Inhalt

Wenn man als Junge in eine Stadt zieht, deren Wahrzeichen und ganzer Stolz grasende Kühe sind, liegt es nahe, etwas auszuhecken, das der langweiligen Einöde ein Ende bereitet. Insbesondere dann, wenn man sich seinen bisherigen Ruf als größter Trickser auch an der neuen Schule bewahren mag. Gar nicht mal so einfach für Miles Murphy, wenn der Posten des größten "Meisterstreichers" an der Yawnee Valley Akademie für Wissenschaft und Kunst bereits vergeben ist. Danach sieht es zumindest aus, als am ersten Schultag nach den Sommerferien das Auto des Schulleiters höchstpersönlich auf dem Schultreppenabsatz steht und damit den Haupteingang blockiert. Miles ist mehr als beeindruckt von diesem brillanten Streich. Doch so leicht will sich Miles nicht von dem Trickser einschüchtern lassen, der für alle bislang einem Phantom gleicht. Eifrig plant Miles einen eigenen Coup, mit dem er den mysteriösen Meistertrickser vom Thron stürzen will. Denn die Alternative ist wenig ruhmversprechend: Der beste Freund von Schulhelfer Niles zu sein, der nicht nur als Streber, sondern auch als Lieblingsschüler von Schulleiter Barkin bekannt ist. Und der seit dem ersten Schultag - zum Leidwesen von Miles' Nerven - um Miles' Gunst wirbt, um endlich einen Freund zu haben. Für Miles steht fest: Es muss ein Meisterstreich her! Als er zu seiner Verblüffung feststellt, dass sich hinter dem Trickser-Genie niemand anderes als Niles verbirgt, bietet dieser ihm großzügig an, gemeinsam ein unbesiegbares Trickser-Team zu bilden. Das Angebot abschlagend erklärt Miles seinem Konkurrenten stattdessen den größten Streiche-Krieg, den Yawnee Valley je erlebt hat.

Kritik

Rot, schwarz, weiß. Das auffällig gestaltete Kinderbuch Miles & Niles – Hirnzellen im Hinterhalt erweckt bereits durch das Buchcover die Aufmerksamkeit potenzieller Leser. Auch inhaltlich wird dieses Interesse beibehalten, da das Werk aus der Rubrik Cool – Chaos – Katastrophen auf seinen 224 Seiten ein breites Spektrum an frechem Humor, Spannung, Abenteuern und einer ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Kuhkunde bietet.

Der aufregende und nicht immer einfache Neuanfang an einer Schule und die schnell verfestigte Rollenverteilung der Schüler sind bekannte Themen der Kinder- und Jugendliteratur, wie beispielweise in dem Kinderbuch Nele und die neue Klasse von Usch Luhn oder der Jugendbuchreihe Night School von C. J. Daugherty, mit denen sich Jory Johns und Mac Barnetts Werk in Verbindung bringen lässt. Durch diese populären Grundthemen, die an die Lebenswelt der kindlichen Leser angelehnt sind, gelingt es den Autoren, trotz überspitzter Darstellungen einen glaubwürdigen Handlungsrahmen zu kreieren, in den sich die Lesenden auf Anhieb einfinden können. Der kurze und prägnante Sprachstil der beiden Autoren unterstützt zudem den Lesefluss der Kinder.

Wie ein guter Freund begleitet der Leser Miles Murphy in seiner Mission, den Meistertrickser zu entlarven und in den Schatten zu stellen. Dabei wird die Geschichte von einem auktorialen Erzähler wiedergegeben, der sich in seiner Ansprache direkt an die Leser wendet und sie wie ein Reporter in das Geschehen einführt ("Willkommen in Yawnee Valley...") und Hinweise gibt: "'Ha, ha!', sagte Miles. (Er lachte nicht, er sagte es: 'Ha, ha!')“. So an die Hand genommen, kann man sich als Leser der Anziehungskraft gar nicht entziehen, sich an die Fersen von Protagonist Miles Murphy zu heften.

Die Figuren werden sowohl visuell durch die ausdrucksstarken Illustrationen als auch inhaltlich durch den Schrifttext charakterisiert: "Schulleiter Barkin war kein Niemand. Schulleiter Barkin war Schulleiter." Durch die dreifache Nennung und die ironische Hervorhebung der Position "Schulleiter" wird dem Leser der eingebildete Charakterzug der Figur Barkin verdeutlicht. Obwohl die Figuren in ihren Charaktereigenschaften auf den ersten Blick recht statisch sind, gelingt es den Autoren zunehmend, jeder Figur im Verlauf der Handlung genügend Raum für überraschende Individualität zu lassen. Besonders deutlich wird dieses Persönlichkeitsspektrum bei Barry Barkin, dessen Rolle des strengen Schuldirektors gelegentlich der des nachsichtigen Familienvaters weicht. Den Lesern von Miles & Niles wird aufgrund dieser komplex gezeichneten Figuren Differenzierungsfähigkeit zugetraut. Auf diese Weise können leine und große Leser Nähe und Zuneigung zu den einzelnen Charakteren entwickeln.

Das Buch der beiden Autoren wäre nur halb so witzig, wenn es die komischen und doch in schlichtem Schwarz-Weiß gezeichneten Illustrationen von Kevin Cornell nicht gäbe, die der Geschichte und den Figuren in ihrem karikatur-/comicartigen Stil einen markanten Schliff verleihen und zugleich durch die Filzstift-Technik an eigene Kritzeleien aus der Schulzeit erinnern. Charakterisiert werden die Akteure auf visueller Ebene primär durch eine ausdrucksstarke Darstellung ihrer Gesichter und ihres Mienenspiels. Dessen ist sich auch der Erzähler bewusst, der öfter seiner Erzählerrolle entflieht und sich humorvoll und in direkter Weise an die Rezipienten des Buches wendet: "Schauen wir uns sein Gesicht doch einmal näher an. Seht ihr das Stirnrunzeln? Die düstere Miene? Seht ihr, wie er das Gesicht gegen das Autofenster drückt, als ob er versuchen würde wegzulaufen?" Die Illustrationen sind weitaus mehr als nur schmückendes Beiwerk zum Text. Sie unterstützen und bereichern die Handlung mit Details, die die Geschichte noch ein Stück fortsetzen. Der enge Bezug von Bild zum Schrifttext wird dadurch hervorgehoben, dass die Illustrationen vom Fließtext umflossen werden. Auf diese Weise werden auch diejenigen Kinder an das Buch herangeführt, die tendenziell weniger lesen. Die teilweise aufeinanderfolgenden monoszenischen Einzelbilder, die direkt in den Textfluss integriert sind, verleihen dem Buch zudem etwas Comicartiges, weshalb es oft nur weniger schriftlicher Beschreibungen bedarf. Ein Beispiel: "So sah das Auto vorher aus:" Illustration. Nächste Zeile: "So sah das Auto nachher aus:" Illustration.

Durch das harmonische Zusammenspiel der zahlreichen Parataxen, einer bildlichen und einfachen Sprache und der begleitenden überspitzten Illustrationen wird das Kinderbuch zu einem allseitig unterhaltsamen und humorvollen Lesevergnügen.

Fazit

Wenn es um geniale Unterhaltung und anregende Illustrationen geht, kommen Kinder und Erwachsene bei Miles & Niles – Hirnzellen im Hinterhalt voll auf ihre Kosten. Dieses Kinderbuch ist ein Meisterstreich gegen Langweile und eignet sich aufgrund seiner lebensnahen Thematik des Schulwechsels und der Kinderstreiche besonders für Schulkinder ab 10 Jahre. Für alle, die Hörbücher bevorzugen, bietet Schauspieler Christoph Maria Herbst als Vorleser eine akustisch witzige Alternative.

Titel: Miles & Niles - Hirnzellen im Hinterhalt.
Autor/-in:
  • Name: John, Jory
  • Name: Barnett, Mac
Originalsprache: Englisch
Originaltitel: The terrible two
Übersetzung:
  • Name: Alexandra Ernst
Illustrator/-in:
  • Name: Kevin Cornell
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2015
Verlag: Random House
ISBN-13: 978-3-570-16367-2
Seitenzahl: 224
Preis: 12,99 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
John, Jory/Barnett, Mac: Miles & Niles - Hirnzellen im Hinterhalt.