Das Symposium begann am Nachmittag des 12. Dezembers mit einer Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Prof. Dr. Tobias Kurwinkel (Universität Duisburg-Essen) und Dr. Stefanie Jakobi (Universität Bremen) sowie dem Hinweis, dass die Vorträge von Dr. Jana Mikota (Universität Siegen) (Das Motiv der Umweltschützer*innen in der Kinder- und Jugendliteratur), Prof. Dr. Bettina Kümmerling-Meibauer (Universität Tübingen) (Fremdheit als Konzept. Das Motiv des fremden Kindes in der internationalen Kinderliteratur) und Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak (Universität Zürich) (Down the hole und Through the mirror. Inszenierungen des Weltenwechsels in "Alice"-Adaptionen) ausfallen werden. Folgend wurde der Keynote-Vortrag von Prof. Dr. Christine Lubkoll (Universität Erlangen-Nürnberg), der eine inhaltliche Einführung in das Forschungsfeld der Thematologie und somit erste theoretische Zugänge zu einer kinder- und jugendliteraturwissenschaftlichen Erforschung des literarischen Motivs bot, angekündigt. Auf eine schlaglichtartige Betrachtung der historischen Entwicklung der Motivanalyse sowie der Abgrenzungen der Begriffe Motiv, Stoff und Thema folgte der Einbezug systematischer Perspektiven, innerhalb derer die transmediale Ausprägung des literarischen Motivs hervorgehoben wurde. Lubkoll verwies außerdem auf die ikonographische Konstanz des medienübergreifenden Motivs und seiner damit einhergehenden Orientierungs- und Impulsfunktion – insbesondere innerhalb von Kinder- und Jugendliteratur und -medien. Erweitert und ergänzt wurden diese Ausführungen durch Kurwinkel und Jakobi, die alsdann ihr Modell der transmedialen Motivanalyse, das Ausgangspunkt für die nachfolgenden Vorträge war, vorstellten. 

tagungsbericht Motiv Modell abbAbb. 1: Das Modell der transmedialen Motivanalyse © Kurwinkel/Jakobi

An die Einführung von Lubkoll, Jakobi und Kurwinkel schloss sich eine Diskussion an, die unter anderem die Frage, ob Kinder- und Jugendliteratur und -medien ein eigenständiges Motivkorpus bilden und inwieweit eine Annäherung an die Motive der Allgemeinliteratur zu beobachten sei, thematisierte. Neben spezifisch kinderliterarischen Motiven wie der Elternferne konnten in diesem Kontext auch literaturübergreifende Motive herausgearbeitet und somit eine Kongruenz von kinder- und jugendliterarischen sowie allgemeinliterarischen Motiven festgestellt werden.

An diese theoretischen Grundlagen knüpfte der zweiten Keynote-Vortrag an: Prof. Dr. Ulf Abraham (Universität Bamberg) ergänzte die bisherigen Überlegungen um literaturdidaktische Aspekte und behandelte Literarische Motive als hotspots poetischen Verstehens im Deutschunterricht am Beispiel jugendliterarischer Fantastik. Abraham hob die Bedeutung literarischer Motive hervor, die (Kinder- und Jugend-)Literatur wie "Sehnen durchziehen und ihr Kraft und Spannung verleihen" (Abraham 2019). Zudem betonte er, dass insbesondere das Spiel mit dem literarischen Motiv die Ästhetik eines literarischen Textes aus- und die Bearbeitung im Deutschunterricht fruchtbar machen kann.

Die Bedeutung literarischer Motive und ihr Mehrwert für den Literaturunterricht – so kann beispielsweise über die Motivarbeit an gegenwartsliterarischen Texten für Kinder und Jugendliche eine Brücke zur Motivgeschichte und damit zur Epochenlehre geschlagen werden – wurden auch in der anschließenden Diskussion fokussiert.

Einen literaturdidaktischen Blickwinkel griff zu Beginn des zweiten Veranstaltungstages auch Prof. Dr. Klaus Maiwald (Universität Augsburg) auf. In seinem Vortrag Transmediale Motivik als literaturdidaktische Kategorie veranschaulichte er am Beispiel des Motivs der Mutprobe, dass transmediale Motivik nicht erst in der Sekundarstufe II zum Unterrichtsgegenstand werden kann und sollte. Vielmehr sei die Arbeit mit dem Motiv, so argumentierte Maiwald, "zur didaktischen Fundierung und Systematisierung eines Mediengrenzen überschreitenden sowie gegenstands- und subjektorientierte Ziele integrierenden Literaturunterrichts geeignet" (Maiwald 2019).

Fragen nach einer Genderorientierung bestimmter Motive – so scheint das von Maiwald herangezogene Motiv der Mutprobe vorrangig von einem männlichen Figurenensemble bestimmt zu sein – eröffneten den Blick auf die vielfältigen Möglichkeiten der Motivforschung.

Dr. Kirsten Kumschlies (Universität Oldenburg) wand sich in ihrem Vortrag "Ein Paradies von Licht und Geglitzer": Der Jahrmarkt in Kinder- und Jugendmedien in transmedialer Lektüre dem bislang nahezu unerforschten lokalen Motiv des Jahrmarktes zu. An Beispielen aus der Serie Peppa Pig, Astrid Lindgrens Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker und weiteren Texten und Medien veranschaulichte sie Eigenschaften und Funktionen dieses Raumes, der häufig in Kinder- und Jugendliteratur und -medien zu finden ist.

Im Anschluss an didaktische Überlegungen zum Einsatz des Jahrmarkt-Motivs im transmedialen Literaturunterricht endete Kumschlies' Vortrag mit einer Diskussion über die Einflüsse des historischen Wandels auf dieses Motiv. Die Frage, ob das Motiv des Jahrmarktes digital weitergeschrieben wird, beispielweise in Form sogenannter 'Freakshows' im Internet, konnte an dieser Stelle noch nicht beantwortet werden, bietet jedoch Anlass zu weiterer Forschung.

Motive im digitalen Raum beschäftigten auch die Vorträge von Dr. Markus Engelns (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Jan Boelmann (Pädagogische Hochschule Freiburg). Engelns befasste sich in seinem Vortrag Sofortbilder der Adoleszenz. Motive in digitalen Spielen am Beispiel "Life is Strange" (2015) unter anderem mit den Motiven Fotografie und Zeitreise, die im Computerspiel Life is Strange Gegensätze darstellen. So veranschaulichen die von der Protagonistin aufgenommenen Sofortbilder Unveränderlichkeit, wohingegen die Zeitreisen ein Eingreifen in die Vergangenheit durch die Protagonistin ermöglichen.

Boelmann setzte sich in seinem Vortrag Immersion als Gamechanger. Das Motiv Schuld in und durch narrative Computerspiele mit dem Computerspiel als interaktives Medium auseinander, das, so Boelmann, geeignet sei Schuldgefühle bei seinen Rezipientinnen und Rezipienten auszulösen. Mithilfe narrativer und ludischer Methoden veranschaulichte er diese Theorie unter anderem an den Computerspielen Spec Ops: The Line und The Day the Laughter Stopped, ein interaktives Onlinespiel in dem die Rezipierenden die Rolle eines jugendlichen Opfers sexueller Gewalt annehmen müssen. Insbesondere die Auswahl von The Day the Laughter Stopped, als Beispiel für ein Computerspiel, das Gefühle von Schuld bei seinen Rezipientinnen und Rezipienten auslösen soll, wurde anschließend emotional diskutiert. Dabei wurde nicht nur die Verbindung der Opferrolle mit dem Schuldbegriff kritisiert, auch das didaktische Potenzial wurde hinterfragt.

Natália Wiedmann (Filmuniversität Babelsberg) beschloss den zweiten Veranstaltungstag mit einem Vortrag zu zentralen Motiven des Tierfreundschaftsfilms, wobei die Inszenierung des ersten Blicks und der ersten Berührung im Mittelpunkt ihrer Ausführungen standen. Ausgehend von Jacques Derridas Das Tier, das ich also bin verknüpfte sie das Motiv des ersten Blicks mit einer kritischen Betrachtung gesellschaftlicher Mensch-Tier-Verhältnisse und lenkte den Blick auf die diskursiven Dimensionen des Motivs.

Den Auftakt des letzten Veranstaltungstages bildete der Vortrag Spiel als Wahrnehmungsmodus, Spiel als Motiv. Transmediale Perspektiven auf das Spiel-Motiv in Kindertheater und Literatur von Dr. Philipp Schmerheim (Universität Hamburg). Mithilfe unterschiedlicher literarischer und medialer Beispiele verdeutlichte Schmerheim die vielfältige typologische Verortung des Spiel-Motivs: So ist es beispielsweise in Michael Endes Momo als ein objektionales Motiv in Form der Spielzeugpuppe "Bibigirl" oder als lokales Motiv in Benoît Sicats theatraler Inszenierung Le jardin du possible auszumachen.

Ebenso wie Schmerheim betonte auch Sabrina Tietjen (Universität Bremen) die vielfältige typologische Zuordbarkeit transmedialer Motive und widmete ihren Vortrag "Wenn es kein Zurück mehr gibt, muss man unverzagt nach vorne blicken." Erfahrungsdimensionen des Labyrinthmotivs aus transmedialer Perspektive einem weiteren lokalen Motiv: dem Labyrinth. Ausgehend von der Typologie labyrinthischer Formen nach Umberto Eco, reflektierte Tietjen Labyrinth-Inszenierungen in Buch, Spiel und Film. Überlegungen zu methodisch-didaktischen Arrangements rundeten ihren Vortrag ab.

Nachfolgend wurden Möglichkeiten der Motivkombinationen zur Diskussion gestellt: So ist nicht nur die Verbindung von Labyrinth und Doppelgänger, auf die Tietjen in ihrem Vortrag verwies, in Literatur und Medien vielfach zu finden. Auch Verbindungen von Spiel-Motiv und dem Motiv der Zeitreise oder lokalen Motiven wie dem Jahrmarkt und dem Motiv der Schwelle als Übergang in eine Sekundärwelt – um nur einige Beispiele aufzugreifen –, sind in vielen Texten für Kinder und Jugendliche zu finden.

An diese Überlegungen schloss sich der letzte Vortrag Werwölfe und ihre transmedialen Verwandlungen von Dr. Volker Pietsch (Universität Hildesheim) an. Ebenso wie die oben genannten Beispielen tritt auch das Motiv des Werwolfes nicht selten in Kombination mit anderen auf. Der Fokus von Pietschs Vortrag lag jedoch insbesondere auf der medienspezifischen Gestaltung des Motivs, die an die Verwandlung zum Werwolf gebunden ist. Am Beispiel von Buch, Film und Hörbuch veranschaulichte Pietsch die vielfältigen Möglichkeiten der literarischen und medialen Gestaltungen dieser Verwandlung.

In seinem Schlusswort hob Kurwinkel die vielfältigen Perspektiven auf die Narratoästhetik und Didaktik transmedialer Motive in Kinder- und Jugendmedien, die innerhalb der Vorträge und Diskussionen eröffnet wurden, hervor. Sie alle bieten unzählige Impulse für weitere Forschungsarbeiten und Projekte.

Eine Veröffentlichung der Vorträge ist geplant.