Biographie

Mary Noel Streatfeild wurde am 24. Dezember 1895 in Sussex geboren und unterschied sich in ihrer Kindheit von ihren zwei Schwestern und dem Bruder durch rebellisches Benehmen, das sie in der Schule und ihrem Zuhause, dem Pfarrhaus ihres Vaters, zutage legte. Bereits als Kind zeigte sie großes Interesse am Balletttanz und Theater und wollte beides lernen, was ihr jedoch verwehrt blieb, da ihre Eltern Balletttanz für unanständig hielten.

Bei zwei selbstgeschriebenen und privat aufgeführten Theaterstücken während des Ersten Weltkriegs wirkte Noel als junges Mädchen mit und zeigte schauspielerisches Talent. Dies war der Anlass zu ihrem Entschluss, 1919 nach London zu gehen, um dort an der "Academy of Dramatic Art" zur Schauspielerin ausgebildet zu werden. So konnte sie mit 23 Jahren ihren zweiten großen Traum von der Arbeit auf der Bühne verwirklichen und bekam eine Theaterausbildung. Nach ihrer Ausbildung tourte sie einige Jahre lang mit verschiedenen Schauspieltruppen durch Großbritannien, Südafrika und Australien, u.a. mit der "Charles Doran Shakespeare Company". Sie fand den Beruf jedoch auf Dauer anstrengend und merkte schnell, dass sie viel lieber schrieb.

1926 veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichte und bald danach folgten erfolgreiche Romane für Erwachsene. Anfangs schrieb sie Fortsetzungsgeschichten und Kurzgeschichten für Zeitschriften noch unter dem Pseudonym Susan Scarlett, weil ihr selbst bewusst war, dass diese literarisch nicht ebenso anspruchsvoll waren wie ihre Romane. Diese Geschichten wurden später auch in Buchform veröffentlicht – unter dem Pseudonym Susan Scarlett steht manchmal in Klammern ebenfalls der Name "Noel Streatfeild".

Als sie 1936 vom Verlag "Dent" gebeten wurde, eine Erzählung über das Theater für Kinder zu schreiben, war sie bereits eine namhafte Autorin. Streatfeild nahm diese Idee begeistert auf und innerhalb von drei Monaten schrieb sie ihr erstes Kinderbuch Ballet Shoes- a story of 3 children on the stage (1936).

Mit Ballet Shoes (dt. Ballettschuhe – drei Kinder auf der Bühne) verarbeitete Streatfeild ihre eigenen Theatererfahrungen als Schauspielerin und ihre Faszination für Balletttanz. Mit 17 hatte sie die 12-jährige Ninette de Valois Anna Pavlovas Solo des sterbenden Schwans tanzen sehen und dies blieb ihr ein Leben lang im Gedächtnis haften. Die unerfüllten Sehnsüchte ihrer Kindheit nach einer Tanz- und Theaterausbildung hat sie in das Buch einfließen lassen. Nach dem immensen Erfolg der Ballettschuhe bei Kritikern und Kindern sammelte sie bald Material für weitere Kinderbücher und bekam 1939 die "Carnegie medal" für The Circus is Coming (dt. Zirkusschuhe).

Nach dem II WK, als Kinderliteratur vermehrt auf den Markt kam, achtete sie darauf, welche Kinderbücher und wie sie verlegt wurden – sie zog durch die Bücherläden und machte sich Notizen, die vom Inhalt der Kinderbücher bis zur Art der Vermarktung der reichten. Die Illustrationen waren ihr besonders wichtig. Sie hasste Comics, und als in den 50ern eine Welle von amerikanischen "horror comics" nach England kam, organisierte sie eine Gruppe von Schriftstellern, die "Company of New Elizabethans" – diese erreichte 1955 ein Verbot der fragwürdigsten Comics.

Um auf gute, aktuelle Kinderbücher aufmerksam zu machen, schrieb sie regelmäßig Artikel für das "Collins Magazine" unter der Rubrik "Book of the month". Sie gab auch viele Anthologien von Erzählungen heraus, wie By Special Request (1953), und Handbücher für Jugendliche, wie The Years of Grace (1950), Growing up Gracefully (1955) und Confirmation and After (1963) – ein Sammlung von theologischen Artikeln für junge Christen. In Deutschland ist von diesen Büchern nur eins erschienen: The Years of Grace wurde 1953 unter dem Titel Die Jahre der Armut – junge Mädchen und ihre Welt veröffentlicht.

Streatfeild schrieb abwechselnd Kinderbücher und Bücher für Erwachsene, bis sie feststellte, dass sie mit ihren Kinderbüchern erfolgreicher war und veröffentlichte ab 1961 nur noch solche.

Sie ist viel gereist, war auf allen Kontinenten und hat 1960 sogar eine Reise nach Russland unternommen, um dort die Schulen des russischen Balletts kennenzulernen. Amerika lag ihr besonders am Herzen, aber am meisten liebte sie Irland, das sie als "a sort of prehistoric fairyland" sah – diesem Märchenland widmete sie ihr Kinderbuch The Growing Summer, das 1966 erschien (in Deutschland 1972 unter dem Titel Überraschende Tage – ein Sommer voller Abenteuer übersetzt von M.Z. Thomas).

In den 60ern begann sie ihre Autobiographie zu schreiben und veröffentlichte sie in drei Bänden: A Vicarage Family (1963), Away from the Vicarage (1965), Beyond the Vicarage (1971). Die Erinnerungen an ihr Leben in der Pfarrerfamilie sind eher als Roman zu sehen, der auf Noels Kindheit basiert, und nicht als präzise Autobiografie – Streatfeild gab ihren Verwandten fiktive Namen und erfand viel dazu oder übertrieb in der Darstellung bestimmter Personen. (vgl. Bull 1984, S. 219ff)

1972 veröffentlichte sie ein historisches Kinderbuch, das sehr gelobt und als Meisterwerk bezeichnet wurde: The Boy Pharaoh, Tutankhamen.

Sie konnte sich zeitlebens ihrem Schreiben widmen, da sie nie geheiratet hatte und damit – wie sie selbst sagte – durch keine häuslichen Pflichten in ihrer Produktivität eingeschränkt war. Das Ergebnis waren unzählige Artikel und Kurzgeschichten, Romane und Kinderbücher.

Bevor sie 1986 starb, erhielt sie 1983 den "Order of the British Empire".

Werk

Obwohl Noel Streatfeild unzählige Kinderbücher geschrieben hat, ist ihr erstes, Ballettschuhe, das Bekannteste und Beliebteste geblieben: Ballet Shoes wurde 1936 in England beim Dent Verlag veröffentlicht und hatte sowohl beim jungen als auch erwachsenen Publikum großen Erfolg – die Kritiker waren begeistert von der Geschichte, die Streatfeild in drei Monaten niedergeschrieben hatte und von der sie sich nicht allzu viel versprach. Ihr Kinderroman wurde damals als sehr "originell" bewertet, da er mit den üblichen Themen und Konventionen brach, die in den Kinderbüchern vorherrschten. Besonders gerühmt wurde Streatfeild für die gelungene Darstellung von Kindern und ihrer Sprache, und für ihr Wissen über das Theater und alles, was damit zusammenhängt. Das Letztere schlug sich in detaillierten, genauen Beschreibungen nieder, wie z. B. von Theaterverträgen. Das Buch wurde von Noels Schwester illustriert – der Illustratorin Ruth Gervis.

Binnen kurzer Zeit war die erste Auflage ausverkauft und fünfzig Jahre nach der ersten Publikation waren 10 Millionen Exemplare verkauft worden. Der Erfolg lässt sich vermutlich teilweise der gerade zu der Zeit vorherrschenden Ballettära zusprechen, und er zog eine ganze Welle von Ballett- und Theaterbüchern nach sich.

Ballet Shoes avancierte schnell zum Klassiker und ist bis heute das Bekannteste unter den 46 Büchern von Noel Streatfeild, obwohl weitere, ebenso erfolgreiche Kinderbücher von ihr folgten. Streatfeild wurde sogar zugesprochen, ein neues Genre gegründet zu haben: die "Career Novel". Denn in ihren Büchern stellte sie nacheinander künstlerische Milieus dar – Ballett, Theater, Film, Zirkus und Sportarten (Tennis, Eiskunstlaufen) bildeten den Hintergrund zu den Karrieren der kindlichen Protagonisten. Weitere "Career Novels", die als "Shoe"-Serie bekannt wurden, sind: Tennis Shoes (1937), Circus Shoes (1939), Theater Shoes (1945), Party Shoes (1947), Movie Shoes (1949), White Boots (1951), Family Shoes (1954), Dancing Shoes (1958), New Shoes (1960) und Travelling Shoes (1962). (vgl. Kümmerling-Meibauer 1999, S. 1036f.)

In Deutschland wurden Ballet Shoes erstmals 2009 von Irmela Brender übersetzt und erschienen im Carlsen Verlag unter dem Titel Ballettschuhe – drei Kinder auf der Bühne. Damit begann die Reihe der "Schuh-Bücher" von Noel Streatfeild, von der bislang noch Zirkusschuhe (2010, übersetzt von Irmela Brender), Reiseschuhe (2011, übersetzt von Gerda Bean), Filmschuhe (2012, übersetzt von Gerda Bean) und Theaterschuhe (2013, übersetzt von Birgit Schmitz) erschienen sind.

Für Zirkusschuhe (The Circus is Coming) bekam Streatfeild 1939 die "Carnegie medal" von der "Library Association for a distinguished contribution to children's literature". Weitere herausragende Werke sind White Boots, die dem Eiskunstlaufen gewidmet sind, Apple Bough (dt. Reiseschuhe), das die Karriere eines kleinen, genialen Geigenspielers nachzeichnet, The House in Cornwall (1940) und The Children of Primrose Lane (1941) – beides Bücher über die Kriegszeit, die außerdem mit den gängigen Konventionen brachen und Figuren aus dem Arbeitermilieu einführten, was bis dahin nur selten in der Kinder- und Jugendliteratur vorkam. Ein weiteres bemerkenswertes Werk ist The Painted Garden (dt. Filmschuhe), das der Entstehung der Filmadaption von Frances Hodgson Burnetts Der geheime Garten gewidmet ist. Streatfeild durfte am Filmset dabei sein und machte sich Notizen zur Arbeit der kindlichen Schauspieler, besonders der kleinen Margaret O'Brien, die als Hauptdarstellerin die widerspenstige Mary verkörperte.

Streatfeild hat neben den vielen Kinderbüchern auch drei Biographien geschrieben, darunter die Biographie von Edith Nesbit (Magic and the Magician – E. Nesbit and Her Children’s Books), in der sie jedoch eher Nesbits Werke analysiert, um dessen besonderen Zauber herauszustellen, als das Leben der Schriftstellerin nachzuzeichnen.

Streatfeild fand, dass Bücher wie Türen sein sollten, die Kindern eine andere, unbekannte Welt öffnen und traditionelle, moralische Werte vermitteln (vgl. Bull 1984, S. 209f). "The recurrent theme of Noel Streatfeild's writing is the virtue and the necessity of hard work [...] Nothing ever came easy to her heroes and heroines. She showed in precise detail the stages of progress towards success and the rewards, in terms of self-respect, of success. Hers were, almost in Victorian terms, 'moral' and 'success' stories, but the moral was not imposed on a story but came from the heart of the writer." (Crouch 1962, S. 79) Ihre Lieblingsthemen waren Familienleben, harte Arbeit und Entschlossenheit, die nach ihr der Schlüssel zum Erfolg waren. Sie selbst war das beste Beispiel dafür.

Populärrezeption

Streatfeilds Schreibstil wurde oft als einfach und umgangssprachlich oder salopp bezeichnet, da sie auch gelegentlich grammatikalische Regeln außer Acht ließ. Dies störte jedoch weder Kritiker noch Leser, die ihre Sprache geistreich, witzig und lebendig fanden.

Die sorgfältig recherchierten Darstellungen der Hintergründe in ihren Kinderbüchern und die lebendigen und menschlichen Kinderfiguren trugen zum dauerhaften Erfolg beim kindlichen Publikum bei.

Viele ihrer Bücher wurden für Radiosendungen umgearbeitet, an denen sie selbst teilnahm, oder für Fernsehen (BBC-Serien) und Film adaptiert. 2007 produzierte BBC eine Filmadaption der Ballettschuhe u.a. mit Emma Watson in der Rolle von Pauline Fossil.

Wissenschaftliche Rezeption

Die Literaturwissenschaft hat sich bislang kaum mit dem Werk Streatfeilds auseinandergesetzt: Außer drei Biographien zu Noel Streatfeild und einigen Artikeln, die bestimmte Aspekte in Streatfeilds Kinderbüchern herausheben oder der Frage nachgehen, warum sie nichts an Aktualität verloren hat, liegt uns nichts vor, das sich analytisch mit ihr befassen würde.

Die Literaturkritiken zu ihrer Zeit waren meistens sehr positiv und feierten Streatfeild als lebende Klassiker-Autorin und Autorität im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur.

Literaturverzeichnis

  • Bull, Angela: Noel Streatfeild. A biography. London: Collins, 1984.
  • Crouch, Marcus: Treasure Seekers and Borrowers. Children's Books in Britain 1900-1960. London: The Library Association Chaucer House, 1962.
  • Kullmann, Thomas: Englische Kinder- und Jugendliteratur. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2008.
  • Kümmerling-Meibauer, Bettina: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales Lexikon. Band 2: L-Z. Stuttgart: Metzler, 1999.
  • Kuznets, Lois R.: Family as Formula: Cawelti's Formulaic Theory and Streatfeild's "Shoe" Books. In: Children's Literature Association Quaterly. Vol. 9, 4 (1984-1985) S. 147-201.
  • Stoneley, Peter: Ballet Imperial. In: The Yearbook of English Studies. Children in Literature. Vol. 32 (2002) S. 140-150.
  • Streatfeild, Noel: A Vicarage Family. London: Collins,1963.
  • Streatfeild, Noel: Away from the Vicarage. London: Collins, 1965.
  • Streatfeild, Noel: Beyond the Vicarage. London: Collins, 1971.
  • Wilson, Barbara Ker: Noel Streatfeild. London: Bodley Head, 1961.
  • You're a Brick, Angela! A New Look at Girls' Fiction from 1839 to 1975. Hrsg. von Mary Cadogan und Patricia Craig. London: Gollancz, 1976.
  • The Oxford Companion to Children's Literature. Hrsg. von Humphrey Carpenter und Mari Prichard. Oxford: Oxford University Press, 1984.

Internetquellen