Inhalt

Der zwölfjährige Max lebt mit seinem alleinerziehenden Vater zusammen, einem liebevollen Apotheker, seit die abenteuerlustige Mutter die Familie in Neuseeland mit einem Krokodiljäger durchgebrannt ist – Max scheint sie nicht zu vermissen, denn er versteht sich mit seinem Vater Pippin Sternheim, der wegen des extravaganten Vornamens darauf besteht, nur Sternheim genannt zu werden (ohne Herr!), sehr gut – alles, was er sich wünscht, ist ein Hund. Die freundliche Putzfrau Lissenkow leistet bei Vater Sternheim Überzeugungsarbeit: Max darf sich einen Hund aussuchen – doch weder im Tierheim noch bei Hundezüchtern findet er den Hund, der emotional zu ihm passt, denn Max ist überzeugt: "Man muss auf den ersten Blick spüren, ob man einen bestimmten Hund haben möchte oder nicht." (S.15). Das Gefühl hat er aber sofort, als ihm beim Landwirt Herrn Edgar, dem besten Freund seines Vaters, der streunende Mischling Bello über den Weg läuft. Hier ist es Hundeliebe auf den ersten Blick. Glücklich nimmt Max Bello mit nach Hause. 

Fast zeitgleich bekommt Papa Sternheim in seiner Apotheke seltsamen Besuch von einer merkwürdigen alten Frau, die ihm ein blaues Elixier überlässt, mit der Begründung, sie habe nicht mehr lange zu leben. Geheimnisumwoben fügt sie hinzu, es handele sich um ein Elixier von Sternheims Großvater, "dem Magier aus der Löwengasse" (S. 24). Sternheim bleibt irritiert zurück. Was es mit der merkwürdigen blauen Flüssigkeit auf sich hat, erfährt der Leser erst, als Bello diese versehentlich trinkt. Max traut seinen Augen nicht: Bello verwandelt sich in einen Menschen! Aus dem Hund Bello wird Herr Bello. Vor Max steht plötzlich "ein nackter, dicht behaarter Mann mit einem Hundehalsband um den Hals, von dem eine Leine herunterhing" (S. 71), der sich durch eigentümliche Sprache auszeichnet. Aus e wird bei Herrn Bello ö, aus ei wird oi. Und die korrekte Verwendung von Personalpronomina klappt auch noch nicht so recht. So kommentiert er die eigene Verwandlung erstaunt mit dem Satz: "Du bist ein Mensch!" (S. 72) bzw. "Bello ist ein Mensch!" (S. 73). Und nicht nur die Vokalverschiebung deutet an, dass die Verwandlung von Hund zu Mensch sich nur in Teilen vollzogen hat. Herr Bello behält seine hündischen Verhaltensweisen bei: Er gräbt Knochen aus, hat einen ausgezeichneten Geruchssinn, schleckt Menschen das Gesicht ab und schläft auf dem Fußboden – Max und sein Vater versuchen, ihm das hündische Verhalten abzugewöhnen – mit mäßigem Erfolg.

Es beginnt eine rasante Verwandlungskomödie zu toben: Herr Bello läuft weg und wird von der Polizei aufgegriffen, wo die Sternheims ihn wieder abholen. Zudem haben auch die Hühner und der Hase von Herrn Edgar von der geheimnisvollen blauen Flüssigkeit getrunken und verwandeln sich ebenfalls in Menschen mit tierischen Verhaltensweisen und auffälliger Sprache. Der Höhepunkt des turbulenten Geschehens: Sowohl Papa Sternheim als auch Herr Bello verlieben sich in die neue Nachbarin Verena Lichtblau, die auch Max sehr sympathisch findet und buhlen um deren Gunst. Als Max´ Vater der Angebeteten die Wahrheit über Herrn Bello erzählt, wendet diese sich enttäuscht von ihm ab und wirft ihm das Erzählen kindischer Lügengeschichten vor, obwohl sie seine Gefühle eigentlich erwidert. Brisant an der Sache: Die Wirkung des Verwandlungssaftes lässt nach und Bello wird wieder zum Hund. Verena Lichtblau kann beim besten Willen nicht glauben, dass Herr Bello und Bello dasselbe Wesen sein sollen, wie die Sternheims steif und fest behaupten.

Von Liebeskummer getrieben macht sich Sternheim mit Max auf die Suche nach der alten Frau, die das Elixier gebracht hatte, und erfährt, dass sie gestorben ist. Doch hinterlassen hat sie ihm, dem Apotheker, eine große Flasche des blauen Wundersaftes. Das ist die Rettung für die Liebesbeziehung zwischen Sternheim und Verena Lichtblau: Der Hund Bello trinkt erneut von dem Elixier und verwandelt sich vor den Augen Frau Lichtblaus wieder in den Menschen Herrn Bello. Das Happyend ist perfekt, als Herr Bello schließlich noch der Colliehündin Adrienne von dem Saft zu trinken gibt, in die er sich als Hund verliebt hatte: Nun hat auch Herr Bello eine menschlich-hündische Partnerin, mit der er in Verena Lichtblaus Wohnung zieht – die zieht nämlich ihrerseits zu Max und seinem Vater.

Kritik

Mit Herr Bello und das blaue Wunder stellt der prominente Kinderbuchautor Paul Maar, bekannt vor allem durch die Sams-Bände, einmal mehr sein meisterhaftes Können im kinderliterarischen Erzählen unter Beweis. Das Buch zeichnet sich durch eine bestechende Leichtigkeit in der Sprache aus, wartet mit viel Wortwitz auf und ist gleichsam lustig und spannend. Sowohl das Thema "Wunsch nach einem Tier" sowie die fantastischen Verwandlungselemente sind zeitlose Kinderthemen, wie wir sie vielfach in Klassikern der Kinderliteratur vorfinden. Viel Freude dürften kindlichen Rezipienten die Sprachspiele machen, die sich vor allem in der schrägen Sprache von Herrn Bello manifestieren, aus denen sich viel Komik speist:

"Das ist keine Suppenschüssel, das ist eine Kloschüssel", sagte Max, während er die Tür hinter Herrn Bello zuzog. "Und vergiss nicht zu spülen, wenn du fertig bist."

"Ja, spülen. Herr Bello spült gerne mit Max," verkündete Herr Bello von drinnen.

"Spülen! Nicht spielen!“" rief Sternheim. (S. 83)

Die komisch-heitere Thematik macht den fantastischen Roman für Kinder ansprechend, er zeichnet sich aber auch durch Doppelsinnigkeit aus, da sich einige humoristische Elemente auch an den erwachsenen Mit-Leser richten, etwa, wenn Sternheim Verena Lichtblau mit ihrer Mitgliedsnummer aus dem Chor bezeichnet: "Heute mal nicht, Edgar. Ich will das Mitglied 39-Strich-Wei nach Hause begleiten." (S. 76)

Anspruchsvoll wird der Kinderroman darüber hinaus durch seine multiperspektivische Erzählweise, welche sich in der Kinderliteratur eher selten findet. Mal erzählt ein heterodiegetischer Erzähler, in anderen Kapiteln kommt Max selbst als homodiegetische Erzählinstanz zu Wort ("Nun erzählt wieder Max") – so changiert die Erzählung zwischen interner Fokalisierung und Nullfokalisierung. 

Das komisch-phantastisch aufbereitete Thema berührt aber auch philosophische Fragen, die das Verhältnis von Mensch und Tier betreffen, verdichtet in der tierisch-menschlichen Präsenz von Herrn Bello, der in der zentralen Verwandlungsszene konstatiert: "Hunde sprechen hundlich, Mönschen sprechen mönschlich. Bello ist ein Mönsch." (S.73) Angesprochen ist in diesem Kontext das Phänomen Sprache, das den Menschen von Tieren unterscheidet. Somit werden beim kindlichen Leser Fragen provoziert, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Menschen und Hunden betreffen und somit auch zu philosophischen Gesprächen und literarischer  Anschlusskommunikation einladen. 

Fazit

So liegt mit Herr Bello und das blaue Wunder ein gleichermaßen lustiges, unterhaltsames, spannendes und vielschichtiges kinderliterarisches Werk vor, das sowohl für den Einsatz im Unterricht der Grundschule als auch für die häusliche Lektüre in der Familie mit Kindern ab 8 Jahren zu empfehlen ist. Dasselbe gilt für die Folgebände Neues von Herrn Bello und Wiedersehen mit Herrn Bello, die qualitativ sowohl auf inhaltlicher als auch auf erzählstruktureller Ebene an den ersten Band anknüpfen können. Kongenial filmisch umgesetzt sind die Abenteuer von Max und Bello in dem von Ulrich Limmer produzierten Film Herr Bello mit Armin Rohde in der Hauptrolle, bei dem Ben Verbong Regie führte.

Titel: Herr Bello und das blaue Wunder
Autor/-in:
  • Name: Maar, Paul
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2005
Verlag: Oetinger
ISBN-13: 978-3-7891-4251-2
Seitenzahl: 223
Preis: 10,90 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Maar, Paul: Herr Bello und das blaue Wunder