Thomas Boyken und Ella Margaretha Karnatz wiesen in ihrem Einführungsvortrag zunächst darauf hin, dass sich die (literaturwissenschaftlichen) Publikationen zum Thema Autorinszenierung vornehmlich auf die Allgemeinliteratur konzentrieren; die Kinder- und Jugendliteratur ist mit Blick auf Autorschaftsinszenierung ein blinder Fleck. Es folgte eine Klärung grundlegender Begrifflichkeiten wie etwa ‚Praktiken‘, ‚Bilder‘ und ‚Autorschaftsmodell‘ (poeta vatespoeta doctus, Erziehungsschriftsteller etc.). Unter Rekurs auf Ewers’ These, dass „die Geschichte des Kinderliteraturbereichs zugleich eine Geschichte des Niedrighaltens, ja, der Unterdrückung der Autorposition“ (Ewers 2012, S. 218) sei, wäre zu diskutieren, ob und wenn ja wie genau sich eine schwache Autorschaftsposition in der Kinder- und Jugendliteratur realisiert. Anschließend ging es darum, dass Praktiken von Autorschaft nicht losgelöst von einem gesellschaftlichen System oder Feld zu verstehen sind. Hier schließt sich laut Boyken und Karnatz die Frage an, ob Kinder- und Jugendliteratur als Subsystem bzw. Subfeld mit eigenen Gesetzmäßigkeiten zu begreifen ist und inwiefern es mit dem gesamtliterarischen Feld in Wechselwirkung steht. Mit Rückgriff auf Sabine Kyoras Subjektform ‚Autor‘ kamen Boyken und Karnatz schließlich auf spezifische Praktiken zu sprechen und stellten die These auf, dass im Feld der Kinder- und Jugendliteratur Zugewandtheit zum Publikum eine dominante Praktik von Kinder- und Jugendbuchautor:innen sei. 

Im Eröffnungsvortrag hat sich Lena Hoffmann (Bielefeld) mit der „Selbstinszenierung von Autor:innen von Kinder- und Jugendliteratur in ihren poetologischen Texten“ befasst. Anhand der poetologischen Positionierungen u. a. von Enid Blyton konnte Hoffmann zeigen, dass man im Feld der Kinder- und Jugendliteratur einige Besonderheiten beachten müsse. So heben die Autor:innen immer wieder – und im Gegensatz zu Autor:innen der Allgemeinliteratur – ihre (pädagogische) Eignung für das Schreiben für Kinder und Jugendliche hervor. Beglaubigt wird dies vornehmlich durch Lebenserfahrung. Dies reicht über die Betonung der eigenen Elternschaft als Expertentum bis zu Selbstaussagen, dass bestimmte Figuren im Spiel mit Kindern entwickelt wurden. Diese Praktiken zielen auf die Erzeugung von Authentizität, die im Feld der Kinder- und Jugendliteratur offenbar einen hohen Wert zu besitzen scheint. Prekär wird dieser Diskurs jedoch, so Hoffmann, wenn pädagogische und kunstautonome Vorstellungen konfligieren. Mit Blick auf Grenzgänger:innen zwischen der Allgemein- und der Kinder- und Jugendliteratur können diese Diskurse weiter differenziert werden. 

Ella Margaretha Karnatz (Oldenburg) stellte anhand von Podcasts mit Andreas Steinhöfel und Elisabeth Steinkellner die Positionierungen von Autor*innen im literarischen Feld vor. Bevor sie zu den Beispielanalysen kam, ging sie auf Parameter des Subfelds der Kinder- und Jugendliteratur ein (z. B. auf die gewachsene KJL-Kritik). Anhand von Audiosequenzen verdeutlichte sie, dass Steinhöfel und Steinkellner auf ihre Autonomie und Individualität beim Schreiben verweisen würden. Dies zeige sich beispielsweise daran, dass Steinhöfel kein Interesse daran äußere, thematischen Vorgaben von Verlagen und literarischen Trends zu folgen. Auch bei Steinkellner lasse sich laut Karnatz eine kunstautonome Positionierung erkennen, wenngleich diese zurückhaltender formuliert sei als bei Steinhöfel. Insgesamt stellte Karnatz fest, dass die Inszenierung beider Autor*innen in Abgrenzung vom pädagogischen Feld und in Richtung des gesamtliterarischen Feldes ziele, z. B. über die Kritik an der fehlenden Wertschätzung von Kinder- und Jugendliteratur.

Inger Lison (Braunschweig) analysierte in ihrem Vortrag „#writersofinstagram. Autorschaftsinszenierung und Positionierung von Kinder- und Jugendbuchautor:innen auf Social Media“ die Instagram-Profile von Tamara Bach, Nils Mohl, Kirsten Boie und Ursula Poznanski. Lison fragte unter anderem in Anlehnung an die Analyse der Facebook-Profile von Elisabeth Sporer, welche Form der Inszenierung auf den Instagram-Profilen der Autor*innen hervorstechen würde. Sie stellte etwa fest, dass bei Tamara Bach die Autorin selbst und bei Nils Mohl das Werk im Mittelpunkt stehen. Boie benutze den Social Media-Account zur Darstellung von sozialem und gesellschaftlichem Engagement sowie zur Rehabilitierung, während Poznanski mit dem Account zum Beispiel Nahbarkeit initiiere.

Marcella Fassio (Berlin) beobachtete in ihrem Vortrag „Sad girls – sad writers? Digitale Performanzen melancholischer Weiblichkeit bei Young Adult Literatur-Autorinnen der Gegenwart“, wie sich Kate Elizabeth Russel und Eliza Clark – zwei Vertreterinnen der sog. Young Adult Literature – in sozialen Medien als Sad Girls inszenierten. Dafür stellte Fassio zunächst Aspekte der Sad Girl-Theorie vor, wie etwa die Ästhetisierung weiblicher Traurigkeit (z. B. das Bett als Fotokulisse), das Veröffentlichen von Tabuthemen und die Thematisierung von selflove. Fassio konnte herausstellen, dass eine Kongruenz zwischen Sad Girl-Ästhetik und New Adult Literature bestehe. Die fiktiven Sad Girls der Romane würden in der Inszenierung in den sozialen Medien wieder auftauchen. Dabei stehe die Inszenierung der eigenen Unzulänglichkeit im Vordergrund. Diese Selbstdarstellung lasse sich feministisch als Protest verstehen, wenngleich (z. B. durch die Romantisierung toxischer Beziehungen) traditionelle Geschlechterbilder und -rollen reinszeniert werden.

Ksenia Kuzminykh (Göttingen) beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Intention und Konstruktion eines Autorbildes. Dazu fragte sie in ihrem Vortrag nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Aussagen aus Peritexten und literarischen Texten der internationalen Autorinnen Zoulfa Katouh, Malala Yousafzai, Kirsten Boie und Hannah Gold. Aus den Texten von Malala Yousafzai konnte Kuzminykh z. B. Plädoyers für Mädchenbildung extrahieren. Bei der deutschen Autorin Kirsten Boie stünden zuletzt insbesondere die Auseinandersetzung mit historischen Narrativen – insbesondere mit der deutschen Vergangenheit – im Vordergrund. In literarischen Texten und Paratexten der britischen Kinderbuchautorin Hannah Gold ging es dagegen vornehmlich um klimapolitische Aspekte. Anhand dieser Beispiele fragte Kuzminykh nach einer Möglichkeit, trotz ihrer Nicht-Ermittelbarkeit von einer Autorintention sprechen zu können.

Mit dem Vortrag „Im Spiegel – (Fremd-)Inszenierungen des Autors Wilhelm Speyer in der Weimarer Republik“ von Marlene Illies (Bielefeld) wurden historische Inszenierungspraktiken perspektiviert. Illies hat sich dabei auf den Autor Wilhelm Speyer konzentriert, der wohl als ‚stiller‘ Autor gelten dürfte. Eigene Autorschaftspositionierungen sind jedenfalls eher selten; dafür fallen die zahlreichen Fremdinszenierungen auf, mit denen sich Illies intensiv auseinandergesetzt hat. Als Unterhaltungsschriftsteller, der v. a. mit dem Roman „Der Kampf der Tertia“ bekannt geworden ist, bieten die Fremdinszenierungen die Möglichkeit, Speyer als einen (typischen) Vertreter einer spezifischen Autorschaft der Weimarer Republik zu deuten. 

Ada Bieber (Berlin) richtete in ihrem Vortrag den Blick auf den australischen Künstler Shaun Tan. Mit einer literatur-, buch- und kunstwissenschaftlichen Herangehensweise ging Bieber der These nach, dass sich Shaun Tan in sozialen Netzwerken nicht als „author-illustrator“ (Erica Hateley), sondern vielmehr als „artist-author“ stilisiere. Von Verlagen und Kulturinstitutionen werde bei Shaun Tan vor allem das Erzählen in den Vordergrund gestellt, seine Selbstinszenierungen zeigt jedoch eine andere Facette. Darin inszeniere sich Tan eher zurückhaltend und als autonomer Künstler. Die sozialen Medien nutze er für die Ausstellung seiner Malerei und Skulpturen, wodurch das Primat der Sprache in Frage gestellt werde. Mit Tan (wie auch mit Cornelia Funke) ließen sich demnach Grenzverwischungen zwischen den Künsten nachverfolgen, die im Feld der Kinder- und Jugendliteratur bereits lange von Bedeutung sind. 

Maria Becker (Zürich) eröffnete den zweiten Tagungstag mit einem Vortrag über das Spyri- und Heidi-Archiv in Zürich und dessen Bestände. In Zürich gibt es insgesamt zwei Archive: das Johanna Spyri-Archiv in der Bibliothek des Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) und das Heidi-Archiv in der Zentralbibliothek. Obwohl Spyri nicht wollte, dass ihr Nachlass an die Öffentlichkeit gelangt, können im Johanna Spyri-Archiv viele ihrer Briefe, Postkarten und Fragmente eingesehen werden. Das Heidi-Archiv konzentriert sich auf Spyri und ihre Familie. Neben Originalbriefen können Manuskriptfragmente, Verlagsverträge und Notizen Spyris eingesehen werden. Anlässlich der Nominierung zum UNESCO-Weltdokumentenerbes haben sich die beiden Archive zusammengeschlossen. Becker wies auf den umfangreichen Nachlass Spyris hin und darauf, dass sich im Archiv noch viele bisher nicht gesichtete Dokumente befinden.

Sigrid Nieberle (Dortmund) präsentierte in ihrem Vortrag Emanzipierte Autorschaft: Johanna Spyri verschiedene Forschungsperspektiven auf Johanna Spyri. Dabei bezog sie sich unter anderem auf die Autorfunktion nach Foucault und dessen „Ordnung des Diskurses“ (1970). Anhand von Beispielen veranschaulichte sie, wie es Frauen aufgrund des erschwerten Zugangs zu Bildung schwer hatten, sich einen Namen zu machen. Johanna Spyri begann unter dem Pseudonym „J. S.“, gab aber später ihren vollen Namen an. Charakteristisch für Spyris Werkherrschaft seien die verschiedenen Adressierungen ihrer Texte wie „für Kinder und auch für solche, welche die Kinder lieb haben“. Nieberle ging ferner auf die Rezeption, Kanonisierung und Autorisierung von Spyris Werken in verschiedenen medialen Formen ein, darunter Verfilmungen, Biopics und Zeichentrickserien. Zusammenfassend betonte Nieberle die Abstraktheit von Autorschaft und stellte die Frage nach der Emanzipation von Frauen in diesem Kontext. Sie wies auf Widersprüche und Ambivalenzen hin, insbesondere im Hinblick auf die Präsenz im Diskurs. Die Vielschichtigkeit von Spyris Werk wurde anhand des Bildes der „grünen Fläche der Alp“ aufgezeigt, das Raum für unterschiedliche Interpretationen lässt. Letztlich stellte Nieberle heraus, dass nicht Spyri als Person sich emanzipierte, sondern das Zeichen ‚Spyri‘ sich situativ losgelöst und somit emanzipiert habe.

Thomas Boyken (Oldenburg) beschloss mit seinem Vortrag „Wir werden eine Geschichte erzählen, die es noch nicht gibt und die keiner kennt“: Praktiken der Autorschaft im Vollzug in „Otfried Preußler lädt ein“ die Tagung. Dabei analysierte Boyken kollektive Autorschaftspraktiken im Rahmen der Fernsehsendung „Otfried Preußler lädt ein“. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die spontane Entstehung einer erzählten Geschichte durch Preußler, James Krüss, Barbara Bartos-Höppner und Peter Härtling in der genannten Fernsehsendung. Neben geschlechtsspezifischen Praktiken, die v. a. auf Kosten von Bartos-Höppner gehen, identifizierte Boyken Mündlichkeit und die damit verbundene Herstellung von Nähe als zentrales Element der Autorinszenierung. Er diskutierte die theoretischen Fluchtpunkte des mündlichen Erzählens unter Rekurs auf Walter Benjamins Unterscheidung von Erzähler und Schriftsteller. Dabei zog er abschließend eine Verbindung zu Preußlers Poetik, der die magische Illusion des Erzählens als Instrument verstanden habe, um die schöpferische Kraft der Rezipienten zu aktivieren. In Anlehnung an die sprachwissenschaftliche Modellierung von Koch/Österreicher ließe sich von konzeptioneller Mündlichkeit sprechen, die nicht nur ein Spezifikum der Poetik Preußlers, sondern auch für kinder- und jugendliterarische Texte typisch sein könnte. 

In der Abschlussdiskussion wurden verschiedene Bereiche, die in mehreren Vorträgen eine Rolle gespielt haben, hervorgehoben. Natürlich wurden im Rahmen der Vorträge unterschiedliche Bilder und Praktiken von Autorschaft im System bzw. Feld der Kinder- und Jugendliteratur herausgearbeitet. Gleichwohl lassen sich zum einen gewisse Orientierungen an bestehenden Autorschaftsmodellen erkennen. Auch unterschiedliche Autorpoetiken, die sich mal mehr und mal weniger an kunstautonome Vorstellungen annähern, wurden in der Abschlussdiskussion thematisiert. Grundsätzlich wäre aber zu erörtern, inwiefern sich in der KJL spezifische Autorschaftsmodelle entwickelt haben. Denn zum anderen wurden die Spezifika von Autorschaft in der KJL hervorgehoben. Dies sind insbesondere Praktiken, die Identität zwischen Text und Textproduzent:innen suggerieren und die Zugewandtheit zum Lesepublikum und Nahbarkeit vermitteln. Daneben wären Verfahren der Herstellung von (konzeptioneller) Mündlichkeit und die Verbindung von Text, Bild, Medialität und Materialität zu nennen. Insbesondere die Klappentexte und andere Paratexte sind für diese Fremdinszenierungen von Bedeutung. Wichtig wäre hier jedoch eine Unterscheidung zwischen Kinderliteratur und Jugendliteratur. In der Abschlussdiskussion wurde die Frage erneut aufgegriffen, ob es sich bei KJL um ein eigenständiges Feld oder ein Subfeld bzw. ein System oder Subsystem handelt. Dass sich viele Vorträge mit Autorschaftspraktiken in den Sozialen Medien befasst haben, war auffällig. Eine Erklärung für diese Schwerpunktsetzung wäre zu diskutieren. Insgesamt bleibt der Bereich der Autorschaftsinszenierung in der KJL weiterhin ein Forschungsbereich, der sowohl mit historisch orientierten Studien als auch mit Arbeiten, die sich auf Praktiken in den sog. Neuen Medien befassen, weiter ausgefaltet werden sollte.