Allgemeines

Die Brüder Löwenherz ist ein Roman aus dem Jahre 1973, der erstmals die Thematik des Todes in der Kinder- und Jugendliteratur behandelt (Lison 2010, S.119). In diesem Roman geht es um zwei Brüder: Karl oder auch Krümel genannt und seinen Bruder Jonathan. Krümel ist todkrank, und um ihn die Angst vor dem Tod zu nehmen, erzählt Jonathan ihm von dem Land Nangijala, wo man jeden Tag Abenteuer erlebt.

Handlung

Die Geschwister Jonathan und Krümel Löwe, so wird Karl liebevoll von seinem Bruder genannt, leben mit ihrer Mutter in einer Einzimmerwohnung. Krümel ist todkrank und hat Angst zu sterben, deshalb erzählt Jonathan ihm von dem Land, in dessen man nach dem Tod lebt und viele Abenteuer erlebt, Nangijala. Während eines Hausbrandes rettet Jonathan seinen Bruder, indem er ihn auf den Rücken nimmt und aus dem Haus springt. Er stirbt an seinen Verletzungen und aufgrund seiner Heldentat. Krümel tröstet sich mit der Vorstellung,  Jonathan lebe nun in Nangijala.

Als auch Krümel kurz darauf stirbt, treffen sich die beiden Brüder tatsächlich in diesem phantastichen Land wieder. Das Kirschtal, in dem die beiden leben, wird bedroht vom bösen Tyrann Tengil, der bereits das Heckenrosental eingenommen hat. Jonathan macht sich auf den Weg, das Böse zu besiegen und lässt Krümel zurück. Als Krümel Jonathan im Traum schreien hört, macht er sich auf die Suche nach seinem Bruder. Durch Zufall findet er ihn im Heckenrosental.

Es kommt es zu einer großen Schlacht zwischen Jonathan, Tengil und dem Drachen Katla. Die Schlacht entscheidet sich zu Gunsten Jonathans und Krümel, da es Jonathan gelingt ein Zauberhorn, welches Macht über den Drachen hat, zu erreichen. So tötet Katla Tengil und die zwei Brüder versuchen, den Drachen zurück in ihrer Höhle zu bringen. Auf dem Weg dorthin verliert Jonathan allerdings das Horn, und sie werden von Katla verfolgt. Während der Verfolgung stürzt der Drache in eine Schlucht, doch Jonathan wird zuvor vom Feuer Katlas getroffen, das eine lähmende Wirkung hat.

Um Krümel zu trösten, erzählt er vom Land Nangilima, wohin man nach seinem Leben in Nangijala gelangt. Dieses Mal nimmt Karl Jonathan auf den Rücken und springt in die Schlucht, um gemeinsam mit ihm in Nangilima zu leben.

Populärrezeption

Keins der Bücher von Astrid Lindgren wurde so stark kritisiert wie Die Brüder Löwenherz (Lison 2010, S.119). Dies lag an der Thematik des Todes, die in jener Zeit ein ungewöhnliches Thema in der Kinder- und Jugendliteratur war.  Ein weiterer Problemfaktor war das unbeliebt gewordene Genre Märchen. (Lison 2010, S.199ff). Im Gegensatz zu den Erwachsenen, waren viele kindliche Leserinnen und Leser jedoch begeistert von dem Buch. Viele Lesebriefe erreichten Lindgren. Unter anderem dieser:

„Es ist schwer, es in Worten zu auszudrücken, aber alles ist so wunderbar, grausam und schön.“ (Lison 2010, S.119)

Ein anderer Leserbrief von einem Mädchen namens Eva ist ebenfalls voller Lob und Begeisterung. Sie betont noch einmal den Spannungsfaktor der Geschichte und die Kontrastdarstellung von Gut und Böse, die typisch für Märchen sind. Sie schrieb Folgendes:

"Ich möchte dir so gern für dein wunderbares Buch Die Brüder Löwenherz danken! Ich möchte, daß du weißt, daß es das großartigste Buch ist, das ich in meinem 17jährigen Leben gelesen habe! Ich lese sehr viel, wie ich irgend kann, und dein Buch rührte mich wirklich. Es war sowohl spannend als auch herzensgut und so schrecklich und furchterregend." (Lison 2010, S. 151)

Astrid Lindgren führt häufig an, dass Erwachsene und Kinder Bücher unterschiedlich lesen und verstehen. Da viele Erwachsene empört über Darstellung des Todes in diesem Buch waren, sagte sie einmal:

"Ein erwachsener Leser hält es vielleicht für ein schreckliches und trauriges Buch, das nur von Tod und Elend handelt. Aber ein Kind findet das nicht. Kinder lesen das Buch als spannende Abenteuergeschichte von zwei Brüdern, die sich über die Maßen liebhaben und nur dann glücklich sind, wenn sie zusammen sein können, egal was geschieht […]." (Lison 2010, S.155)

Der Erfolg des Buches liegt an den unterschiedlichen Leseanreizen: der inhaltliche Aspekt wird geboten durch eine Heldensaga, das starke Band der Brüderliebe, der „Mutmachergeschichte“, die es ermöglicht, Ängste zu bewältigen und, wie bereits erwähnt, das Trostbuch. Astrid Lindgren hat durch ihren Schreibstil dazu beigetragen, dass dieses und andere Werke von ihr zu großen Erfolgen wurden:

„Astrid Lindgren vermag dem Leser mit einfachen Worten die gewagtesten Themen, hier ist es der Tod, nahe zu bringen und dadurch ihren Schrecken zu nehmen.“ (Lison 2010, S. 157)

Das Buch wurde trotz aller Kritik bereits 1979 mit dem Internationalen Janusz-Korczak-Preis (polnische Abteilung der IBBY) ausgezeichnet.

Wissenschaftliche Rezeption

Auch in der zeitgenössischen wissenschaftlichen Rezeption wurde Die Brüder Löwenherz scharf kritisiert. Nicht einmal Pippi Langstrumpf war so viel negativer Kritik ausgesetzt, wie es bei Die Brüder Löwenherz der Fall war (Strömstedt 2010, S. 298). Es begann mit dem Artikel einer Gruppe marxistischer Literaturwissenschaftlicher, der in Dagens Nyheter veröffentlicht wurde. In diesem hieß es:

„Es gibt Abenteuer, die dürfte es nicht geben“, hat Jonathan einmal gesagt, und es gibt tatsächlich Abenteuer, die es in einem Kinderbuch nicht geben dürfte.“ (Strömstedt 2010, S. 298)

In diesem Artikel wird das Tabu-Thema Tod behandelt. Als das Buch in den 1970er Jahren publiziert wurde, war Tod in dieser Form ein „verbotenes“ Thema eines Kinder – oder Jungendbuches. Außerdem wurde besonders kritisiert, dass die Problemlösung im Selbstmord angesehen wird (Strömstedt 2010, S. 300).

In Schweden zeigt die Diskussion nach Inger Lison ein typisches Problem der Kinder- und Jugendliteraturrezeption auf:

"Denn in Schweden hatte sich während der Auseinandersetzung um diesen Roman gezeigt, daß eine Diskrepanz entstanden war zwischen den Konsumenten der Kinderliteratur, den Kindern, und denen, die auf Grund sozialpädagogischen und politischen Ansichten genau zu wissen meinten, welche Bücher den Kindern welcher Schichten gemäß sind, welche sie gern lesen oder nicht verstehen sollten." (Lison 2010, S.119)

Zu damaligen Zeit fanden sich in Schweden viele Freiheitskämpfer zusammen, um sich an dem Befreiungskampf in der dritten Welt zu beteiligen. Die Tatsache, dass Astrid Lindgren diese Thematik in ihrem Märchen aufnahm, wurde als Verletzung der Befreiungsbewegung betitelt. Daneben stand die schwarz-weiß und gut-böse Zeichnung in Kritik, da sie die Kinder dazu verleiten könne, die Welt in zwei gegensätzliche Kategorien einzuteilen (Lison 2010, S. 154).

Oft stellte man sich die Fragen, ob es sich um ein „lebensverneinendes Buch“ handle, und ob es einen Selbstmord befürworte, wenn man in einer aussichtslosen Situation stecke. Der deutsche Schriftsteller Klaus Seehafer beantwortet die Fragen in dem Artikel Das Land jenseits der Idylle aus dem Jahre 1974 folgendermaßen:

"Eine Antwort der Frage liegt vielleicht in der Frage, warum wohl jemand Selbstmord begeht. Wenn er so unglücklich ist, daß er es tut, dann doch wohl nicht, um woanders hinzugelangen, sondern damit alles aus ist. Zu keinem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte hat es an tröstlichen Jenseitswelten gefehlt. Unsere ganze abendländische Kultur entwickelte sich aus einer Lehre, die auf solchen Vorstellungen fußt, ohne damit Selbstmordwellen ausgelöst zu haben […]." (Lison 2010, S.155)

Diese Annahme bestätigt die gewünschte Wirkung, die Astrid sich für ihr Buch gedacht hatte: ein Trostbuch.

Literatur

  • Fischer, Helmut: Astrid Lindgren: Brüder Löwenherz. Märchen und Wirklichkeit für jugendliche Lese. In: Astrid Lindgren. Rezeption in der Bundesrepublik. Hrsg. von Rudolf Wollf. Bonn: Bouvier, 1986.
  • Lison, Inger: Du kennst mich nicht und schreibst trotzdem genau, wie es mir geht. Erfolgreiche Rezeption in ausgewählten Werken Astrid Lindgrens. Frankfurt am Main: Lang, 2010 (= Germanistik - Didaktik - Unterricht, Band 4).
  • Strömstedt, Margareta: Astrid Lindgren. Ein Lebensbild. Hamburg: Oetinger, 2001.

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