Inhalt

Artemis ist ein blasser, lichtscheuer durchtrainierter Computerfreak mit dem Verstand, der Autorität und dem Wortschatz eines Erwachsenen, der stets Anzug und Krawatte trägt (vgl. Colfer 2006, S. 8–11). Der Vater von Artemis ist höchstwahrscheinlich seit einer Explosion auf seinem Schiff kurz vor Murmansk tot. Artemis hofft auf die Rückkehr seines Vaters, da seine Leiche nicht gefunden worden ist. Artemis` Vater hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen großen Teil des Fowlschen Vermögens in den Außenhandel mit diesem Land gesteckt. Der Handel mit dem Westen gefällt der russischen Mafia nicht, und aus diesem Grunde haben sie das Schiff mit Mannschaft und großer Ladung zerstört (vgl. Colfer 2006, S. 30–31). Artemis` Mutter ist durch den Verlust ihres Mannes depressiv geworden, hat sich auf dem Dachboden des Schlosses zurückgezogen und verlässt diesen Raum nicht mehr (vgl. Colfer 2006, S. 23–26). Artemis geht seit der Erkrankung seiner Mutter nicht mehr zur Schule und sucht nach einer Möglichkeit, den finanziellen Ruin seiner Familie aufzuhalten. Viele Generationen der Fowls haben durch Verbrechen Reichtümer angehäuft, und der Versuch als ehrliche Bürger zu leben, hat bereits die Ahnen von Artemis gelangweilt. Auch Artemis versucht durch ein Verbrechen an eine große Menge Gold zu kommen (vgl. Colfer 2006, S. 2, S. 7 u. S. 30–32).

Im Roman gibt es neben der Welt der Menschen, die über der Erde leben, die Welt des Erdvolkes, das unter der Erde lebt. Das Erdvolk besteht unter anderem aus guten Elfen, närrischen Zwergen sowie aus Schurken in Form von Kobolden und Trollen.

Die Menschen, gerade in Irland, sprechen über Generationen hinweg davon, dass es neben den Menschen noch andere menschenähnliche Wesen gibt, die auf der Erde leben. Artemis hat sich alle schriftlichen Überlieferungen besorgt und versucht das Geheimnis nach und nach zu lüften. Bei seinen Recherchen ist er auf die Existenz eines Buches gestoßen, das alle Bewohner des Erdvolks besitzen und in dem ihre Geheimnisse stehen. Besonders interessiert er sich für die Lüftung des Rätsels, ob ein großer Goldschatz existiert (vgl. Colfer 2006, S. 22–23). Mit einem Versprechen entlockt er einer alkoholsüchtigen Fee, die aufgrund ihrer Sucht über der Erde leben muss, das Buch und erlangt durch die Übersetzung der Zeichensprache Kenntnis über die Zauberkräfte und Lebensregeln der Feen (vgl. Colfer 2006, S. 15–19 u. S. 26–30). Durch dieses Wissen gelingt es Artemis, eine Fee, die als erste weibliche Polizistin beim Erdvolk beschäftigt ist, zu entführen, als sie gerade im Begriff ist, über der Erde ihre magischen Kräfte aufzuladen (vgl. Colfer 2006, S. 60–72). Die technische Ausstattung des Erdvolkes ist der Technik der Menschen durch die Existenz eines genialen Technikers überlegen (vgl. Colfer 2006, S. 77–78). Doch Artemis ist durch das Buch des Erdvolkes und seinen überragenden eigenen Technikkenntnissen, die einem erwachsenen menschlichen Ingenieur und IT-Experten gleichen, und seinem großen und kräftigen Butler in der Lage, den Kampf mit den Polizisten des Erdvolkes aufzunehmen (vgl. Colfer 2006, S. 82 u. 96–100). Durch videoähnliche Aufnahmen weiß der Vorgesetzte der entführten Fee zügig, durch wen und wohin seine Mitarbeiterin verschleppt wurde und versucht diese in derselben Nacht mit Hilfe ihrer überragenden Technik zu befreien (vgl. Colfer 2006, S. 117–125). Schnell stellen sie fest, dass der Entführer nicht nur von ihrer Existenz weiß, sondern auch ihre Lebensregeln und Technik kennt, denn der erste Befreiungsversuch scheitert kläglich (vgl. Colfer 2006, S. 127). Der Polizeichef der Feen lässt sich daher auf Verhandlungen mit Artemis ein. Artemis fordert für die Freigabe der Polizistin und die Wahrung der Geheimnisse um die Existenz des Erdvolkes eine hohe Lösegeldsumme in Form von Gold. Die Regierung des Erdvolkes gibt dem Polizeichef die Anweisung, auf die Forderung nur pro forma einzugehen und stattdessen einen verurteilten Mulch und nach dessen Scheitern einen Troll einzusetzen, um die Entführte zu befreien und danach alle Lebewesen des Schlosses mit einer Biowaffe zu vernichten, um ihre Geheimnisse zu bewahren (vgl. Colfer 2006, S. 152–213). Artemis schafft es aber, mit Hilfe der Ausnutzung der Gesetze des Erdvolkes und dem Mut und der körperlichen Konstitution seines Butlers, dass die Befreiungsversuche scheitern und er in den Besitz des geforderten Goldes kommt. Der entführten Polizistin gelingt es, während ihrer Gefangenschaft aus eigener Kraft ihre magischen Kräfte wieder aufzuladen. Mit Hilfe dieser magischen Kraft können die Feen des Erdvolkes Krankheiten auch bei Menschen heilen. Artemis verzichtet auf die Hälfte des Goldes, da die Fee seine Mutter heilt (vgl. Colfer 2006, S. 221–223). Die Polizisten des Erdvolkes setzen nach der Freilassung die Biowaffe ein, um ihr Gold wieder zu holen und die Erinnerung der menschlichen Bewohner zu löschen, aber sie verfehlt ihre Wirkung, da alle Bewohner des Schlosses Schlaftabletten genommen haben und sie dadurch nicht getötet werden. Artemis überlistet durch Genialität die Polizei des Erdvolkes und der verurteilte Mulch stiehlt seinem Volk das restliche Gold aus der Lösegeldforderung (vgl. Colfer 2006, S. 224–240).

Abb. 1: Eoin Colfer - Altemis Fowl. Ullstein Verlag. Abb. 1: Eoin Colfer - Altemis Fowl. Ullstein Verlag.

Artemis Fowl – Der kindliche Titelheld? (Wissenschaftliche Rezeption)

Artemis ist die komplexeste Figur der Romane: "Computerhocker, Außenseiter, Schreck der Psychologen". Was ist zu halten von einem Helden, der so überhaupt nicht ins "gängige Kinderbuch-Raster" passen will, der sich derart konsequent der Vorstellung des guten, gerechten, vor allem des vorbildlichen Kinderbuchhelden entzieht, der sich allein seiner äußeren Gestaltung und charakterlichen Disposition wegen gewiss kaum als Identifikationsfigur für Kinder und Jugendliche eignet (vgl. Huber 2003, S. 6) ? Welches Kind und welcher Jugendliche sollte sich denn in so einer Figur wiedererkennen können? Artemis Fowl ist unzweifelhaft kein "realistisch" gezeichneter Junge. Er verkörpert vielmehr die Vorstellung davon, was ein Junge oder auch ein Mädchen in seinem Alter sich unter Umständen zu sein wünscht. Frei und unabhängig von Regeln und Vorschriften, von gesellschaftlichen Erwartungen und Zwängen, von der Autorität der Eltern und der Erwachsenen. Im Grunde ist Artemis so etwas wie eine Traumvorstellung. Jemand, der Zugriff hat auf alles, was er haben möchte, der nicht nur alles tun und lassen und außerdem wie ein Erwachsener reden und handeln kann, sondern auch schon wie ein Erwachsener behandelt wird  - und was wollen Kinder in diesem Alter mehr? Auch Meike Röhl vermutet, dass von Artemis Fowls übermenschlicher Intelligenz, seinem Reichtum und seiner sprachlichen wie auch intellektuellen Souveränität gegenüber Erwachsenen eine überaus starke Anziehungskraft auf kindliche bzw. jugendliche Leser ausgehen dürfte: "Denn welcher kindliche oder jugendliche Leser ist nicht von so viel Macht und Überlegenheit, uneingeschränkter Verfügbarkeit über das elterliche Anwesen und Vermögen, sowie der Gelegenheit, bei den ganz Großen mitzumischen und endlich mal eine zentrale Rolle zu spielen, fasziniert?"

Nicht nur respektiert zu werden, sondern darüber hinaus auch aktiv über Ältere bzw. Erwachsene bestimmen sowie über deren Ratschläge und Anordnungen hinwegsetzen zu können, genau darin sieht Röhl die größte Attraktivität der Figur Artemis Fowl (vgl. Röhl 2007, S. 58). Am meisten, so Röhl weiter, steche dabei ins Auge, dass "Artemis durch seine schier uneingeschränkte Überlegenheit dezidiert das permanente kindliche Streben nach Autonomie und Macht bedient. Mit anderen Worten: ein natürliches Verlangen befriedige, eine alltägliche Phantasie im Grunde, durch die Kinder ihre faktische relative Machtlosigkeit zu bewältigen versuchen" (Röhl 2007, S. 59). Im Unterschied zu den übrigen Helden der Erzählung mag die Figur Artemis vielleicht über nur wenig Identifikations- und, je nach Veranlagung des Lesers, eventuell kaum über Sympathiepotential verfügen. Aber mit Sicherheit besitzt sie von allen Figuren das größte Wunschpotential, das heißt: Die Möglichkeit, unerfüllte und unerfüllbare Sehnsüchte der kindlichen und jugendlichen, vielleicht auch der erwachsenen Leser auf sich zu ziehen und sie an ihrer Stelle auszuleben.

Populärrezeption

Eoin Colfer hat bereits Ende 2000 mit seinem ersten Artemis Fowl - Roman über drei Millionen Mark verdient (vgl. Runkel 2001, S. 45). Diese finanzielle Situation ermöglichte es ihm, den Lehrerberuf aufzugeben und ausschließlich als Schriftsteller zu arbeiten. Beim Verkauf der Auslandsrechte hat die aus London stammende Literaturagentin Sophie Hicks, aufgrund eines abgeschlossenen Filmvertrages und der Ankündigung durch die Presse, das Konkurrenzprodukt zu Harry Potter zu besitzen, verhältnismäßig leichtes Spiel, da die Verleger auf der Frankfurter Buchmesse 2000 Schlange an ihren Ständen stehen, um über die internationalen Rechte zu verhandeln. Artemis Fowl wird in 17 Länder verkauft (vgl. Voigt 2001, S. 95; Runkel 2001, S. 45; Draf 2001, S. 110-111). Im Jahre 2002 erscheint in England und Deutschland die Fortsetzung mit dem Titel Artemis Fowl – Die Verschwörung (The Arctic Incident). 2003 erscheint der dritte Band Artemis Fowl – Der Geheimcode (The Eternity Code). Allein mit diesen drei Romanen gelingt Colfer einer der größten Kinder- bzw. Jugendbucherfolge nach Harry Potter. Zwischen 2001 bis 2003 werden weltweit acht Millionen Exemplare dieser drei Bände verkauft. 2001 wird der erste Band mit dem bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchpreis Englands, dem "Children´s Book Award", ausgezeichnet. Der dritte Band wird 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis prämiert.

Bereits zwei Jahre nach Veröffentlichung der drei Bände und dem zunächst geplanten Ende als Trilogie, entscheidet sich Colfer, weitere Bücher über die Abenteuer von Artemis Fowl zu schreiben. So sind bis März 2011 insgesamt sieben Bände von Colfer veröffentlicht worden (vgl. Runkel 2001, S. 45; Draf 2001, S. 110, Wolf 2001, S. 169 und Krekler).

Eoin Colfer gilt laut Aussage von Andrea Huber heute als der erfolgreichste irische Schriftsteller – noch vor Oscar Wilde und James Joyce (vgl. Huber 2003, S. 6).

Die Kritiken zum ersten Band fallen sehr unterschiedlich aus. Ein Teil der Literaturkritiker bejubelten das Buch euphorisch und der andere Teil will es aus den Buchhandlungen verbannt wissen, da nach ihrer Meinung Artemis Fowl durch einen skrupellosen Helden und eine flache Sprache mit vorhersehbaren Dialogen besteche. Seine Fülle an Gewalt und modernen High-Tech-Waffen könne problemlos einen Actionfilm ausstatten, den verantwortungsbewusste Eltern ihren Söhnen vorenthalten würden. Als Colfer dann in Interviews berichtet, dass er Agentenfilme, Thriller und Comics liebt, steht das Urteil über ihn und sein Buch fest (vgl. Voigt 2001, S. 96).

2001 erscheint im Stern dagegen folgende beachtliche Rezension: "Herausgekommen ist bei Colfers Anstrengungen ein echter Page-Turner, schnell geschrieben, mit jeder Menge Schlachten und schönen Einfällen. Ein gutes Buch für zwölfjährige und ältere Kinder. Basta.“ (Draf 2001, S. 112).

In der nachfolgenden Zeit folgen diese positiven Rezensionen in den unterschiedlichen nationalen und internationalen Zeitungen und Zeitschriften: "Ein herrlich albernes und trotzdem spannendes, romantisches, freches und liebenswertes Buch“ (Berliner Zeitung). "Spannung, Action und anarchischer Spaß pur. Wie immer hochintelligent…, ein wunderbares Buch, das Herz und Verstand anspricht“ (Berliner Morgenpost). "Endlich ein politisch Unkorrekter“ (Stuttgarter Zeitung), "Ein Riesenerfolg! Mehr Artemis Fowl! Hauptsache, es geht weiter!“ (Die Zeit).“ Erfreulich unpädagogisch erzählt! Wir freuen uns darauf!“ (Die Welt). "Wunderbar unsentimental, bissig und hochironisch“ (Tagesspiegel). "Voll origineller Einfälle und schräger Typen… eine mitreißend geschilderte Fantasy-Welt“ (Münchener Merkur). "Ein mitreißend legales Suchtmittel für Leser mit Sinn für skurrilen Humor“ (Augsburger Allgemeinen). "Die Artemis-Fowl-Romane sind gedrucktes Action-Kino!“ (Focus). "Fowl beweist sich als brillanter Stratege in einem originellen Plot, einem unglaublich einfallsreichen Page-Turner“ (Kirkus Reviews). "Artemis Fowl ist großartig. Ein märchenhafter Thriller, der Ihr Interesse wecken wird, egal wie alt Sie sind“ (New York Post).

In diesem Sinne: Viel Spaß wünsche ich allen, ob jung oder jung geblieben, beim Lesen!

Zur Rezension von Artemis Fowl

Bibliografie

Primärliteratur

  • Colfer, Eoin (2006). Artemis Fowl. Band I. Übersetzung von Claudia Feldmann. München: List.

Sekundärliteratur

  • Bettermann, Stella (2005). Artemis klaut immer noch (Interview mit Eoin Colfer). In: Focus 30, S. 106.
  • Brand, Jobst-Ulrich (2001). Der Zauber-Lehrer. In: Focus 32, S. 73-75.
  • Bruckmann, Regina (2003). Noch einmal einen großen Coup landen. In: Der Tagespiegel 18219, 24.08.2003, S. 31.
  • Draf, Stephan (2001). Pass bloß auf, HARRY! In: Stern 32, S. 110-112.
  • Freund, Wieland (2001). Dr. Potter & Mr. Fowl. In: Die Welt 186, 11.08.2001, S. 8.
  • Huber, Andrea (2003). Wissen ist Nacht. In: Die Welt 160, 12.07.2003, S. 6.
  • Krekeler, Elmar (2007). Stirb langsam mit Elfen. URL: http://www.welt.de/print-welt/article467324/Stirb_langsam_mit_Elfen.html [13.03.2013].
  • Majica, Marin (2003). Dirty Harry aus Irland. In: Berliner Zeitung 143, 23.06.2003, S. 23.
  • Mayer, Susanne (2002). Das dritte Nasenloch. In: Die Zeit 41 (Sonderbeilage Literatur), Oktober 2002, S. 109.
  • Röhl, Meike (2007). Artemis Fowl – die unmoralische Antwort auf Harry Potter? Vom Sympathiepotenzial eines kriminellen Teenagers. In: Das Kind im Leser. Phantastische Texte als all-ages-Lektüre. Hrg. v. Maren Bonacker, Trier: WVT, S. 48-62.
  • Runkel, Wolfgang (2001). Potters Double kämpft wie Bond. In: Die Zeit 34, 16.08.2001, S. 45.
  • Schütz, Alex (2002). Endlich ein politisch Unkorrekter. In: Stuttgarter Zeitung 146, 27.06.2002, S. 9.
  • Voigt, Peggy (2001). Artemis gegen Harry: Ein magisches Duell? In: buchreport. magazin 8, August 2001, S. 95-96.
  • Wolf, Martin (2001). Goldrausch in Fantasia. In: Der Spiegel 30, S. 168-170.
  • Zucker, Renée (2002). So´n bisschen fies. In: Berliner Zeitung 269, 18.11.2002, S. 15.