Biographie

Die deutsche Autorin Gudrun Pausewang wurde am 3. März 1928 als Gudrun Wilcke in Wichstadtl (heute Tschechische Republik) geboren und lebt heute in Schlitz (Hessen).

Nachdem Ihr Vater im Zweiten Weltkrieg gefallen war, flohen die damals 17-jährige Gudrun und ihre Familie nach Westdeutschland, wo sie die weiteführende Schule besuchte und 1948 in Wiesbaden ihr Abitur entgegennahm. Über lange Phasen in ihrem Leben war sie als Lehrerin an Grundschulen, Hauptschulen und deutschen Schulen im Ausland tätig. So bereiste sie in den 50er, 60er und 70er Jahren einen großen Teil von Südamerika und lehrte unter anderem in Chile, Venezuela und Kolumbien. Zwischendurch gab es einen kurzen Aufenthalt in Deutschland, während dessen sie Germanistik studierte. Die Promotion zum Thema Vergessene Jugendschriftsteller der Erich-Kästner-Generation an der Universität Frankfurt am Main folgte erst im Jahre 1998, nach ihrer endgültigen Rückkehr aus Südamerika nach Deutschland 1972 und der Pensionierung 1989. Bis heute ist Gudrun Pausewang schriftstellerisch tätig.

Werk

Gudrun Pausewang ist seit Ende der 1950er Jahre als Schriftstellerin tätig und veröffentlichte insgesamt mehr als 80 Werke. Nachdem sie zu Anfang ausschließlich Erwachsenenbücher schrieb, publizierte sie später auch im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Durch ihre vielfältigen Reisen hat Pausewang eine Menge an Stoff für ihre Geschichten und Erzählungen gesammelt. Vor allem interessieren sie die problematischen Themen des Umweltschutzes und der Umweltrisiken, insbesondere der atomare Krieg und die Risiken der Atomenergie im Allgemeinen, die Probleme der Dritten Welt und andere kritische Themen. Ihre späteren Werke beschäftigen sich auch mit Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus. Mit allen Themen ist sie selbst direkt oder indirekt in Berührung gekommen.

In der Nachkriegszeit begann der Ruf nach Frieden mit der Antikriegsbewegung und der Bewegung gegen atomare Aufrüstung, die im Zuge des Kalten Krieges und der damit verbundenen Angst vor einem Atomkrieg bzw. einem Dritten Weltkrieg aufkamen. In diesem Kontext entstand 1983 eines der wichtigsten Kinder- und Jugendbücher von Gudrun Pausewang Die letzten Kinder von Schewenborn, das von einem weltweiten atomaren Krieg handelt. Einer der wichtigsten Preise, mit denen das Buch ausgezeichnet wurde, war der Gustav-Heinemann-Friedenspreis (1984).

Eng verknüpft mit der Friedensbewegung war auch die Umweltbewegung der 1970er und 80er Jahre, in der es neben der Forderung nach atomarer Abrüstung und Eingrenzung bzw. Einstellung der Nutzung atomarer Energien, – eine der Streitfragen war z. B. das Problem der Endlagerung von radioaktivem Müll – auch um Probleme wie Waldschäden, Erdölnutzung und Luftverschmutzung ging. Etwa ein Jahr nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April 1986, erschien Pausewangs bisher erfolgreichstes Buch Die Wolke, für den sie unter anderem auch den Deutschen Jugendliteraturpreis (1988) erhielt. Dieses Werk behandelt nicht nur das Thema eines Reaktorunfalls mitten in Deutschland, sondern liefert auch eine unterschwellige Kritik an der Informationspolitik und den Vertuschungsversuchen der Politik, wie sie auch nach dem Unfall in Tschernobyl der Fall waren: die Meldung des Unfalls erfolgte erst zwei Tage nach den Ereignissen, am 28. April 1986. Als einziges Werk von Gudrun Pausewang wurde dieses Buch 2006 verfilmt.

Nach dem atomaren Unfall in Fukushima am 11. März 2011, sind das Thema der atomaren Bedrohung und das Werk Gudrun Pausewangs aktueller denn je. So erlangte ihr Werk eine traurige Popularität, die in Deutschland auch durch die erhöhten politischen und bürgerlichen Diskussionen zu dem Endlager Gorleben und dem Atomausstieg im Allgemeinen noch angekurbelt wird. Gudrun Pausewang und besonders ihr Buch Die Wolke gerieten schnell wieder in den Fokus der Medien und führten zu mehreren Interviews durch namhafte Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem durch die FAZ und den Spiegel. Die Schriftstellerin äußert sich in diesen Interviews sehr kritisch gegenüber der politisch eigennützigen und unverantwortlichen Nutzung der atomaren Energie und betont, dass sie immer versucht hat, vor den Gefahren der Atomenergie und vor dem blinden Vertrauen der Bevölkerung auf das Wort des politischen Staates zu warnen und damit auch in Zukunft nicht aufhören wird.

Neben den beiden erfolgreichsten und populärsten Erscheinungen Die letzten Kinder von Schewenborn (1983) und Die Wolke (1987) wurden auch ihre Bücher Die Not der Familie Caldera (1977), Ich habe Hunger – Ich habe Durst (1981) und die Reise im August (1992) erfolgreich veröffentlicht und erhielten Anerkennung innerhalb der Literaturszene.

Pausewangs Veröffentlichungen umfassen jedoch nicht nur Katastrophen-Bücher, sondern auch unterhaltende und angstfreie Kinder- und Jugendliteratur, wie z. B. die Geschichte von Räuber Grapsch (1984, -86, -87, -92, 2008) oder Der Spinatvampir (2003).

Rezeption

Die Bücher Gudrun Pausewangs wurden vor allem zur Zeit ihres Erscheinens weitgehend positiv aufgenommen. Für ihr umfangreiches Werk erhielt Gudrun Pausewang neben den bereits weiter oben erwähnten Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Die letzten Kinder von Schewenborn und Deutschen Jugendliteraturpreis für Die Wolke auch zahlreiche andere wichtige Literaturpreise, unter anderem mehrmals den Buxtehuder Bullen, La vache qui lit und andere wichtige Auszeichnungen. 1999 verlieh man Pausewang in Hessen das Bundesverdienstkreuz. Zehn Jahre später erhielt sie den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. für ihr Lebenswerk.

Auch aus didaktischer Sicht spielt das Werk Gudrun Pausewangs eine große Rolle im Deutschunterricht. Besonders Die Wolke ist seit vielen Jahren als Schullektüre in den Sekundarstufen I und II an Gymnasien und Gesamtschulen beliebt und wird häufig  eingesetzt.

Es ist nicht zwingend die offensichtliche politische Kritik, die im Vordergrund der Beschäftigung mit dieser Art von Lektüre steht. Besonders effizient lassen sich hieran grundlegende Diskussionen über sehr komplexe gesellschaftliche Konstrukte wie Moral, Werte, Normen oder Ethik aufbauen und darstellen. In Klassengemeinschaften lassen sich diese Abstrakta kritisch beleuchten und erörtern. Weiterhin stehen die Erörterungen der Probleme und Ängste der Gesellschaft und das Erkennen der Verhältnisse zwischen dem Individuum und der Gesellschaft im Mittelpunkt.

Wenn man diese Problemstellungen anhand der beiden wichtigsten Werke der Autorin Die letzten Kinder von Schewenborn und Die Wolke betrachtet, ergeben sich unweigerlich Fragen nach den Folgen, die aus dem Zusammenbruch gesellschaftlicher Konventionen resultieren, nach der Bedeutung, die sich daraus für die Allgemeinheit, aber auch für den Einzelnen ergibt und die Frage, ob eine "zivilisierte" Gesellschaft ohne das zerbrechliche Gerüst der eigenen Regeln Bestand hat.

Andererseits werden insbesondere  die Anti-Atomkraft-Bücher kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird ihr vorgeworfen, mit ihren Büchern weder zu informieren, noch aufzuklären, – was ein problemorientiertes Kinder- und Jugendbuch eigentlich tun sollte – sondern nur zu schockieren und zu verängstigen. Angst sei ihr Werkzeug und so wird Pausewang auch als "Lehrerin der Angst" (Gaschke, 2003) betitelt. Mit einem selbstgerechten Unterton stelle sie dar, was passiert, wenn man nicht auf die Atomkraftgegner hört.

Ihre Popularität wird oft der Tatsache zugeschrieben, dass Die Wolke den Schülern in der Schule immer wieder aufgenötigt würde. So steigerten sich unweigerlich auch die Verkaufszahlen.

Auf der anderen Seite bekommt Pausewang große Anerkennung und wird mit wichtigen literarischen Preisen geehrt. Pausewang schreibe "mit der nötigen Eindringlichkeit", mute Kindern und Jugendlichen „schreckliche Szenen zu“ (Ackermann, 1984), weil sie weiß, dass man die Angst vor einer atomaren Katastrophe vor Kindern nicht verbergen kann und auch nicht sollte. Kinder sollen ihrer Meinung nach zu "selbstbewussten und kritischen Geistern" (Schulze, 2008) unserer Gesellschaft erzogen werden. Doch es gibt Stimmen, die halten dagegen und bezweifeln, dass man "mit Angst […] freie[…] Menschen […] , mit moralischem Rigorismus […] politische Jugend" (Gaschke, 2003) erziehen könne. Pausewang wehrt sich gegen die Vorwürfe, sie wolle nur Angst verbreiten und bleibt bei ihrer Aussage, sie wolle nur warnen, die Jugend zum Handeln bewegen.

Positiv wird auch vermerkt, dass Pausewang die brutal realistischen Szenen keineswegs aggressiv schreibt, sondern "traurig-feststellend" (Plewka, 1988), was den anrührenden Effekt noch vergrößert. Ihr vorrangiges Ziel ist es nicht, zu informieren, obwohl auch das ein Teil ihrer Arbeit ist, sondern wachzurütteln und vor der Endgültigkeit atomarer Katastrophen zu warnen. Die eigentlich wichtigere Aufgabe ihrer negativen Utopien sei es, darzustellen wie nah ein "normales, bürgerliches […] Alltagsleben und der totale Wahnsinn des Krieges beieinander liegen können", so schreibt Susanne Gaschke für die Zeit Ende 2003 (Gaschke,2003).

Die Warnung Pausewangs wird nicht nur durch die einfache, drastisch-präzise Darstellung der Ereignisse vermittelt, die einem "unwillkürlich Gänsehaut" (Schulze, 2008) beschert, sondern auch durch die verwendete Perspektive. Pausewang schildert die Geschehnisse aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen. Die politisch-gesellschaftlich kodierten Denkmuster der Erwachsenen werden hier aufgebrochen, wodurch die Ereignisse noch unmittelbarer und unverfälschter erscheinen.

Es ist unter anderem dieser Gegensatz der Meinungen, der die Debatte um Pausewangs Werk am lebendig hält und sie auch so interessant für die Schullektüre macht. 2017 wurde sie für ihr Lebenswerk mit dem Sonderpreis für das Gesamtwerk des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet.

Literatur

  • Gaschke, Susanne: Lehrerin der Angst. In: Die Zeit (31.12.2003).
  • Jahnke, Uwe: Gudrun Pausewang – Leben und Werk. Ravensburg: Ravensburger Buchverlag, 2010.
  • Rödl, Jessica: Praxis Lesen: z. B. Gudrun Pausewang. Lichtenau: AOL-Verlag, 2003.
  • Runge, Gabriele: Gudrun Pausewang: Die Wolke. Thematik: Überleben nach der Atomkatastrophe. Sekundarstufe, 7.-10. Klasse. Ravensburg: Ravensburger Buchverlag, 2003.
  • Runge, Gabriele: Über Gudrun Pausewang. Ravensburg: Maier, 1991.
  • Schulze, Rainer: Und kein bisschen müde. In: FAZ (23.03.2008).
  • Tebbutt, Susan: Gudrun Pausewang in context. Socially critical "Jugendliteratur": Gudrun Pausewang and the search for utopia. Frankfurt am Main: Lang, 1994.

Internet

 Aktualisiert am 13.10.2017