Titel des Projekts/Title: Lyrische Stimmen in Gedichten von Primarschüler*innen. Eine explorativ-rekonstruktive Studie zu Perspektiven von Primarschüler*innen auf (aktuelle) Gesellschafts-und Weltgeschehnisse

VerfasserIn/Author: Raila Karst (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Sprache/Language: Deutsch

Art des Projekts/Type: Dissertation

Projektlaufzeit/Duration: 2019-2024

Universität/University: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Keywords: Lyrik, Lyrikdidaktik, Polyphonie

 

Beschreibung/abstract:

Das hier konzipierte Forschungsprojekt untersucht die lyrische Produktivität von Kindern anhand eines ausgewählten Textkorpus aus dem Archiv für Kindertexte "Eva Maria Kohl" der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Datengrundlage besteht aus Einsendungen zum Schreibaufruf "unzensiert und unfrisiert" des Friedrich-Bödecker-Kreises von 1993 bis 2019. Dabei wird besonders auf den Modus der Stimmen in Schüler*innengedichten und die Haltungen zu gesellschaftspolitischen Ereignissen und dem gesellschaftlichen Wandel in politischen Gedichten von Schüler*innen konzentriert, um einen Beitrag zur aktuellen grundschulspezifischen deutschdidaktischen Diskussion zu leisten. Nach einer Analyse konzeptioneller Entwicklungslinien der Lyrikdidaktik, wird die Entwicklung der lyrischen Produktivität von Kindern anhand des beschriebenen Textkorpus untersucht und geprüft, inwiefern sich hier eventuelle Zusammenhänge zeigen.

Um zu rekonstruieren, wie sich das literarische Schaffen von Schüler*innen, insbesondere im Bereich der Lyrik, über die genannte Zeitspanne verändert, werden mittels einer computergestützten qualitativen Inhaltsanalyse Formen, Themen, Modi und die daraus resultierenden Haltungen in den selbst geschriebenen Gedichten der Schüler*innen betrachtet. Die Ergebnisse sollen Erkenntnisse über die Artikulation gesellschaftlicher Veränderungen liefern und zeigen, wie Schüler*innen relevante Themen in ihrer Lyrik zum Ausdruck bringen. Dabei wird angenommen, dass diese Entwicklung auf gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen ist, die sich sowohl in der Pädagogik (Heinzel, 2000) als auch im literarischen Feld (vgl. Bourdieu, zit. n. Jurt 1997) manifestieren. Ziel ist es, herauszufinden, wie Primarschüler*innen über einen längeren Zeitraum hinweg für sie relevante Themen in ihren selbst verfassten Gedichten artikulieren und verhandeln. Die Veränderungen im literarischen Schaffen von Kindern, insbesondere im Bereich der Lyrik, scheinen gesellschaftliche Entwicklungen zu spiegeln, die sowohl in der Pädagogik als auch im literarischen Feld erkennbar sind. Besonderes Augenmerk wird dabei exemplarisch auf politische Gedichte gelegt, die als Verarbeitung kindlicher Welterfahrung zu betrachten sind und dadurch Einblicke bieten, wie sich Kinder zu ihrer erlebten Umwelt ins Verhältnis setzen. Damit können sie als ein Indikator untersucht werden, wie Kinder an gesellschaftspolitischen Themen partizipieren.

Der Textkorpus (n=2333) wird zunächst einer Formen- und Themenanalyse unterzogen, um anschließend anhand der ausgewählten Kategorie Politik (n=109) die Haltungen bzw. das Maß an Partizipation der Schüler*innen zu rekonstruieren. Um dies zu realisieren, wird das Konzept der Polyphonie von Michail Bachtin (1979) herangezogen, welches v.a. durch Schönert und Hühn (2007) in die Lyrik übertragen wurde. Dabei wird untersucht, wie die Autor*innen in den "Stimmen der Kinder" für sie relevante Themen artikulieren, die Hinweise auf mögliche Veränderungen hinsichtlich kindlicher Partizipation und die erlebte Rolle innerhalb der Gesellschaft verdeutlichen. Mittels einer narratologischen Lyrikanalyse nach Hühn und Schönert (vgl. ebd, 2017) münden die Ergebnisse abschließend in narrativen Textanalyse zu repräsentativen Gedichten, um ausgehend vom "Kind als sozialen Akteur" (Heinzel 2000) gedanklich zu modellieren, wie Gedichte im Deutschunterricht der Grundschule neben der literarischen auch zur Demokratiebildung beitragen können.

 

The research project designed here investigates the lyrical productivity of children on the basis of a selected corpus of texts from the Archive for Children's Texts "Eva Maria Kohl" at the Martin Luther University Halle-Wittenberg. The data basis consists of submissions to the Friedrich Bödecker Circle's writing call "unzensiert und unfrisiert" (uncensored and unrefrised) from 1993 to 2019, focusing particularly on the mode of voices in pupils' poems and the attitudes to socio-political events and social change in pupils' political poems in order to contribute to the current discussion on German didactics specific to primary schools. After an analysis of conceptual lines of development in poetry didactics, the development of children's lyrical productivity is examined on the basis of the described text corpus and the extent to which possible connections are revealed here.

In order to reconstruct how the literary creativity of pupils, especially in the field of poetry, changes over the aforementioned period of time, forms, themes, modes and the resulting attitudes in the pupils' self-written poems will be examined by means of a computer-assisted qualitative content analysis. The results will provide insights into the articulation of social change and how students express relevant issues in their poetry. It is assumed that this development can be traced back to social changes that manifest themselves both in pedagogy (Heinzel, 2000) and in the literary field (cf. Bourdieu, cited in Jurt 1997). The aim is to find out how primary school students articulate and negotiate themes relevant to them in their self-written poems over a longer period of time. The changes in children's literary creativity, especially in the field of poetry, seem to reflect social developments that are recognisable both in pedagogy and in the literary field. Special attention is paid to political poems as examples, which can be seen as a processing of children's experience of the world and thus offer insights into how children relate to their experienced environment. Thus, they can be examined as an indicator of how children participate in socio-political issues.

The text corpus (n=2333) is first subjected to a form and topic analysis in order to then reconstruct the attitudes or the degree of participation of the pupils on the basis of the selected category of politics (n=109). In order to realise this, the concept of polyphony by Mikhail Bakhtin (1979) is used, which has been transferred to poetry, especially by Schönert and Hühn (2007). The study examines how the authors articulate themes relevant to them in the "Voices of the Children", which provide indications of possible changes in children's participation and their experienced role within society. By means of a narratological poetry analysis according to Hühn and Schönert (cf. ibid., 2017), the results finally lead to a narrative text analysis of representative poems in order to mentally model, based on the "child as a social actor" (Heinzel 2000), how poems in German lessons at primary schools can contribute to democracy education in addition to literary education.

 

Biographische Informationen/CV:

Raila Karst schloss ihre Ausbildung zur Grundschullehrerin mit dem ersten und zweiten Staatsexamen ab und sammelte als Lehrerin vielfältige Erfahrungen im Bereich des kreativen und freien Schreibens als auch des fächerübergreifenden Arbeitens. Seit 2018 lehrt sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Deutsch der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, insbesondere zu lyrischen Lernräumen, zur Daz-Didaktik und zum Anfangsunterricht. Sie promoviert zu Perspektiven von Primarschüler*innen auf Gesellschafts-und Weltgeschehnisse in selbst geschriebenen Gedichten.

 

Weitere Informationen/Additional information:

Raila Karsts Internetseite an der Universität Halle