Explikat

Ulrich Huse definiert me-too-Produkte in Verlagsmarketing als "Nachahmerprodukte […], die gelungene Innovationen imitieren, um an deren Erfolg zu partizipieren" (Huse 2013, S. 154). In seinem Buch hebt er stark auf die Ausstattung und das Design von erfolgreichen Titeln ab, also zum Beispiel abwaschbare Cover im Kochbuchbereich oder Wolkenschrift bei Frauenromanen à la Cecilia Ahern, die von Marktfolgern imitiert werden. Der Buchgestalter Robert Schumann beklagt die Entwicklung hin zu immer mehr Nachahmerprodukten: "Eine funktionierende Gestaltungsmechanik wird schnell kopiert, um ebenso erfolgreich zu sein. Der Markt sieht derzeit auf manchen Tischen gleichgestaltet/gleichgeschaltet aus" und ruft die Verlage zu mehr Innovations- und Risikobereitschaft auf (Schumann 2010). Neben der Imitation von Ausstattungsmerkmalen lassen sich auch auf inhaltlicher Ebene Nachahmungsstrategien ausmachen; nicht zufällig wurden die Kinder- und Jugendbuchregale im Buchhandel in jüngerer Vergangenheit von diversen magischen Gestalten bevölkert oder enthielten zahlreiche dystopische Romane.

Wulf D. v. Lucius führt in seinem Lehrbuch zur Verlagswirtschaft bezüglich einer Nachahmerstrategie, die er maßgeblich im Mass Market verortet, aus: "Die schlechteste Variante – leider durchaus nicht selten zu beobachten – ist eine, die man als 'Karaoke-Strategie' bezeichnen könnte: Ein Verlag macht die (in der Regel schlechtere) Kopie des Marktführers, den er meist schon aus Gründen der Unternehmensgröße und damit verbunden der Marktstärke nicht erreichen kann, anstatt ein eigenes Profil, eine eigene Position (und sei es in der Nische) aufzubauen" (v. Lucius 2014, S. 73). Folgt man der Einschätzung von Bärbel Renner, dass die Qualität und das Profil des Programms das Image des Verlags wesentlich prägen und identitätsstiftende Basis bilden für Verlagsleitung, Mitarbeiter, Handel, AutorInnen sowie MultiplikatorInnen, Medien, Handel und LeserInnen, wird schnell klar, warum dies aus Sicht der Verlage problematisch sein kann: "Häufig bleibt das Profil des Verlages jedoch unklar" (Renner 2006, S. 68). Allerdings gilt es in Bezug auf das mittlerweile nicht nur im Kinder- und Jugendbuchmarkt weit verbreitete Phänomen der Copycat-Produkte, die beispielsweise in unüberschaubarer Zahl in Anlehnung an die ursprünglichen Cover der Biss-Reihe von Stephenie Meyer beim Carlsen Verlag (mit dunklem Hintergrund, geschwungener Schrift und floralen Motiven) oder in neuerer Zeit als zahlreiche Varianten der Covergestaltung der dystopischen Panem-Trilogie zu finden sind, auch die Seite der Rezipienten zu betrachten.

Hierzu kann die aus der (Medien-)Ökonomik stammende Kategorisierung von Gütern herangezogen werden. Während es sich bei Inspektionsgütern um solche Güter handelt, "bei denen eine Nutzenbewertung ex ante, also im Voraus, möglich ist, kann der Nutzer bei Erfahrungsgütern die Qualität erst während oder nach dem Konsum beurteilen" (Vogel 2011, S. 109). Eine mögliche Reaktion auf dieses Problem besteht im Versuch des Markenaufbaus. Marken sollen dabei als Indiz für Qualität gelten und dem Nachfrager eine Wertabschätzung ex ante erleichtern (Schumann/Hess 2006, S. 36). Im Rahmen der Markenpolitik bezeichnet Carsten Baumgarth me-too-Strategien schlichtweg als Imitationsstrategien (Baumgarth 2001, S. 121). Im Sinne eines Signaling (Bereitstellung von Informationen durch die besser informierte Seite – hier also durch den Verlag) werden Ähnlichkeiten mit bereits existierenden (erfolgreichen) Büchern bewusst eingesetzt, um den potenziellen Konsumenten eine bestimmte Qualität zu signalisieren.

Ein augenfälliges Beispiel für Me-Too-Produkte im Kinderbuchsegment sind die unzähligen Minibilderbuch-Serien. In Deutschland machte das Pixi-Buch den Anfang (Carlsen, ab 1954), und es folgten schnell die Pevau-Bücher, Jussi-Bücher, Lino-Bücher usw. Immer wieder lancieren Konkurrenten des Carlsen Verlags Minibilderbuchreihen, in der Hoffnung, an die Langlebigkeit und den Erfolg der Pixi-Reihe anzuknüpfen. Die Abwehrstrategie des Carlsen Verlags besteht darin, dass das Pixi-Format 10x10 cm in den 1990er Jahren markenrechtlich geschützt wurde (Norrick-Rühl/Vogel 2013, S. 119). Grundsätzlich können Verlage auch durch eine fristgerechte Beantragung von Titelschutz versuchen, Konkurrenten das Trittbrettfahren zu erschweren.

Forschungsgeschichte

Me-Too-Produkte sind häufig im Bereich der Unterhaltungsliteratur und der populären Lesestoffe vorzufinden, zwei Bereiche, die bislang wenig Aufmerksamkeit in der Literatur- und Buchwissenschaft erhalten haben. Dadurch stellen Nachahmerprodukte im Kinder- und Jugendbuchmarkt (und im Buchmarkt allgemein) im nationalen wie im internationalen Kontext weitestgehend ein Forschungsdesiderat dar.


Bibliografie

  • Baumgarth, Carsten: Markenpolitik. Markenwirkungen – Markenführung – Markenforschung. 2. Aufl. Wiesbaden 2004; Geschichten-Werkstatt.
  • Huse, Ulrich: Verlagsmarketing. CampusBasics buch + medien 1. Frankfurt: Bramann, 2013.
  • Norrick-Rühl, Corinna und Anke Vogel: Kleine Bücher mit großer Wirkung. Prolegomena zur Erforschung des Pixi-Buchs. In: Kinder- und Jugendliteraturforschung 2013/14. Hrsg. von Bernd Dolle-Weinkauff, Hans-Heino Ewers und Carola Pohlmann. Frankfurt: Peter Lang, 2014. S. 119–131.
  • Norrick-Rühl, Corinna/Vogel, Anke: Minibilderbuch. In: KinderundJugendmedien.de. Fachlexikon/Sachbegriffe. http://www.kinderundjugendmedien.de/index.php/begriffe-und-termini/1450-minibilderbuch (09.12.2015).
  • Renner, Bärbel G.: Kommunikationspolitik im Kinderbuchmarkt. München: Anja Gärtig Verlag, 2006.
  • Schumann, Matthias/Hess, Thomas: Grundfragen der Medienwirtschaft. Eine betriebswirtschaftliche Einführung. 3., aktualisierte und überarb. Aufl. Berlin/Heidelberg: Springer 2006.
  • Vogel, Anke: Der Buchmarkt als Kommunikationsraum. Eine kritische Analyse aus medienwissenschaftlicher Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag 2011.
  • v. Lucius, Wulf D.: Verlagswirtschaft. 3. überarb. und erweiterte Aufl. Konstanz und München: UVK 2014.

Internet

  • Schumann, Robert: Covergestaltung: Die Zukunft gehört den Mutigen. Wer auf Massengeschmack setzt, erreicht vor allem eines: massenhaft Langeweile. In: boersenblatt.net vom 24.06.2010. http://www.boersenblatt.net/387697/.