Inhalt

Vor 20 Jahren verschwand der Computerprogrammierer Kevin Flynn (Jeff Bridges) in der von ihm selbst designten Computerwelt. Als sein inzwischen 27-jähriger Sohn Sam (Garrett Hedlund) Nachforschungen über seinen Vater anstellt, entdeckt er in einer verlassenen Spielhalle die Arcade-Maschine des von Flynn programmierten TRON-Spiels. Hinter der Spielmaschine führt ein geheimer Gang in einen Raum mit einem immer noch funktionierenden Touchscreen-Computer. Unbeabsichtigt aktiviert Sam diesen und findet sich unvermittelt ebenfalls in der virtuellen Welt des "Grid" wieder, in der Kevin Flynn immer noch gefangen ist.

Sam wird sofort von Computerprogrammen gefangengenommen und muss in einer Kampfarena lebensgefährliche Diskus-Gladiatorenspiele überstehen. Als sich herausstellt, dass Sam ein "User" aus der realen Welt ist, wird er zu CLU gebracht, dem Herrscher über die bizarre Computerwelt. Dieser entpuppt sich als ein jung gebliebenes, digitales Alter Ego von Flynn. Besessen von der „Reinheit“ perfekter Computeralgorithmen, will CLU alle imperfekten Computerprogramme auslöschen und einen Weg aus dem Grid finden, um auch die Herrschaft über die reale Welt zu übernehmen.´

Kosinski TronLegacy abbAbb. 1: Screenshot aus TRON: Legacy (2010). Verleih: Disney

Um seine Überlegenheit zu beweisen, fordert CLU Sam zu einem "Lichtrennen" auf den Lichtrennern – digitale Motorräder, die tödliche Mauern in die Landschaft des Grid ziehen – heraus. Sam überlebt das Rennen nur dank der unverhofften Hilfe durch das weibliche Computerprogramm Quorra (Olivia Wilde), die ihn zu seinem Vater bringt. Von Kevin Flynn erfährt der Sohn auch, dass das Durchgangsportal in die reale Welt bis zu Sams Ankunft geschlossen war, wodurch Flynn in seiner eigenen Schöpfung gefangen blieb.

Gegen den Willen des Vaters, der befürchtet, dass auch CLU in die Wirklichkeit gelangen könnte, macht sich Sam auf die Suche nach dem Portal, das sich nur mit dem Kevins Identitätsdiskus, der die persönlichen Fähigkeiten seines Besitzers speichert, öffnen lässt. Der einzige, der die Position des Portals kennt, ist das Computerprogramm Zuse. Dieser verrät jedoch Vater und Sohn an CLU und stiehlt Kevins Identitätsdiskus.

CLU will nun mit einer Armee von humanoiden Computerprogrammen die reale Welt erobern. Sam gelingt es jedoch, wieder an den Identitätsdiskus zu gelangen. Verfolgt von CLU, versuchen Sam, Kevin und Quorra nun, rechtzeitig das Portal zu erreichen und CLU von der realen Welt aus zu löschen.

Kosinski TronLegacy abb2Abb. 2: Screenshot aus TRON: Legacy (2010). Verleih: Disney

Kritik

Hollywood gibt sich derzeit alle Mühe, sein mittlerweile erwachsenes Stammpublikum der 80er Jahre wieder in die Kinosäle zu locken. Sylvester Stallone feiert mit Neuauflagen von Rambo (2006) und Rocky (2008) ein Comeback und zelebriert in den Expendables-Filmen  (2010, 2012, 2014) zusammen mit anderen Actionhelden mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum einen Abgesang auf das Actionkino. Unlängst mühte sich auch das A-Team (2010) in aufgefrischtem Gewand über die Kinoleinwand, während in der Kinoversion von Miami Vice (2006) Colin Farrell und Jamie Foxx den Part von Don Johnson und Philip Michael Thomas übernehmen.

TRON: Legacy ist ein Nachzügler dieser Wiederverwertungskette, die ebenso wie die Welle an Comicverfilmungen ein Zeichen dafür ist, dass dem derzeitigen Blockbusterkino frische, originäre Geschichten fehlen. Und der Film schlägt sich dabei erstaunlich gut – wenn man von dem erwartbar dünnen Plot absieht. Doch darum geht es auch nicht in TRON: Legacy: Die Geschichte um den mit seinem Vater wiedervereinigten Sohn ist ein Vehikel, um die ästhetisch auch heute noch überwältigende Arcade-Videospielwelt in spektakulärer Form auf die Leinwand zu projizieren. Angereichert wird der Film um eine anrührende Vater-Sohn-Geschichte und um gelegentliche Meditationen über die Eigendynamik computergenerierter Welten. In TRON: Legacy generieren diese aus sich selbst heraus neue, im philosophischen Sinne selbstbewusste Wesen und Landschaften.

Die in jeder Filmszene dominante und stimmungsprägende Filmmusik stammt von den Electro-House-Gurus Daft Punk, die in einer (audiovisuell überwältigenden) Party-Szene sogar einen Cameo-Auftritt haben. Die visuelle Cyberpunk-Ästhetik des Films ist nicht nur eine in sich stimmige Fortsetzung des Originals, sondern setzt endlich einmal auch die 3D-Technik sinnvoll ein: Wer sich TRON: Legacy im Kino anschaut, wird sich wiederholt dabei ertappen, vollkommen in die dunkle, von neonweißen Farben und einem bedrohlich schimmernden Neon-Orange durchzogene digitale Welt des Grids einzutauchen. In seiner Künstlichkeit, die die minimalistische Pixelästhetik früher Arcade-Maschinen aufgreift, hebt sich TRON: Legacy unverkennbar von vergleichbaren Science-Fiction-Filmwelten ab. Dies zeigt: Regisseur Joseph Kosinski, ein studierter Innenarchitekt, und sein Filmteam sind sich bewusst, dass gerade die in der Filmgeschichte bisher einmalige Ästhetik für den Kultstatus des TRON-Franchise verantwortlich ist.

Als einer der wenigen Filme geht TRON: Legacy geschickt mit den ästhetischen Möglichkeiten des 3D-Kinos um: Statt lediglich Effekthascherei mit in den Zuschauersaal hinein stechenden Gegenständen zu betreiben, nutzen Kosinski, sein Kameramann Claudio Miranda und die CGI-Abteilung die Möglichkeiten der Verräumlichung dafür, der virtuellen Welt buchstäblich Tiefe zu verleihen: Ständig drehen sich langsame Holo-Graphiken im Szenenhintergrund, semitransparente Barrieren zwischen den Räumen wirken wie quallenartige Membrane. Leitmotivisch fungieren hierbei Linien und Flächen, nicht nur in den berühmten Lichtrennen, in denen virtuelle Motorräder mauerartige, für ihre Konkurrenten potenziell tödliche, Linien in ihrer Fahrspur ziehen. Auch die Gebäude und die Anzüge der Figuren setzen sich gänzlich aus glatten Flächen und in Neonfarben schimmernden Linien zusammen, die typische Ästhetik von Schaltkreisen nachahmend.

Beim 3D-Einsatz greift der Film zu einem ironischen Kniff: Während die computeranimierte Welt des Grid in 3D abgedreht wurde, sind die Szenen, die in der analogen Wirklichkeit spielen, in 2D gehalten.

Für seine elaborierte Computerspielästhetik zahlt der Film jedoch einen hohen Preis: Weder das Vater-Sohn-Verhältnis noch die sich anbahnende Romanze zwischen Sam und Quorra können emotional wirklich berühren. Zu sehr merkt man den Darstellern an, dass sie sich am Set in einer schauspielerisch wenig inspirierenden Green-Screen-Umgebung bewegen und letztendlich lediglich Vehikel sind, um Spektakel für Augen und Ohren zu unterfüttern. Insbesondere die simplen, teils schleppenden Dialoge bremsen den Film wiederholt aus.

Der Star des Films ist natürlich die Schauspiellegende Jeff Bridges. Dieser weiß um den ikonischen Status seiner Doppelrolle, die in der Neuauflage mit deutlichen Anspielungen an die Star Wars-Reihe angereichert wird: Lässt sich Kevin Flynn als gealterter Anakin Skywalker mit Obi-Wan-Kenobi-Look interpretieren, ist Flynns digitales Alter Ego CLU der den Verlockungen der dunklen Seite der Macht erlegene Darth Vader.

Die popkulturellen Anspielungen sind wenig überraschend, schließlich lebt das zeitgenössische "cinema of attractions" (Tom Gunning) des Blockbuster-Kinos spätestens seit den Star Wars-Filmen davon, ein Potpourri an postmodernen Zitaten und Versatzstücken aus der Hollywood-Geschichte aufzufahren. Doch dies wird irgendwann zu aufdringlich – spätestens wenn Vater und Sohn auf einer Brücke stehend fassungslos auf CLUs Klonarmee starren, die wie die Orks in Peter Jacksons Herr der Ringe-Filmen kurz vor Beginn der Schlacht um Mittelerde mit ihren Kampfstöcken in ein markerschütternd rhythmisches Trommeln verfallen.

Kosinski TronLegacy abb4Abb. 3: Screenshot aus TRON: Legacy (2010). Verleih: Disney

Fazit

TRON: Legacy ist ein typischer Disney-Film: Optisch und musikalisch perfekt aufbereitetes Popcorn-Kino, dessen Story Beiwerk ist. Dennoch dürfte die audiovisuell ihresgleichen suchende und geschickt aktualisierte TRON-Ästhetik auch der Neuverfilmung Kultstatus verleihen und eine neue Generation computerbegeisterter Jugendlicher an den TRON-Franchise heranführen.

Kurioserweise weckt TRON: Legacy im Rezensenten vor allem einen Wunsch: Dass J.J. Abrams für die ab 2015 in die Kinos kommende Fortführung der Star Wars-Reihe doch bitte Jeff Bridges in einer Rolle als alter, weiser Jedi-Ritter casten möge. Da trifft es sich gut, dass der Franchise um die Sternenkrieger mittlerweile dem Disney-Konzern einverleibt wurde.

Titel: TRON: Legacy
Regie:
  • Name: Kosinski, Joseph
Drehbuch:
  • Name: Horowitz, Adam
  • Name: Jefferies, Richard
  • Name: Kitsis, Edward
  • Name: Lisberger, Steven
Erscheinungsjahr: 2010
Dauer (Minuten): 127
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
FSK: 12 Jahre
Format: DVD/Blu-ray
TRON: Legacy (Joseph Kosinski, 2010)