Inhalt und Gameplay

Berühmte Verwandte können ein Fluch oder ein Segen sein, im Falle von Francis Vendetti sogar beides gleichzeitig. Denn genau wie sein berühmter – und zu Beginn der Geschichte bereits verstorbener – Onkel Johnson, ist auch Francis Musiker. Doch während sein Onkel als Folk-Legende in die Geschichte der Stadt Calypso einging, will Francis mit diesem Vermächtnis eigentlich gar nichts zu tun haben. Er hat absolut nichts gegen seinen Onkel oder Folk-Musik, aber wirklich erfüllen tut ihn das Spielen dieser eben auch nicht. Was für Musik er stattdessen spielen will? Gute Frage, denn so richtig weiß er das auch nicht, denn bisher bekommt er kaum die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren und seine eigenen Identität zu entdecken. Stattdessen scheint er bereits in jungen Jahren dazu verdammt, für immer nur der Neffe des großen Johnson Vendetti zu sein.

Kurz vor seinem ersten großen Auftritt, bei dem Francis lediglich die alten Songs seines Onkels spielen soll, bietet sich dann ein unerwarteter Ausweg: Francis lernt die mysteriöse Violetta kennen und landet über Umwege auf einem außerirdischen Raumschiff, dass nur so vollgestopft zu sein scheint mit seltsamen Instrumenten, riesigen Opernhäusern und fantastischer Musik. Und bevor er das Ganze überhaupt wirklich begreifen kann, wird Francis hier für einen großen Auftritt engagiert, für dessen Vorbereitung er durch verschiedene Welten und Galaxien reisen muss, sodass er endlich herausfinden kann, wer er eigentlich ist.

BethovenandDinosaur TheArtfulEscape Abb. 1Abbildung 1: Francis im Gespräch mit einer Bewohnerin der Stadt Calypso, die ihm erzählt, dass er genau wie sein verstorbener Onkel aussähe. Screenshot aus The Artful Escape (2021).

Während dieser Abenteuer steuern wir Francis aus einer 2D-Sidescroller-Perspektive und absolvieren simple Platformer-Herausforderungen. Immer mal wieder stoßen wir dabei auf kleine Rhythmus-Spiele, in denen wir mit unserer intergalaktischen Gitarre die richtigen Noten treffen müssen, um unser Gegenüber davon zu überzeugen, uns zu helfen. Besonders spektakulär wird dies in inszenierten Sequenzen, in denen sich die außerirdischen Welten um uns herum an unsere gespielte Musik anpassen und auf diese reagieren. Hier stellt das Spiel seine atemberaubenden Umgebungen zur Schau, die in ihrem Stil an eine Mischung aus Ölmalerei und hochwertigem Zeichentrick erinnern.

Wer nun aber einen musikalischen Platformer im Stile der berühmten Musik-Level von Rayman Legends (2013) erwartet, wird wohl enttäuscht sein, denn im Fokus des Gameplays stehen eher die Gespräche, die wir mit anderen Charakteren führen. In diesen können wir zwischen drei oder vier Antwortmöglichkeiten wählen und so den Verlauf der weiteren Dialoge leicht beeinflussen. So können wir uns im Verlaufe des Spiels bspw. einen eigenen Bühnennamen geben oder uns aussuchen, welches Kostüm wir tragen wollen. Einen Einfluss auf das Gameplay oder gar den Plot und seinen Ausgang haben diese Entscheidungen aber nicht.

BethovenandDinosaur TheArtfulEscape Abb. 2Abbildung 2: Francis muss in einem Rhythmus-Spiel einer Reihe vorgegebener Noten folgen und diese auf seiner Gitarre nachspielen. Die Noten werden dabei spielerisch durch jeweils einzelne Knöpfe auf dem Controller realisiert. Screenshot aus The Artful Escape (2021).

Kritik

Grafik und Musik sind in The Artful Escape die Highlights. Die kreativen Arten und Weisen, wie die unterschiedlichen Umgebungen im Spiel – seien es nun einfache Weizenfelder auf der Erde, extravagante Raumschiffe oder ferne Planeten voller außerirdischer Lebewesen – dargestellt werden, sorgen immer wieder für herunterklappende Kinnladen und führen dazu, dass man auch den letzten Winkel dieser kleinen Level erkunden will, um ja kein weiteres visuelles Element zu verpassen.

Die Probleme des Spiels liegen an ganz anderer Stelle. Denn was wir in diesen toll gestalteten Leveln tun (können), ist nahezu immer gleich: Wir gehen für fünf Minuten von links nach rechts, spielen per einfachem Knopfdruck unsere Gitarre und sehen zu, wie sich die Umgebung an die von uns gespielte Musik anpasst, während wir wenig herausfordernde Platforming-Passagen absolvieren, die auch von Gaming-Neulingen ohne Probleme bewältigt werden können. Dabei ist das Steuern der Spielfigur stets sehr schwammig und ungenau, sodass man beim Platforming nie das Gefühl einer zufriedenstellenden und damit letztlich spaßigen Kontrolle bekommt. Das Ganze spielt sich wie von selbst und erweckt den Eindruck, als ob das Gameplay bei der Entwicklung nicht im Fokus gestanden habe.

Auch das Spielen der Musik wird auf das kontinuierliche Drücken eines einzigen Knopfes reduziert, wobei man keinerlei Einfluss auf die gespielte Musik selbst hat. Genauso sieht es in den bereits erwähnten Rhythmus-Spielen aus, in denen wir – diesmal aufgeteilt auf fünf verschiedene Knöpfe – eine kurze Melodie nachspielen müssen. Diese Sequenzen sind ebenfalls sehr einfach und erfordern nichts weiter, als das Drücken von Knöpfen in einer kurzen vorgegebenen Reihenfolge, die uns sowohl auditiv als auch visuell mitgeteilt wird. Dabei kann man sich so viel Zeit beim Betätigen der Tasten lassen, wie man will, sodass am Ende nicht mal unbedingt eine kohärente Melodie herauskommt, da das Timing stark vom Original abweicht. Abgesehen von diesen Momenten überzeugt die Musik von The Artful Escape aber über die gesamte Spiellänge und ist vor allem für Fans von Rockmusik definitiv einen Blick wert. Jedoch besteht weiterhin die Diskrepanz zwischen dem starken geschichtlichen Fokus auf Musik und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit einerseits sowie anderseits den kaum vorhandenen Möglichkeiten der Spieler*innen, tatsächlich spielerischen Einfluss auf eben diese Musik zu haben, was definitiv zu Irritationen führt. Es besteht also eine ludonarrative Dissonanz zwischen der Geschichte des Spiels und seinen tatsächlichen Spielmechaniken. Aber nun gut, es geht ja streng genommen nicht um die Persönlichkeit der Spieler*innen sondern um die der Hauptfigur Francis Vendetti. Kann das Spiel also hier überzeugen? Nun ja…

BethovenandDinosaur TheArtfulEscape Abb. 3Abbildung 3: Francis muss seine musikalischen Fähigkeiten gegenüber einem außerirdischen Wesen beweisen. Screenshot aus The Artful Escape (2021).

Am Ende nahezu jeden Levels trifft man auf einen Charakter, führt ein sehr kurzes Gespräch und wird gleich wieder ins nächste Level geworfen. Dabei sind diese Gespräche zwar nie störend und ab und an auch ein wenig unterhaltsam, insgesamt aber oft schlicht belanglos. Sie bringen zwar die Erzählung rund um Francis und seine Selbstfindung Stück für Stück voran, jedoch ist diese Geschichte ohnehin wenig komplex, geschweige denn eine, die man auf eine Spiellänge von etwa vier bis fünf Stunden strecken müsste. Dadurch verliert sie im Verlauf des Spiels oft ihren Fokus und bleibt auch aufgrund der blassen Charaktere kaum in Erinnerung. Dies ist besonders schade, da einige dieser Charaktere von bekannten Film- und TV-Schauspieler*innen wie Mark Strong (Kingsman), Lena Headey (Game of Thrones) oder Carl Weathers (The Mandalorian) gesprochen werden, die eigentlich dazu in der Lage wären, einprägsame Figuren zu schaffen und zu verkörpern.

Fazit

Was schlussendlich bleibt, ist ein audiovisuelles Meisterwerk, dessen spielerische Ebene leider zu keinem Zeitpunkt mithalten kann. Anstatt mehrere Elemente gleichzeitig – Platforming, Rhythmus-Spiele, dialoggeleitete Narrative – zu bedienen, hätte die Fokussierung und Ausdifferenzierung eines einzelnen Elements The Artful Escape sicherlich gutgetan. Das Platforming bleibt komplett spannungslos und wird zu einem Hindernis, das man nur möglichst schnell abspulen und hinter sich bringen will. Die Rhythmus-Spiele sind zwar schön inszeniert, bieten jedoch ebenfalls keinerlei Herausforderung, was besonders schade ist, da sie augenscheinlich das größte Potential beinhalten und thematisch am ehesten zur Geschichte passen. Vielleicht hätte ein stärkerer Fokus auf dieses Gameplay der Geschichte im Gegenzug gutgetan, denn auch sie enttäuscht inklusive ihrer Dialoge leider schlussendlich. Die Geschichte um Francis Vendetti ist nichts, was man nicht schon ein dutzend Mal an anderer Stelle gesehen hätte, hier nur leider in deutlich langgezogener und somit letztlich zu eintöniger Form. Nichtdestotrotz kann man aus ihr sehr wohl einige schöne und pädagogisch wertvolle Botschaften ziehen, was ihr also zumindest einen gewissen Wert gibt.

Die USK hat The Artful Escape mit einer Altersfreigabe von 6 Jahren versehen. Dieser Freigabe kann hier grundsätzlich zugestimmt werden, da keinerlei für Kinder und Jugendliche untaugliche Inhalte vorhanden sind, wirklich empfehlenswert ist ein Spielen in diesem Alter jedoch nicht. Die Geschichte richtet sich als Coming-of-Age Story klar an Spieler*innen, die sich in einem ähnlichen Alter wie die Hauptfigur befinden bzw. älter als diese sind und kann von jüngeren Personen wahrscheinlich kaum erfasst werden. Das Spiel enthält dabei zwar keine deutsche Synchronisation, ist aber durch seine anpassbaren Bildschirmtexte auch problemlos für Menschen ohne Englischkenntnisse spielbar.

Literatur

Annapurna Interactive: The Artful Escape. Beethoven & Dinosaur. 2021.

 

Titel: The Artful Escape
Plattformen: Microsoft Xbox, Sony Playstation 5 , Sony Playstation 4, Sony Playstation X/One, Microsoft Windows (PC), Nintendo Switch, Microsoft Xbox Series s/x, Microsoft Xbox One
USK: 6 Jahre
Entwicklungsstudio: Beethoven and Dinosaur
Erscheinungsjahr: 2021
Altersempfehlung Redaktion: 6 Jahre
Beethoven & Dinosaur: The Artful Escape