Editorial

Sie sind aus unserer Kultur kaum wegzudenken. Von der bösen Hexe über Long John Silver bis hin zu Darth Vader sind es immer wieder besonders die Bösewichte und Antagonist*innen, die Geschichten nachhaltigen Eindruck verleihen und eine große Faszination auf die Lesenden ausüben. Das liegt auch daran, dass die vermeintlich eindeutige Grenzlinie von Gut und Böse oft bei genauerem Hinsehen gar nicht mehr so eindeutig zu ziehen ist. Und während die Hexe tatsächlich einfach und eindimensional böse daherkommt – ihr wird wenigstens in der traditionellen Märchenliteratur keine vielschichtige Persönlichkeit zugestanden – stellen sich der Pirat und der Tyrann im Verlauf ihrer Geschichte durchaus als ambivalente Figuren heraus, deren Schicksal und Motive bei genauerem Hinsehen eine Neubewertung ihrer literarischen Rolle und eine Auseinandersetzung mit moralischen und ethischen Fragen einfordern.

Dem Bösen kommt im literarischen Kontext eine wichtige Rolle zu. Es dient als Gradmesser und Beispiel für die menschliche Fehlbarkeit, es bietet Orientierung, fordert zu differenzierteren Welterklärungen heraus – und es fasziniert uns einfach auch wegen seiner grenzüberschreitenden Autonomie.

Das vorliegende Themenheft spürt diesen Funktionen des Bösen in der Kinderliteratur nach. Im Basisbeitrag verortet Ulf Abraham das Böse in der KJL in verschiedenen kulturgeschichtlich bedeutsamen Bezugshorizonten. Arne Moritz analysiert sodann die logische Struktur der Rede vom Bösen im Kontext des Erzählens und entwickelt daraus moralpädagogische Ableitungen für eine Didaktik der Ethik. Bei Ulrike Witten wird das Böse im Kontext biblischer Geschichten in den Blick genommen und nach der kinderliterarischen Inszenierung dieser auch religionspädagogisch so bedeutsamen Kategorie gefragt.

Im Beitrag von Ulrike Kristina Köhler geraten zwei historische englische Kinderbücher in den Blick, die mit ihren normüberschreitenden Protagonisten Identifikationsangebote für Kinder bieten, sich mit dem abweichenden Verhalten intensiv und lustvoll auseinanderzusetzen. Lisa Ingermann betrachtet die Inszenierung des Bösen im Comic zum NS, während Anna Braun das Motiv des Teufelspaktes in zwei Kinderbüchern beschreibt. Bei Christine Knödler gerät die politische Dimension des Bösen in aktuellen Jugendbüchern in den Blick.

Jan Standke zeigt schließlich, wie technologische Entwicklungen im dystopischen Roman auch zum Gegenstand literarischen Lernen werden können. Astrid Henning-Mohr beschreibt die Bibliothek in den Harry-Potter-Romanen als Ort eines autonomen Lernens und Claudia Weiß führt in ihrem Text ein in die Debatte um Schund und Schmutz in der Literatur für Heranwachsende in den Bildungseinrichtungen der Franckeschen Stiftungen zu Halle am Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Rubrik kurz gefragt kommt diesmal Susanne Blumesberger zu Wort.

Im Beitrag des Spektrums bieten Stephanie Jentgens und Alexandra Ritter empirisch fundierte Einblicke in Befunde zur Profilierung von Kindertagesstätten mit einem Schwerpunkt in der Leseförderung. Sie zeigen dabei, dass viele Kitas zwar ein breites Spektrum an anspruchsvoller Kinderliteratur vorhalten, dass konzeptionelle Überlegungen zur Leseförderung dabei aber eher selten eine herausgehobene Rolle spielen.

Michael Ritter

 

 

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