Inhaltsverzeichnis

1.     Die drei ??? – ein All-Age/Crossover Phänomen? 

2.     Die drei ??? und der Super-Papagei (1979)

3.     Die drei ??? und der Fluch der Medusa (2021)

4.     Die drei ??? und das All-Age Phänomen 

Literaturverzeichnis

 

1. Die drei ??? – ein All-Age/Crossover Phänomen? 

Seit 1979 existieren die deutschsprachigen Hörspieladaptionen der drei ??? vom EUROPA Verlag, die viele Generationen bis heute noch faszinieren und prägen. Somit könnte die Hörspielserie als All-Age/Crossover Phänomen betitelt werden. Die Begriffe meinen grundsätzlich, dass sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene den gleichen literarischen Stoff rezipieren und die Botschaften graduell unterschiedlich in Abhängigkeit von etwaigen Vorerfahrungen der Rezipierenden verstanden werden können, wobei grundlegende Botschaften von allen verstanden werden (vgl. Blümer 2020: S.11; vgl. Ewers 2012: S.58; vgl. Bertling 2020: S. 23). Blümer 2020 stützt sich auf dem von Ewers 2012 geprägten Begriff der Mehrfachadressierung (vgl. Blümer 2020: S.10f.). Ewers unterscheidet zwischen mehrfachadressierter Literatur mit gleichlautender Botschaft oder verschiedenen Botschaften, wobei ersteres für die Untersuchung relevant scheint (vgl. Ewers 2012: S.66ff.). Blümer 2012 konstatiert, dass mehrfachadressierte Literatur mit gleichlautender Botschaft als ursprüngliche Kategorie nach Ewers mit dem Crossover Begriff gleichzusetzen ist (vgl. Blümer 2012).

Die nachfolgende Analyse soll die Primärgegenstände anhand der Kriterien des Kinder- und Jugenddetektivromans, der erzählten Räume als narrative Elemente (siehe hierzu: Raum), den handlungstragenden Figuren (siehe hierzu: Figuren) und den Erzählinstanzen (siehe hierzu: Erzählinstanz) beleuchten und Bezüge zum All-Age/Crossover Phänomen herstellen.

2. Die drei ??? und der Super-Papagei (1979)

Die drei Detektive befinden sich grundsätzlich in einer übersichtlichen Anzahl an Schauplätzen innerhalb ihrer Heimat Rocky Beach. Zwei wichtige Schauplätze sind zum einen der Schrottplatz, auf dem sich die Zentrale der drei Detektive befindet und zum anderen der Friedhof an der Baker Street. Durch die narrativen Elemente des Hörspiels werden beide Orte realistisch inszeniert. Die Zentrale, die auf dem Schrottplatz der Familie Jonas verortet ist, stellt für die drei ??? einen Raum zum Nachdenken, Kombinieren und Schlussfolgern dar. Allerdings bietet dieser erstens durch den Standort einen sicheren Rahmen für die Jugendlichen und zweitens wird die Abhängigkeit von Onkel Titus und Tante Mathilda deutlich. So wird der Zentrale der Charakter eines geheimen Treffpunktes von Kindern während des Spielens zugeschrieben.

Der Friedhof bildet einen konträren Schauplatz; Bobs Äußerungen markieren diesen als gruselig (vgl. Francis 1979: Teil 43/1:13 min.). Auch Peter benennt, dass die Nacht bereits einbricht. Der von Justus mehrfach erwähnte, immer dichter werdende Nebel und die Geräuschkulisse geprägt durch Eulenrufe und Schritte stärken den unheimlichen, düsteren Charakter des Ortes. Mit den Geschehnissen auf dem Friedhof, der Auseinandersetzung mit dem Antagonisten Victor Hugenay, Todesdrohungen und sehr deutlich durch Peters Äußerung, diesem den Schädel einschlagen zu wollen, birgt der Schauplatz Inhalte nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche und Erwachsene (vgl. Francis 1979: Teil 38/1:09 min.).

Das Figureninventar beschränkt sich nach Nusser auf eine überschaubare Anzahl (vgl. Nusser 2009: S.35). Allerdings werden sie nicht von Beginn an vorgestellt, sondern chronologisch innerhalb der Geschichte:

Zunächst sind die drei Detektive Justus, Bob und Peter als Hauptprotagonisten zu nennen. Der Fokus dieser Geschichte liegt besonders auf Justus Jonas als erster Detektiv. Dies wird an verschiedenen Stellen der Handlung deutlich: Justus scheint der Einzige der drei zu sein, der logische, scharfsinnige Rückschlüsse zieht und wichtige, fallrelevante Entdeckungen macht. Zudem ist Justus meist der überlegene Wortführer in Gesprächen mit anderen Figuren (vgl. Francis 1979: Teil 12/0:04 min.). So auch zu Beginn der Erzählung, in der er nach dem Zusammentreffen mit dem vermeintlichen Mr. Fentriss entdeckt, dass es keine Telefonleitungen gibt und sie bezüglich des Telefonates mit Mr. Hitchcock belogen wurden (vgl. ebd.: Teil 06/0:56 min.). Benannt werden sollte zudem, dass sich Justus im ersten Gespräch mit Mr. Fentriss nicht sicher ist, ob sie den Fall übernehmen sollten. So zieht er durch seine Zögerung scheinbar eine Grenze zwischen kindlicheren Fällen wie dem Verschwinden und Aufspüren von Tieren oder Gegenständen und ‚erwachseneren‘, d.h. gewaltvolleren oder schwerwiegenden Verbrechen wie Einbruch, Überfall und Fesselung, wie es Mr. Fentriss widerfahren ist (vgl. ebd.: Teil 08/0:59 min.). Es scheint, als bekäme der Fall dadurch eine für ihn größere Dimension, der die drei Detektive nicht gewachsen seien. Es werden mit der Annahme des Falles somit zwei Welten miteinander verbunden: die kindliche und die jugendliche.

Des Weiteren erkennt Justus zum späteren Zeitpunkt als einziger den Super-Papagei und erklärt auch den erwachsenen Figuren und Zuhörenden, weshalb er so besonders ist (vgl. ebd.: Teil 22/0:15min.). Hier kann exemplarisch dargestellt werden, wie Justus sich durch seinen Intellekt dominant und belehrend nicht nur gegenüber Bob und Peter, sondern auch gegenüber Erwachsenen verhält. Letzteres entspricht durchaus der Typologie des Kinder- und Jugendkrimis (vgl. Stenzel 2002: S.24).

Peter und Bob sind Figuren, die sich Justus meist unterordnen und wie Sidekicks nach Nusser verhalten (vgl. Nusser 2009: S.45). So stellen sie Nachfragen, während Justus Rückschlüsse zieht, um sie dann für sie, aber auch für die Zuhörenden zu erklären (Vgl. Francis 1979: Teil 34/0:00 min.). Dennoch werden beide Figuren durch ihre Handlungen charakterisiert und tragen zur Klärung des Falles bei. Auf dem Friedhof droht Peter Victor Hugenay, dass er ihn mit dem Rohr den Schädel einschlagen würde, dies betont er im Gespräch mit Bob und Justus nochmals. Hier droht er ganz explizit mit einer Gewalttat (vgl. ebd.: Teil 38/1:09 min.). Die Wortwahl, die Betonung und die wütend, frustriert klingende Stimme Peters suggerieren den Zuhörenden ein brutales Bild, das erwachsenere, weniger aber kindliche Rezipierende ansprechen dürfte. Zudem löst er durch das Zitieren des Spruches „Wie John Silver durch den Papagei Al Capone gesagt hat, da guckste‘ in die Röhre, was?“ (ebd.: Teil 38/0:31 min.) die spannungsgeladene Situation der Verfolgung Victor Hugenays mit Humor auf.

Das Trio übernimmt am Ende eine Vorbildfunktion und spiegelt das Wertesystem der Diegese für die Rezipierenden wider, denn sie wollen die Belohnungssumme, die von Mr. Claudius für das Finden des Bildes ausgesetzt wurde, an Carlos und Ramos spenden, da diese arm und Ramos krank sind (vgl. ebd.: Teil 40/0:08 min.). Dem kann wiederrum ein erzieherischer Charakter entnommen werden.

Eine wichtige Figur stellt Morton der Chauffeur dar; so übernimmt er mit dem Rolls Royce für die drei ??? die Funktion der Bewegung im Raum Rocky Beach (vgl. ebd.: Teil 06/0:00 min.). Dadurch sind sie allerdings auch an eine erwachsene Figur gebunden, was die kindliche Abhängigkeit von Erwachsenen verdeutlicht. Zudem übernimmt Morton stellenweise die Funktion einer Aufsichtsperson, die Sicherheit gewährleistet; in heiklen Situationen hilft er den drei Detektiven, so auch während der Flucht vor Victor Hugenay auf dem Friedhof (vgl. ebd.: Teil 39/0:50 min). Dies wird durch Peters Aussagen, durch die er auf dem Friedhof als ein sehr ängstlicher Jugendlicher beschrieben wird, hervorgehoben: er hätte Morton oder die Polizei gerne an ihrer Seite gehabt (vgl. ebd.: Teil 38/0:39 min.). Er äußert sehr deutlich das Bedürfnis nach Schutz durch eine erwachsene Figur, die dem kindlichen Bedürfnis entspricht.

Mr. Claudius stellt bis zu einem gewissen Punkt der Handlung den vermeintlichen, gefährlichen Gegenspieler der drei Fragezeichen und die falsche Fährte nach Nusser dar (vgl. Nusser 2009: S.27). Aufgrund der Bedrohung zu Beginn der Handlung wird erst eine lebensgefährliche Situation suggeriert; weder die Zuhörenden, noch die drei Detektive wissen, dass Mr. Claudius keine echte Waffe in der Hand hat, sondern ein Gasfeuerzeug. An dieser Stelle spielt das Hörspiel bewusst mit der Bedrohung und dem Tod der drei kindlichen Helden. Allerdings durchlebt Mr. Claudius einen Wandel, nachdem er erfährt, dass die drei Detektive nicht für Victor Hugenay arbeiten und bittet sie um Hilfe. So stellt auch er neben Mr. Fentriss eine erwachsene Figur dar, die auf die Hilfe von Kindern angewiesen ist. An dieser Stelle entspricht auch sein Verhalten der Typologie des Kinder- und Jugendkrimis (vgl. Stenzel 2002: S.24).

Nicht nur die Figuren, sondern auch die Erzählinstanzen erfüllen in dem Hörspiel verschiedene Funktionen. Zunächst berichten sie vom Handlungsablauf, Emotionen der Figuren, oder erklären bspw. den Zuhörenden Gegebenheiten wie den Gewinn der kostenlosen Rolls Royce Fahrten samt Chauffeur. Hervorzuheben ist, dass die extradiegetische Erzählinstanz dieses Hörspieles meist die Zuhörenden mit rhetorischen Fragen oder Fragen nach der Meinung der Zuhörenden anspricht (vgl. ebd.: Teil 10/1:11 min.). Diese Funktion hilft, den Zuhörenden zum einen die bisherigen Schlussfolgerungen aufzuzeigen und gleichsam zum Weiterdenken anzuregen um den Fall vermeintlich gemeinsam mit den drei Detektiven lösen zu können. Dies hilft vor allem jüngeren Zuhörenden, die Handlung nachzuvollziehen. Die Geschichte bekommt so den Charakter eines Mitrate-Krimis (vgl. Lange 2002: S.14). Allerdings wird im Gegensatz zur klassischen Detektivgeschichte in dieser Geschichte der eigentliche Gegenspieler Victor Hugenay erst im letzten Drittel durch die Erzählung von Mr. Claudius eingeführt. Die Zuhörenden haben somit keine Chance den Fall bis zu dem Zeitpunkt zu lösen: hier bricht die Geschichte mit der Typologie des Krimis, denn das relevante Figureninventar wird nicht von Beginn an vorgestellt. 

Erzählinstanz: „Ich ahne bereits, dass Justus nicht nur nach dem Papagei, sondern auch noch nach etwas anderem fahnden will. Warum wohl? Weil der Papagei so seltsam gebildet spricht. Errare Humanum est. Aber ein rechter Detektiv riskiert es auch mal zu Ehren. Er setzt seinen Ehrgeiz die Wahrheit ans Licht zu bringen. Justus und Peter verließen Mr. Fentriss. Sie wollten in den Rolls Royce steigen, doch da sahen sie eine Dame, die offenbar etwas sucht.“ (Francis 1979: Teil 10/1:13 min. & Teil 11/0:00 min)

Nach einer musikalischen Einblendung, die einen Zeitsprung darstellt, setzt die heterodiegetische Erzählinstanz ein. Sie gibt durch eine Kommentierung, die unter anderem mithilfe einer direkten Ansprache an die Zuhörenden gestaltet wird, Einblick in Justus‘ Gedanken um den Zuhörenden die Handlungsschritte verständlich zu machen. Gleichzeitig charakterisiert sie Justus mit einer direkten Beschreibung als ehrgeizig und gibt gleichzeitig Aufschluss über die Wertvorstellung der Figur: die Wahrheit muss ans Licht gebracht werden (vgl. ebd.: Teil 11/0:10 min.).

3. Die drei ??? und der Fluch der Medusa (2021)

Die erzählten Räume spielen auch in dieser Geschichte eine wichtige Rolle. Da die Folge eine der aktuellsten ist, hat sich die Zentrale auf dem Schrottplatz als Rückzugs- und Nachdenkort der drei ??? etabliert. Hier können sie mithilfe verschiedenster Instrumente, hier u.a. dem PC und dem Internet, autonom zu dem Fall recherchieren, kombinieren, Schlussfolgerungen ziehen und das weitere Vorgehen planen. Erwachsene haben keinen Zutritt zur Zentrale, so ähnelt sie weiterhin dem kindlichen Geheimversteck. Gleichzeitig fungiert der Schrottplatz als Raum der Erziehung, der alltäglichen Pflichten, denen die Jugendlichen nachkommen müssen (vgl. Minninger 2021: Teil 08/0:00 min.). So unterstützen die drei Detektive Titus zu Beginn der Erzählung bei einer Haushaltsauflösung (vgl. ebd.: Teil 01/0:12 min.) und auch zwischendurch werden sie von Titus gebeten, Aufgaben zu erledigen (vgl. ebd.: Teil 07/2:55 min.). Aufgrund der Erfüllung der Pflichten dienen die drei Figuren hier als positives Vorbild für kindliche und jugendliche Zuhörende (vgl. ebd.: Teil 08/0:00 min.). Der Raum wird durch verschiedene Geräusche, wie das der Kreissäge oder des Hämmerns, belebt und trägt die Botschaft so an die Rezipierenden weiter (vgl. ebd.: Teil 11/2:35 min.). Die Villa der Buchanans spiegelt die Erwachsenenwelt wider; in ihr findet eine Wahlparty statt, ausschließlich mit erwachsenen Gästen, untermalt mit klassischer Klaviermusik (vgl. ebd.: Teil 22/1:45 min.). Durch das „Verkleiden“ der drei Detektive findet eine Annäherung an die Erwachsenenwelt statt. Es ist nötig, sich der Erwachsenenwelt anzupassen, da sie sonst nicht an das in der Skulptur der Medusa versteckte Tonband gelangen, das zur Lösung des Falles essentiell ist (vgl. Minninger 2021: Teil 22/0:15 min & 2:15 min). 

Auch in dieser Folge beschränkt sich das Figureninventar im Sinne des Detektivromans auf eine geringe Anzahl an Figuren (vgl. Nusser 2009: S. 35). Als Hauptprotagonisten sind Justus, Peter und Bob in allen Szenen zu hören, was zur Folge hat, dass die Zuhörenden weitere Figuren gemeinsam mit den drei Detektiven kennenlernen, ihre Gedankengänge nachverfolgen und nicht mehr wissen, als die Figuren selbst.

Justus wird mithilfe verschiedener Elemente intelligent inszeniert. Zum Beispiel löst er das Schlüsselrätsel, das durch Mr. Carmichael gestellt wird. So trägt er essentiell zur Lösung des Rätsels bei (vgl. Minninger 2021: Teil 07/0:30 min.). Nur aufgrund seiner Logik sind die anderen Figuren in der Lage, das Rätsel mit ihm zu lösen. Zudem zieht er für die Lösung des Falles zentrale Schlussfolgerungen (vgl. ebd.: Teil 13/2:35 min.). Des Weiteren wird er als überheblich dargestellt: die drei Detektive hätten bisher noch nie etwas vermasselt. Peter holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück, indem er ihn daran erinnert, dass immer das erste Mal sein könne (vgl. ebd.: Teil 08/0:25 min.). Dennoch wird Justus während der Beobachtung des Bootshauses durch Bob als Chef bezeichnet (vgl. ebd.: Teil 08/1:58 min.). Justus kommentiert den Einbruch von Peter und Bob in Mrs. Delaney‘s Wohnung mit einem Seufzen und den Worten „Ihr habt was…? Leute, das ist…“ (vgl. ebd.: Teil 20/0:20 min.). Für ihn scheint es unmoralisch, was nicht verwundert, denn als Detektiv begeht man in der kindlichen, naiveren Welt keine kriminellen Handlungen. Dies stellt sein Wertesystem in Frage und hat für Zuhörende gleichzeitig eine erzieherische Funktion: sind kriminelle Handlungen gerechtfertigt, wenn dadurch andere kriminelle Taten aufgeklärt werden? Durch die stimmliche Wertung von Justus könnte eine verneinende Meinung wahrgenommen werden. Hier werden Zuhörende indirekt mit Wertfragen konfrontiert, die mit dem Schwarz-Weiß-Denken brechen und dementsprechend nicht eindeutig beantwortet werden können. Die Zuhörenden können eine eigene Bewertung vornehmen, die je nach Verständnis von komplexen Zusammenhängen anders ausfallen wird.

Peter und Bob werden ebenfalls als intelligent und aufmerksam dargestellt. Dies geschieht durch verschiedene Schlussfolgerungen und Beobachtungen, die Justus nicht getätigt hat (vgl. ebd.: Teil 04/1:05 min.). Zudem werden Peter und Bob Fähigkeiten zugesprochen, die dem Detektivtrio helfen. So ist Bob in der Lage ein Auto zu fahren, was die autonome Bewegung im Raum Rocky Beach und der weiteren Umgebung ermöglicht (vgl. ebd.: Teil 08/0:59 min.). Zusätzlich wird er seiner Aufgabe, den Recherchen und dem Archiv, gerecht; er bringt fallrelevante Informationen ins Gespräch, so auch die über die Giftmüllentsorgung in Alaska, die letztlich von Mr. Buchanan vertuscht werden soll (vgl. ebd.: Teil 11/2:50 min.). Des Weiteren wird Peter als trickreicher Detektiv dargestellt, er überlistet den unbekannten Mann durch eine gewaltlose Tat, indem er die Briefe vertauscht und so die Detektion voranbringt (vgl. ebd.: Teil 02/0:50 min.). Für die Zuhörenden kann hier eine Vorbildfunktion vorliegen: auf Gewalt muss nicht mit Gegengewalt reagiert werden. Die beeindruckten Kommentare von Justus und Bob untermauern dies (vgl. ebd.: Teil 02/1:00 min.). Zum Ende des Hörspieles hin, als die drei Detektive die Wahlparty in der Villa betreten, die mit klassischer Klaviermusik dargestellt wird, äußert Peter, dass er sich in Anzug, mit Pomade hergerichteten Haaren wohlfühlt, sie sehen laut ihm großartig aus (vgl. ebd.: Teil 22/2:04 min.). Er zeigt hier eine Annäherung an die Erwachsenenwelt, die für Kinder möglicherweise schwer nachzuvollziehen ist, gleichzeitig wird dies auch als Verkleidung betitelt, wodurch Kindern kein Nachteil im Verständnis der Situation entsteht.

Zu Beginn der Narration eskaliert die Beobachtung einer zunächst unbekannten Figur; aufgrund der Konfrontation mit dem Diebstahl durch die drei ??? droht diese Figur den drei Detektiven mit einem Springmesser die „erste und letzte Rasur ihres Lebens“ an (vgl. ebd.: Teil 01/2:55 min.). Der Grad an Gewalt wird an dieser Stelle deutlich, denn das Trio schwebt für kurze Zeit in Lebensgefahr. Dementsprechend machtlos sind die drei Detektive auch in der direkten Auseinandersetzung mit ihm. Hier werden die Zuhörenden mit jugendlicher Naivität konfrontiert; Bob äußert, dass er niemals gedacht hätte, dass die Begegnung so eskaliert (vgl. ebd.: Teil 02/0:22 min.).

Im Verlauf der Geschichte wird die Figur Gravedigger im Bootshaus eingeführt. Während diese für jüngere Rezipierende lediglich verrückt und lächerlich inszeniert wird (vgl. ebd.: Teil 09/0:00 min.), wird für Ältere deutlich, dass es sich in erster Linie um eine überzeichnete Figur eines Verschwörungstheoretikers handelt. So bietet der Name der Figur „Gravedigger“ (engl. „Grabschaufler“) eine Wertung, die lediglich von Rezipierenden verstanden werden kann, welche die englische Sprache beherrschen. Er spricht von der CIA, von Außerirdischen und abergläubischen Gegebenheiten, wie das Überwerfen einer Jacke über das Auge des Außerirdischen (wie Justus feststellt, handelt es sich um eine Webcam), das ihn beobachten würde (vgl. ebd.: Teil 09/1:30 min.). Es kann demzufolge von einer Mehrfachadressierung gesprochen werden; erwachsene bzw. ältere Rezipierende können größere Zusammenhänge wie die Kritik an Verschwörungstheoretiker:innen erkennen, ohne dass es gleichzeitig das Verständnis der Handlung der Jüngeren verhindert (vgl. Blümer 2020, S.10f.).

Durch die Figuren Jojo und seiner Mutter Mrs. Carmichael wird der Eltern-Kind Konflikt thematisiert. So darf Jojo das Trio aufgrund der Gefahr nicht begleiten. Zudem hält Mrs. Carmichael bestimmte Informationen zurück, damit Jojo nicht zu sehr um seinen Vater besorgt ist (vgl. Minninger: Teil 06/2:30 min.). Im weiteren Verlauf der Handlung zeigt Jojo ein rebellisches Verhalten: Er möchte sich den Regeln seiner Mutter widersetzen, indem er äußert, dass die Regeln nur bis zum Vortag gegolten haben, nicht aber zur erzählten Zeit (vgl. ebd.: Teil 14/0:55 min.). In dieser Szene werden die drei ??? durch ihr Verhalten deutlich in Kontrast zur kindlicheren Welt gesetzt, denn sie geben Mrs. Carmichael recht und kommentieren sein Verhalten mit Seufzern (vgl. ebd.: Teil 14/1:04 min.). Auch betrachtet Jojo die Tätigkeiten der drei Detektive als Spiel (vgl. ebd.: Teil 14/1:06 min.). Durch diese Aussage wird der Kontrast noch einmal mehr verstärkt.

Wird die heterodiegetische Erzählinstanz in den Blick genommen, kann festgestellt werden, dass sie – anders als im Super-Papagei – vor Beginn der eigentlichen Handlung den Klappentext in einem separaten Kapitel vorliest. Zudem beschreibt sie in dem Hörspiel die Handlung der Figuren, den Raum und das Empfinden der Figuren (vgl. ebd.: Teil 14/1:45 min.). Auffällig ist, dass die heterodiegetische Erzählinstanz in dieser Folge die Zuhörenden nicht direkt anspricht und keine Gedankenunterstützung wie im Super-Papagei bietet. Des Weiteren lebt das übrige Hörspiel von den Dialogen zwischen den einzelnen Figuren, den intradiegetischen Erzählinstanzen. Sie bieten durch die deskriptive Sprache weitere Informationen zu Handlung, Raum, Gegenständen und Gedanken. Dies unterstützt die Fokussierung auf den narrativen Charakter des Hörspiels, dem Erzählen einer Geschichte.

4. Die drei ??? und das All-Age Phänomen (Fazit)

Im direkten Vergleich beider Hörspiele offenbart sich die Entwicklung der Detektive – von Kindern zu adoleszenten Figuren: Die drei Detektive werden zunehmend autonomer, Figuren wie Morton, die zunächst die Bewegung im Raum (in und außerhalb von Rocky Beach) ermöglicht und Sicherheit geboten hat, obsolet. Die Abenteuer stellen somit eine Art Bindeglied zwischen dem eher kindlichen Wiederbeschaffen von Tieren und Gegenständen und der jugendlichen/erwachseneren Welt, in der es zu gewalttätigeren Handlungen kommen kann, dar. Gleichzeitig lässt das Weglassen der direkten Anrede der Rezipierenden durch die extradiegetische Erzählinstanz den Schluss zu, dass das Hörspiel bzw. die Hörspielserie den Zuhörenden durchaus komplexeres Denken und Erfassen von relevanten Informationen zutraut und somit vielmehr Jugendliche und Erwachsene bzw. erfahrenere Rezipierende adressiert, Kinder bzw. weniger erfahrene Rezipierende diese dennoch verstehen können.

Die Folgen bieten für Kinder und Jugendliche aufgrund der fiktionalen Darstellung eines realistischen Settings eine Art Erprobungsraum. In ihm können sie als Ingroup des Trios Erfolge und Misserfolge erleben sowie zugleich durch die Handlungen der Figuren erzieherisch angestrebte Werte rückschließen. Gleichsam werden Leerstellen in Bezug auf Wertfragen mithilfe von Figurenhandlungen eröffnet, die je nach Erfahrung der rezipierenden Person unterschiedlich beantwortet werden können, wobei dies dem Verständnis der Botschaft nicht hinderlich ist (vgl. Blümer 2020, S.10f.). 

Die drei ??? können somit anhand der beiden untersuchten Folgen zurecht als All-Age- bzw. Crossover Phänomen bezeichnet werden. Auf verschiedenen Ebenen werden Elemente und Inhalte deutlich, die verschiedene Altersgruppen ansprechen und demnach mehrfachadressiert und graduell unterschiedlich verständlich sind.

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Francis, H. G. (1979). Die drei ??? und der Super-Papagei. Heikedine Körting (Regie). Spotify. EUROPA. Spotify, 52:24. Online verfügbar unter: https://open.spotify.com/album/4N9tvSjWfZXx3eHKblYEWQ?si=ajXNbNyGQwqH0GerTOPOUQ

Minninger, André (2021). Die drei ??? und der Fluch der Medusa. Heikedine Körting (Regie). EUROPA, 75:00. Online verfügbar unter: https://open.spotify.com/album/4BZfSV9maCil4l4yftT74F?si=FsDQIm_ZQy2zVHB-UgRc6g

Sekundärliteratur

Bertling, Maria (2016). All-Age-Literatur. Die Entdeckung einer neuen Zielgruppe und ihrer Rezeptionsmodalitäten. Wiesbaden, Springer Fachmedien Wiesbaden.

Blümer, Agnes (2012). Crossover/All-age-Literatur. In: KinderundJugendmedien.de.Erstveröffentlichung: 01.11.2012. (zuletzt aktualisiert am: 08.04.2022

Blümer, Agnes (2020). Crossover-Literatur. In: Tobias Kurwinkel/Philipp Schmerheim (Hg.). Handbuch Kinder- und Jugendliteratur. Berlin, J.B. Metzler Verlag, 9–13.

Ewers, Hans-Heino (2012). Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung in Grundbegriffe der Kinder- und Jugendliteraturforschung. 2. Aufl. Paderborn, Wilhelm Fink.

Josting, Petra (Hg.) (2002). Auf heißer Spur in allen Medien. Kinder- und Jugendkrimis zum Lesen, Hören, Sehen und Klicken 13. Weinheim, Juventa-Verl.

Lange, Günther (2002). Krimi. Analyse eines Genres. In: Auf heißer Spur in allen Medien. Kinder- und Jugendkrimis zum Lesen, Hören, Sehen und Klicken 13, 7–20. Hg. v. Petra Josting. Weinheim, Juventa-Verl.

Nusser, Peter (2009). Der Kriminalroman. 4. Aufl. Stuttgart/Weimar, Verlag J.B. Metzler.

Stenzel, Gudrun (2002). Spannung pur zwischen zwei Buchdeckeln. Kinder- und Jugendkrimis der Jahrtausendwende. In: Auf heißer Spur in allen Medien. Kinder- und Jugendkrimis zum Lesen, Hören, Sehen und Klicken 13, 21–37. Hg. v. Petra Josting. Weinheim, Juventa-Verl.