tod im Co-micbuch. Tübingen 2022.
- Lipinski, Birte: Romane auf der Bühne. Form und Funktion von Dramatisierungen im deutschen Gegenwartstheater. Tübingen 2014.
- Pross, Caroline: Hörspieladaption/Hörbuchadaption. In: Handbuch Medien der Literatur. Hg. v. Natalie Binczek, Till Dembeck und Jörgen Schäfer. Berlin/Boston 2013, S. 388–393.
- Rajewsky, Irina O.: Intermedialität. Tübingen; Basel 2002.
[Quelle: Pressemitteilung]