Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen: Die Bedeutung des Fernsehens als Medium für Kinder und Jugendliche
2 Das Nachkriegsfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland
3 Die Sesamstraßenrevolution der 1970er Jahre
4 Einführung des Privatfernsehens ab den 1980er Jahren
5 Kinderfernsehen im Medienverbund

Fernsehen gehört zu den wichtigsten Medien für Kinder und Jugendliche

Zugleich nimmt die Bedeutung der Institution Kino stetig ab. Bei Kindern zwischen sechs und 13 Jahren ist das Fernsehen empirischen Untersuchungen zufolge zusammen mit Computerspielen sogar das beliebteste Medium (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2010, S. 15). Durch die zunehmende Medienkonkurrenz nimmt der Stellenwert des Fernsehens jedoch kontinuierlich ab (vgl. Möbius 2008, S. 464 f.). 91 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren sehen regelmäßig fern, wobei die subjektive tägliche Nutzungsdauer geschlechter- und altersgruppenübergreifend bei 111 Minuten liegt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, S. 25). Dennoch interessiert sich noch im Jahr 2011 knapp die Hälfte der Befragten für Kino bzw. Filme (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2011b, S. 9) – einer der höchsten Werte für mediale Lebensbereiche.

Das Fernsehen ist auch aufgrund seiner relativen Zugänglichkeit durch die flächendeckende Verbreitung von Bildschirmmedien in deutschen Haushalten eines der Medium, mit dem Kinder am frühesten in Kontakt treten (neben Bilderbuch, Hörbuch und Radio). Ebenso prägen im Fernsehen ausgestrahlte Spielfilme, Serien und andere Sendungen den kindlich-jugendlichen Filmgeschmack entscheidend mit, auch weil der heimische Bildschirm – und nicht das Kino – zumindest in quantitativer Hinsicht der hauptsächliche Rezeptionsort für Kinder- und Jugendfilme ist.

a name="rezeptionsbedürfnisse""Das Fernsehen kann sich an kindliche Rezeptionsbedürfnisse anpassen

Im Vergleich zum weitgehend auf abendfüllende Formate ausgelegten Kino lässt sich das Fernsehangebot für Kinder und Jugendliche flexibler und präziser an die Rezeptionsbedürfnisse ihrer Zielgruppen anpassen. Dazu tragen drei Faktoren bei: Erstens stehen den Programm-Machern eine Vielzahl von Sendeplätzen mit unterschiedlichen Laufzeiten zur Verfügung. Dadurch können die Wahrnehmungspräferenzen der jeweiligen intendierten Altersgruppe passgenau berücksichtigt werden. So sind Serienformate im Kinderprogramm in der Regel ca. 26 Minuten lang, tendenziell episodisch strukturiert und überfordern durch eher einfach gehaltene Erzählmuster das Filmverstehen von Kindern im Vorschul- und Primarstufenalter nicht.

Zweitens erlaubt die Fernsehauswertung die Durchmischung von fiktionalen und non-fiktionalen Sendekonzepten, wie etwa die an Kinder im Vorschulalter adressierten Wissens- und Unterhaltungssendungen Die Sendung mit der Maus (seit 1971) und Sesamstraße (seit 1968) oder die Kindernachrichtensendung LOGO! (seit 1988) zeigen. Aus medienpädagogischer Sicht kommt noch ein dritter Faktor hinzu: Da Fernsehsendungen überwiegend im Elternhaus rezipiert werden, können Eltern die Mediennutzung besser steuern und über diese mit ihren Kindern sprechen.

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Screenshot LOGO!-Homepage

Fernsehsendungen auch für Kleinkinder

Nur wenige Kinderfilme sind spezifisch an Vorschul- und Kleinkinder adressiert. Demgegenüber gibt es im Kinderfernsehen viele derartige Sendeformate: neben den bereits genannten Sendungen Sesamstraße und Die Sendung mit der Maus z. B. die unter Medienexperten kontrovers diskutierten Teletubbies (1997-2001) oder die Mitmach-Serie JoNaLu (2010), deren tierische Hauptfiguren ihre kindlichen Zuschauer direkt ansprechen und zum Mitmachen auffordern. Serien für Vorschulkinder wie Feuerwehrmann Sam (1998-2005) oder Bob, der Baumeister (seit 1999) nutzen einfache Geschichten, um den kindlichen Rezipienten nebenbei Wissen zu vermitteln – etwa über "Sicherheit und Gefahren im Alltag" (Toggolino, 2012).

Seit 2005 operiert in Deutschland auf Sendefrequenzen und über Internet-Abonnement auch der global agierende Spartensender Baby TV, dessen Programm laut Selbstaussage die frühkindliche Entwicklung fördern soll. Experten stehen dem Sendekonzept jedoch sehr kritisch gegenüber und bezweifeln den behaupteten kognitiven Lerneffekt (vgl. Merz 2007).

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Screenshot Baby TV-Homepage

Daily Soaps und Castingshows haben ein jugendliches Publikum

Eher an Jugendliche bzw. junge Erwachsene richten sich Daily Soaps im Vorabendprogramm wie Gute Zeiten, schlechte Zeiten (seit 1992), Marienhof (1992-2011) oder Verbotene Liebe (seit 1995). Sehr populär sind zudem im Abendprogramm laufende Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar (seit 2002) oder The Voice of Germany (seit 2011) sowie zahlreiche Scripted-Reality-Sendungen, die vorzugsweise im Nachmittagsprogramm der Privatsender laufen.

An Kinder im Primar- und frühen Sekundarstufenstufenalter richten sich wiederum Zeichentrickserien wie Biene Maja (seit 1976, neue Serie in 3D ab 2013), Bibi Blockberg (seit 1996), Clubsendungen wie Der Tigerenten-Club (seit 1996) oder Nachrichten- oder Wissensformate wie LOGO! oder Wissen macht Ah!. Gerade Serienformate erreichen eine hohe Rezipientenbindung, weil die einzelnen Folgen in regelmäßigen Abständen ausgestrahlt werden und die gesamte Serie sich über einen langen Zeitraum erstreckt. Durch diese Regelmäßigkeit und Langlebigkeit lassen sich Serien einfach in den Lebensalltag integrieren.

Das Internet forciert die Ausdifferenzierung in Altersgruppen

Diese Ausdifferenzierung der Altersgruppen ist deutlich an der Internetseite kikaplus.net erkennbar, der Internetseite des von ARD und ZDF betriebenen Kinderfernsehsenders, die Programminformationen, Livestreams und eine Mediathek mit ausgewählten Sendungen vorhält. Bereits auf der Startseite kann man zwischen Sendungen für Kinder ab drei, sechs und zehn Jahren wählen. Die Sendungen für Vorschulkinder werden auf einer eigenen Seite, kikaninchen.de, gehostet, deren Aufmachung und Benutzerführung an die Rezeptionsbedürfnisse dieser Altersgruppe angepasst sind. So lässt sich auch die Laufzeit der Sendung von den Eltern individuell anpassen. (Die Internetseiten des Kinderprogramms der ARD werden auf http://www.ard.de/kinder/ gebündelt; das Pendant des ZDF findet sich auf http://www.tivi.de.)

 


Literatur:

(Dieser Text wurde ursprünglich veröffentlicht in: Tobias Kurwinkel/Philipp Schmerheim (2013): Kinder- und Jugendfilmanalyse. Konstanz und München: UVK (= UTB 3885), Kapitel 1.3, Exkurs: Fernsehprogramme für Kinder und Jugendliche. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)