Inhalt
Als Hannes erfährt, dass Tom mit seinen Eltern über die Weihnachtsferien verreist und den Wellensittich Bubi, der seinem Großvater gehörte, nicht mitnehmen kann, muss Hannes nicht lange überlegen: Da er schon lange ein Haustier haben möchte und er über Weihnachten bei der Nachbarin Frau Moll die Blumen gießen soll, versteckt er Bubi kurzerhand in der Nachbarwohnung. So hofft er, genügend Zeit zu haben, um seine Eltern überreden zu können, Bubi zu behalten.
Da Weihnachten ist, hat Hannes aber noch ganz andere Probleme: Seine Schwester Luzie hat eine feine Antenne und bemerkt sofort, was Hannes im Schilde führt und ist mehrmals kurz davor, das Geheimnis um Bubi zu verraten, was nicht selten in Erpressung mündet und Hannes in den Wahnsinn treibt. Seine Eltern sind ebenfalls gestresst: Tante Traudl, die sich jedes Jahr zu Weihnachten ankündigt und für die jedes Jahr Gänsebraten angerichtet und ein prächtig geschmückter Weihnachtsbaum aufgestellt wird, liegt mit Grippe im Bett, so dass Weihnachten ganz anders ausfällt, als Familie Trautwein das gewohnt ist. Hannes ist bald mehr als überfordert: Er muss seine Schwester im Zaum halten, Bubi in der Nachbarwohnung versorgen, der schon anfängt, sich die Federn aus Langeweile auszurupfen, und gegenüber den Eltern vortäuschen, ständig in Frau Molls Wohnung die Blumen gießen zu müssen. Als wäre das nicht genug, kommt Hausmeister Dobelmann Hannes ständig in die Quere: Bubi, der von Toms Großvater ein ziemlich lautstarkes Husten übernommen hat, ist in Dobelmanns Wohnung zu hören. Und Dobelmann wird langsam misstrauisch.
Als Bubi nach Weihnachten merklich Federn verliert, hält Hannes es nicht mehr aus und holt Bubi in sein Zimmer. Aber er hat nicht mit seiner Schwester Luzie gerechnet, die Bubi unbedingt sehen will. Noch gelingt es Hannes, Luzie unter Drohungen von Bubi fernzuhalten. Doch als sich Tante Traudl, die inzwischen wieder genesen ist, für den 6. Januar ankündigt, schlägt für alle "die Stunde der Wahrheit" (Klappentext): Hannes' Mutter eröffnet Tante Traudl, dass sie den ganzen Weihnachtszirkus immer nur veranstaltet hat, weil sie die alte Bidermeier-Kommode später erben möchte, Tante Traudl gesteht, dass sie den fettigen Gänsebraten noch nie wirklich mochte, da sie anschließend Verdauungsprobleme hatte und Hannes' Vater sagt, dass er die Zigaretten, die er immer von Tante Traudl geschenkt bekommen hat, weiterverschenkt habe, da er selbst seit Jahren nicht mehr rauche. Hannes gesteht, dass ihm die jährlichen Strickstrümpfe zu groß sind und seine Mutter sie als Bettsocken trägt, aber nur – so ergänzt Luzie – weil sie sie draußen nicht tragen will, weil sie so hässlich seien. Und dann geschieht auch noch das Unglaubliche: Luzie will, dass Bubi mit ihr spricht und lässt versehentlich die Käfigtür offen, so dass Bubi durch die Wohnung fliegt, erst in der Mousse au Chocolat landet und dann schließlich in den Tannenbaum fliegt, wo er hustend sitzen bleibt und mit seinem Spiegelbild in den Christbaumkugeln spielt.
Am Ende wird alles gut: Hannes' Mutter gesteht, dass sie gar keine Allergie hat, sondern nur kein Tier in der Wohnung wollte. Und eigentlich finden sie und Hannes' Vater Bubi ja auch ganz niedlich, zumal auch Tante Traudl von dem kleinen Vogel ganz angetan ist, so dass Bubi bleiben darf, der sich ganz schnell in die Familie eingliedert:
Mit der Husterei hat Bubi inzwischen aufgehört, auch die Übertragung der Bundsliga [sic!] haben wir nie mehr von ihm gehört. Dafür macht er Luzie nach, wenn sie ruft: 'Der Blutdruck fällt! Sein Herz bleibt stehen! Her mit dem Herzbügeleisen!' Oder Mama, wenn sie mal wieder mit Papa schimpft, weil er stundenlang hinter dem Computer hockt. (S. 121)
Kritik
Sabine Ludwig ist mit Wer hustet da im Weihnachtsbaum? eine kurzweilige Geschichte gelungen, die das (vor-)weihnachtliche Chaos einer Familie zeigt, in der nicht nur jeder seine Geheimnisse hat, die er unbedingt geheim halten möchte – und die doch letzten Endes ans Tageslicht kommen –, sondern wo man v.a. "aus falsch verstandener Höflichkeit nicht die Wahrheit sagen will" (S. 107f.), wie Hannes' Vater resümiert. Dass sich dann doch noch Missverständnisse und Geheimnisse aufklären, ist gut so und lässt die Familienmitglieder noch enger zusammenrücken.
Die Geschichte wird aus der homodiegetischen Perspektive von Hannes erzählt, der im Spagat zwischen der Moll'schen Wohnung und dem dort versteckten Bubi und seiner Familie agieren und so manche Notlüge erfinden muss, damit ihm niemand auf die Schliche kommt. Dabei präsentiert er sich als pfiffiger, aufgeweckter Junge, dessen Verantwortungsbewusstsein deutlich zutage tritt: Er will sich um Bubi kümmern, gibt sein ganzes Taschengeld für ihn aus und schleicht sich sogar nachts aus der Wohnung, um nach Bubi zu schauen.
Auch die anderen Protagonisten überzeugen allesamt in ihrer Konzeption: So ist Hannes mit einer nervenden Schwester geschlagen, die Hannes ihrerseits mit dem Wissen um Bubi erpresst, um das zu bekommen, was sie will, z.B. Hannes' nagelneue Wasserpistole. Hannes' Eltern werden als normale Eltern gezeigt, die keineswegs perfekt erscheinen, dem Leser so aber viel Potential bieten, sich mit der Familie zu identifizieren: Hannes' Mutter schmiert sich beim Kekse backen Teig in die Haare und vergisst, Zimt an den Teig für die Zimtsterne zu tun und Hannes' Vater recherchiert alle möglichen Dinge im Internat, die er dann freudestrahlend der Familie präsentiert. Schlimm wird es hier z.B. für Hannes, als es darum geht, ob man Wellensittiche essen kann und sein Vater prompt im Internet ein Rezept für Wellensittich im Schinkenmantel findet und vergnügt vorlesen will. (vgl. S. 42) Und in Tante Traudl findet der Leser wohl die Tante aus der eigenen Familie, die gutmütig und gut gemeint die gleichen Weihnachtsgeschenke verschenkt und immer das alte Geschenkpapier aufbügelt.
Die Moral der Geschichte, nämlich dass falsche Höflichkeit oftmals zu Missverständnissen und Situationen führt, denen man lieber ausweichen möchte, kommt keinesfalls mit dem sprichwörtlichen Holzhammer daher, sondern wird in einer logisch konstruierten und sprachlich unterhaltsam geschriebenen Geschichte verpackt, in der auch der Humor nicht zu kurz kommt. So ist es einfach lustig zu lesen, dass Luzie "Stihille Nacht" mehr grölt als singt (vgl. S. 20) und die Familie einen neuen Weihnachtsbaum braucht, weil sich Tante Traudl nun doch angekündigt hat, der alte Baum aber schon entsorgt ist, da er das Wohnzimmer vollgenadelt hat und man nun auf der Straße den Baum des Hausmeisters Dobelmann entdeckt hat und ihn in die Wohnung stellen will – mit ungeahnten Folgen...
Und schlussendlich ist es natürlich Bubi, der eigentliche Protagonist des Buches, der einfach zu niedlich ist und bei dem man Hannes nur wünschen kann, dass er ihn behalten darf, v.a. weil er ihn mit so viel Verantwortung gepflegt hat, ohne die Eltern damit zu behelligen.
Fazit
Wer hustet da im Weihnachtsbaum? von Sabine Ludwig ist eine unterhaltsame Weihnachtsgeschichte, die überzeugt durch eine stimmige Story, herrlich erfrischende Figuren und einen kleinen tierischen Protagonisten, der der eigentliche Star der Geschichte ist. Das chaotische Weihnachtsfest, das Ludwig entwirft, dürfte so mache Entsprechung im Alltag der Leser finden und ermöglicht es dem Leser, in die Geschichte, die zudem wunderbar illustriert ist, einzutauchen und sich von ihr unterhalten zu lassen.
Einen Überblick über weitere Weihnachtsbuchrezensionen finden Sie hier.
- Name: Ludwig, Sabine
- Name: Ute Krause