Inhalt

Tessa ist eine klassisch tragikomische Heldin des Kinderromans: Tollpatschig und unbeholfen stolpert sie den Leserinnen und Lesern schon auf der ersten Buchseite entgegen und tritt (ähnlich wie z.B. Molly in Holly-Jane Rahlens Mauerblümchen) auf wie eine moderne Schelmin. Wir lernen Tessa kennen, als sie sich, gerade einem Tagtraum von der Popstar-Karriere entwichen, in den sich schließenden Türen der Hamburger S-Bahn einklemmt und damit ein Verkehrschaos im Netz des HVV verursacht. Missgeschicke dieser Art kommentiert die Ich-Erzählerin und Protagonistin mit karnevalesker Komik, die den Slapstick einzelner Momente durch szenisches Erzählen betonen: "Das darf doch nicht wahr sein! Ich stecke tatsächlich zwischen der S 1 und der Bahnsteigkante im Gleisbett fest." (S. 10). Doch, es kann wahr sein und es wird auch noch viel turbulenter. Bei diesem Unfall, den Tessa unbeschadet übersteht, lernt sie eine sprechende Rennmaus namens Hector kennen, die sich ihr eigenwillig anschließt bei dem, was die Achtklässlerin antreibt: Tessas Traum ist es, Mitglied der angesagten Girlband "Gimme Four" zu werden. Und tatsächlich! Es gelingt: Tessa besteht das Casting als neue Gitarristin mit Hilfe ihres phantastischen Begleiters, denn der schaltet alle möglichen Konkurrentinnen gezielt (und natürlich heimlich) aus. Tessa kann ihr Glück kaum fassen und reist nun mit den Bandmitgliedern Kim, Mia und Alex und deren Managerin Marianne zu einem Auftritt nach Berlin, wo sie im Luxushotel Adlon unterkommen. Doch alles läuft ganz anders als erwartet. Nicht nur, dass Kim, Mia und Alex das neue Bandmitglied offen ausgrenzen und anfeinden, darüber hinaus wird schnell deutlich, dass diese offenbar in einen Kriminalfall verwickelt sind, denn im Instrumentenkoffer tauchen Waffen auf. Und auch Marianne benimmt sich äußerst zwielichtig. Gemeinsam mit Hector nimmt Tessa die Ermittlungen auf und macht dem Namen der neuen Serie von Frauke Scheunemann alle Ehre: Plötzlich Geheimagentin!

Kritik

Die Stärke dieses Serienauftakts, der auf bewährte Muster und Motive der Kinderliteratur zurückgreift, ist sein Mut zur Innovation, die in der einigermaßen gewagten Kombination von Motiven besteht, die nicht in jedem Kinderbuch aufeinandertreffen: die komische Heldin, die sprechende Maus als phantastische Helferfigur, die Kriminalgeschichte, die sich im Kontext eines klassischen Mädchentraums von einer Karriere als Popstar ansiedelt und schließlich noch eine Portion Sozialkritik, die bei der Auflösung des Kriminalfalls zu Tage tritt: Managerin Marianne und die Mädchen sind einer kriminellen Vereinigung auf der Spur, die weltweit mit Blutdiamanten handelt:

Blutdiamanten sind Diamanten, die aus Krisengebieten stammen. Mit ihrem Handel werden ganze Bürgerkriege finanziert. Waffen werden gekauft, Kindersoldaten werden ausgebildet, die Spirale der Gewalt nimmt kein Ende! Der Handel mit diesen Steinen ist eigentlich verboten, aber skrupellose Zwischenhändler kümmern sich nicht um dieses Verbot. Sie liefern die Steine weiterhin in alle Welt, die Herkunftszertifikate fälschen sie einfach (S. 169),

so erfahren Tessa und mit ihr die Leserinnen und Leser durch die Figurenrede Kims. Manch einem mag die Handlung thematisch überladen erscheinen, doch liest man den Text als modernen komischen Kinderroman, der an der Grenze zwischen Realistik und Phantastik angesiedelt ist, ist die Lektüre durchaus empfehlenswert. Die Protagonistin ist sympathisch, die Handlung hat Witz und Tempo und erfährt immer wieder ironisch-komische Brüche, etwa wenn die sprechende Maus erklärt, ihr kriminalistisches Gespür an der Rezeption von Tatort ausgebildet zu haben, was sie durchaus weiterbringt. Während Tessa sich noch wundert, "dass sich Hector hier als Kenner des deutschen TV-Programms erweist" (S. 142), erschnüffelt das Mäuschen schon Patronenhülsen unter dem Hotelbett.

Kurzum: Wer T wie Tessa als eine von vielen wie vom Band erzeugten Mädchenserien abtut, die auf den Wühltischen der Buchhandlungen dominieren, der liegt falsch: Frauke Scheunemanns irrwitzige Kriminalerzählung weiß nicht nur zu unterhalten, sondern funktioniert in ihrer gesamten erzählerischen Anlage und bildet deutlich den Zeitgeist aktueller Jugend ab. Im Kinderbuch verbinden sich traditionelle Erzählmuster mit gesellschaftskritischen Botschaften in einem karnevalesken Slapstick-Stil voller intermedialer Referenzen.

Fazit

Empfehlenswert wegen der rein weiblichen Perspektive wohl primär für Mädchen ab 11 Jahren. Voraussetzungsreich ist die Lektüre nicht, leicht lesbar, unterhaltsam und komisch. Auf weitere Abenteuer von Tessa und Hector kann man sich freuen!

Titel: T wie Tessa – Plötzlich Geheimagentin
Autor/-in:
  • Name: Scheunemann, Frauke
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Loewe Verlag
ISBN-13: 978-3-7432-0392-1
Seitenzahl: 236
Preis: 12,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Scheunemann, Frauke: T wie Tessa – Plötzlich Geheimagentin