Inhalt

Das Leben meint es nicht gut mit Luzie: Die "Großstadtpflanze" musste wegen des Arbeitsplatzwechsels ihres Vaters aufs Land ziehen. Sie vermisst Berlin, ihre beste Freundin Mona und findet das neue Zuhause seltsam. Alles ist alt und riecht "komisch", nicht "unangenehm, aber definitiv komisch." (S. 11) Eine elektrische Heizung gibt es auch nicht, und auch sonst ist das Haus voller alter Möbel. Benno und Luzie erkunden zunächst die Nachbarschaft, lernen die Nachbarjungen Leon und Mats kennen, treffen ihre Nachbarin Hanne sowie den unheimlichen Gärtner Willem. Mats nennt die alte Villa "Gruselvilla" (S. 15), hat aber mehr Interesse an dem neuen Zuhause von Benno und Luzie als die Geschwister ahnen. Er sucht den Kontakt zu den beiden Kindern: Schließlich findet Luzie zufällig in einem geheimen Versteck einen alten Schlüssel und die Geschwister machen sich gemeinsam mit Mats auf die Suche nach dem zugehörigen Schloss. Dabei stoßen sie auf das Geheimnis der Villa, denn in einem verborgenen Teil des Hauses finden sie Räume voller Flakons, gefüllt mit Düften. Es ist die Duftapotheke, die seit Jahrzehnten existiert und scheinbar von Willem betrieben wird.

Jeder einzelne Flakon war mit einem handgeschriebenen Etikett beklebt. Um die alte Schrift überhaupt entziffern zu können, musste ich ganz nah an die Fläschchen herangehen. […] Ein schmaler Flakon mit rundem Bauch hieß ‚ Wahrhaftiges Aroma’, ein zartrosa Fläschchen 'traumhafte Brise' und ein schnörkeliger hellblauer nannte sie 'Duft der Freiheit'. (S. 78)

Neben diesen Düften mit wohlklingenden Namen gibt es aber auch welche, die gefährlich wirken und mit Bedacht eingesetzt werden sollten wie bspw. "Der Duft der Kälte" (S. 83) oder "Der Duft des ewigen Vergessens" (S. 240). Schneller, als ihnen lieb ist, lernen die Kinder die Gefahren der Düfte kennen. Benno nimmt irrtümlich einen Flakon mit nach Hause, in der Küche verschwindet dieser plötzlich und nach einiger Zeit benehmen sich die Erwachsenen seltsam: Der Postbote wirft Briefe in die Mülltonne, Luzies Mutter vergisst ihre Kinder und auch ihr Vater kann sich nicht mehr erinnern, wer er ist. Den Kindern ist klar, dass dies mit der Duftapotheke zusammenhängen muss und suchen verzweifelt nach einer Lösung, wohlwissend, dass ihnen schon der Feind auflauert...

Kritik

Mittlerweile ist die Welt der Kinderliteratur voll von besonderen Läden, in denen Blumen oder Bücher mit besonderer Magie verkauft werden. Jetzt also eine Apotheke, genauer gesagt, eine Duftapotheke. Allein schon das Wort löst ein Kopfkino aus und man fragt sich: Was haben Düfte mit Apotheke gemeinsam? Diese Frage wird nur am Rande aufgenommen, denn zunächst einmal ist Die Duftapotheke. Ein Geheimnis liegt in der Luft der Auftakt einer neuen vielversprechenden Serie der Autorin Anna Ruhe, die bereits mit ihrem Roman Seeland ihre Leserinnen und Leser begeistern konnte. Wie es sich für einen Auftakt gehört, werden Figuren eingeführt und der magische Ort wird vorgestellt. Nicht alle Fäden, die im Roman entfaltet wurden, werden zusammengeführt. Der Bösewicht verschwindet zwar, doch die Kinder ahnen, dass er wiederkommen wird. Und auch Mats hat ein Geheimnis, denn sein Vater hat vor einigen Jahren plötzlich die Familie verlassen. Mats ahnt, dass dies mit den Düften zusammenhängt. Doch ob und wann er seinen Vater finden kann, bleibt offen. Aber das macht nichts, denn Anna Ruhe erschafft einen spannenden Kosmos voller Zauber, in den man auch in den folgenden Bänden eintauchen möchte.

Gekonnt nutzt die Autorin fantastische Elemente wie magische Düfte, versteckte Schlüssel und Eingänge für geheime Räume in Kellerräumen und versetzt diese in eine fiktiv-realistische Alltagswelt, die Kindern vertraut sein dürfte. Sie beschreibt aus der Sicht der 11-jährgen Luzie, die als Ich-Erzählerin durch die Geschichte führt, ihre Sorgen: Die neue Umgebung, die Trennung von ihrer besten Freundin und auch der nahende Schulbeginn belasten das Mädchen. Doch diese Sorgen werden nach und nach von dem Abenteuer abgelöst, denn es ist nicht nur die Duftapotheke, sondern auch die Rettung der Eltern, die Luzie wachsen lässt. Mit Mats findet sie einen neuen Freund, sodass der neue Schultag nicht mehr so angstbesetzt für sie ist. Trotz der Ich-Erzählinstanz verzichtet die Autorin auf für die Erzählperspektive typischen Merkmale wie etwa Bewusstseinsströme oder innere Monologe. Luzie führt durch die Geschichte, aber Dialoge und Beschreibungen dominieren. Damit wird der Roman auch jüngeren Leserinnen und Lesern, die noch Probleme mit Merkmalen modernen Erzählens haben, zugänglich. 

Ruhe führt mit Luzie und Benno ein sympathisches, erfrischendes Geschwisterpaar ein. Luzie kümmert sich um ihren jüngeren Bruder, ist zwar auch ab und zu genervt, hilft ihm jedoch immer wieder. Auch ihre Eltern sind im Gegensatz zu vielen Elternpaaren der Kinderliteratur – man möchte es fast nicht sagen – normal. Beide sind berufstätig, kümmern sich um ihre Kinder und lassen ihnen viel Freiraum, das Haus sowie die Umgebung zu entdecken. Keine überbesorgte Mutter, die ihre Kinder überall hinfährt und ängstlich auf mögliche Allergien blickt. Vielmehr gehen auch die Eltern ihrem Leben nach, bestehen lediglich auf gemeinsamen Abendessen. Gerade diese Familiensituation zeichnet die Geschichte aus. Sie gibt den Geschwistern Halt und auch ein Vertrauen, die Dinge regeln zu können. 

Anna Ruhe erzählt spannend, baut geschickt Cliffhanger ein und legt auch falsche Fährten, sodass man zwischendurch rätseln kann, wie es weitergeht. 

Kritisch zu betrachten ist jedoch die Covergestaltung, die einfach zu überladen ist. Der Glitzer auf dem Cover weckt die Erwartung, dass der Titel vor allem an Mädchen adressiert sei. Aber dem kann man widersprechen, denn mit Mats und Benno werden zwei interessante Jungenfiguren eingeführt und auch, wenn Luzie ihre beste Freundin vermisst, so werden im Roman keine geschlechterspezifischen Themen angesprochen. Weniger Glitzer und Schnörkeleien hätten der paratextuellen Aufmachung gut getan.

Fazit

Anna Ruhes Romane zeichnen sich durch hohen Einfallsreichtum, auch in Die Duftapotheke. Ein Geheimnis liegt in der Luft fabuliert sie nach Lust und Laune. Sie entwirft sympathisch-skurrile Figuren, die man gerne schnell wiedersehen möchte. Ist man erstmals eingetaucht in die Welt ihrer Erzählungen, kommt man nicht so schnell wieder hoch. Dafür ist noch nicht einmal ein besonderer Duft notwendig. Das spannende Abenteuer ist ein Lesevergnügen für Kinder ab 10, für geübte Leser sogar ab 8 oder 9 Jahren. 

Titel: Die Duftapotheke. Ein Geheimnis liegt in der Luft
Autor/-in:
  • Name: Ruhe, Anna
Illustrator/-in:
  • Name: Claudia Carls
Erscheinungsort: Würzburg
Erscheinungsjahr: 2018
Verlag: Arena Verlag
ISBN-13: 978-3-401-60308-7
Seitenzahl: 264
Preis: 12,99 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Ruhe, Anna: Die Duftapotheke. Ein Geheimnis liegt in der Luft