Explikat

Aus etymologischer Sicht geht der Begriff Medium nach (Frederking/Krommer/Maiwald 2012: 12) "auf das substantivierte Neutrum des lateinischen Adjektivs 'medius' zurück, dessen Bedeutung u.a. mit 'in der Mitte stehend' und 'vermittelnd' angegeben werden." Mit dem technologischen Fortschritt haben sich verschiedene Möglichkeiten herausgebildet, wie Medien als Kommunikationsmittel zwischen Kommunikationspartnern vermitteln: Im Kern dieser Entwicklung steht hierbei der Wechsel von oraten zur literalen Kommunikationsformen bis hin zum Herausbilden der modernen elektronischen Massenmedien (zusammenfassend zu dieser Technologisierung des Wortes siehe Ong 2016). Medien können in diesem Sinne verstanden werden als "jede Ausweitung unserer eigenen Person" (McLuhan 1964: 21). Ähnlich argumentiert auch Brockmeier (1997: 30): "In ihren Medien gehen die Menschen über ihre organismischen Grenzen hinaus: eine Exteriorisierung des symbolischen Verhaltens, die […] überhaupt nur möglich ist auf der Grundlage eines materiellen Trägers oder Vermittlers." Mediengeschichtlich gesehen ist dem Herausbilden des Textes als ein solcher materieller Träger bzw. Vermittler eine wichtige Rolle zuzuschreiben: "Der Buchdruck neigte dazu, die Sprache von einem Mittel der Wahrnehmung zu einer tragbaren Ware zu verändern" (McLuhan 1962). Der Übergang von oraten zu literalen, d.h. skripturalen Kulturen ist prägend für das Herausbilden einer literalen Gesellschaft: "Literal verfasst ist eine Gesellschaft, die ihr Wissen vor allem in Texten niederlegt und aus Texten bezieht, und die ihre Institutionen – Bildung, Religion, Wissenschaft, Recht – auf Texttraditionen und Textkritik aufbaut" (Feilke 2011: 5). In orat organisierten Kulturen fungieren besondere "Gedächtnisspezialisten" (nach Becker-Mrotzek (2003: 73) "Schamanen, Stammesältere, Druiden, Griots usw.") als Boten. Diese Boten geben im Zuge eines "Ritus" (Ehlich 1989: 92) einen mündlichen Text weiter und tradieren somit Wissen (zusammenfassend zu diesen verschiedenen Arten der Vertextung siehe Uhl 2015: 62f). In einem solchen weiten Verständnisses des Terminus Text ist nicht die Medialität (d.h. die Schriftlichkeit) das konstituierende Merkmal von Textualität, sondern das Kriterium der Speicherung, mit den Worten von Konrad Ehlich die Zerdehnung der Sprechsituation: ["D]enn der Text wird gespeichert, um in eine zweite Sprechsituation hineintransportiert zu werden. [...] Ich spreche von einer zerdehnten Sprechsituation. Texte sind also Teile sprachlichen Handelns, die eine sehr spezifische Funktion erfüllen. Sie sind essentiell auf Überlieferung bezogen" (Ehlich 1983: 32).

Ein umfangreicher und in der Deutschdidaktik (z.B. bei Maiwald 2005, Josting 2014, Frederking/Krommer/Maiwald 2012) häufig rezipierter Medienbegriff liegt mit der Konzeptualisierung Siegfried J. Schmidts vor; hier wird der Terminus Medien als "Kompaktbegriff" (Schmidt 2003: 354) definiert, der sich in vier Komponenten gliedern lässt (die folgende Zusammenfassung stammt aus Maiwald 2019: 8):

  • Kommunikationsmittel – z.B. gesprochene Sprache, Schrift, (bewegte Bilder), Töne;
  • Medienangebote bzw. "Kommunikationsofferten" (Schmidt 1994: 612) – z.B. Höhlenzeichnungen, Schriftrollen, Bücher, Bilderbücher, Spielfilme, Computerspiele, Apps, Videoinstallationen;
  • Techniken bzw. "technische Dispositive" (Schmidt 2003: 66) zur Herstellung von Medienangeboten – z.B. Federkiele, Papyrus, Druckerpressen, Schreibmaschinen, Faxgeräte, CD-Brenner, Software, Digitalkameras, Smartphones;
  • Institutionen und Organisationen bzw. "sozial-systemische Ordnungen" (ebd.), durch die Medienangebote produziert und vertrieben werden – z.B. Verlage, Fernseh- und Radiosender, Hersteller, Medienkonzerne wie Bertelsmann, Amazon, Google, Facebook, Kunstausstellungen wie die Biennale.

In neueren textlinguistischen Arbeiten werden Texte als zusammenhängende Gebilde verstanden, die ein bestimmtes illokutionäres Potential aufweisen, so z.B. bei Brinker: "Der Terminus 'Text' bezeichnet eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert" (Brinker 2010: 17, siehe hierzu aus didaktischer Sicht Fix 2006: 84). Eine solche, weite Textdefinition umfasst dann auch die Interaktion verschiedener semiotischer Kommunikationssysteme (z.B. literal, visuell, auditiv), wie sie für die transmediale Narration der KJL – z.B. in Medienverbünden – typisch ist. Auch in der Konzeptualisierung eines symmedialen Deutschunterrichts nach Frederking (z.B. 2006, zusammenfassend 2014) rückt "das komplexe und als emergent verstandene Zusammenspiel von Medien bzw. medialen Formen" in den Vordergrund. In diesen medien- resp. deutschdidaktischen Überlegungen sieht Maiwald (2019: 15) "eine Überwindung der seit der Verbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert herrschenden monomedialen Printkultur und eine Wiederbelebung symmedialer Lese- und Schreibpraktiken."

In den Bildungsstandards des Faches Deutsch werden Texte und Medien unter dem Lernbereich "Lesen – mit Texten und Medien umgehen" angeführt (exemplarisch KMK 2004 8); dies wird mit Blick auf das symmediale Potential von Medien (s.o.) kritisiert (u.a. von Abraham/Knopf (2014: 9); Frederking/Krommer/Maiwald (2012: 90)); gefordert wird in diesem Zusammenhang eine stärkere Eigenständigkeit einer Mediendidaktik bzw. Medienkompetenz im Fach Deutsch, die losgelöst von der Text- und Literaturrezeption konzeptualisiert wird. Einen Vorschlag, wie eine solche Auseinandersetzung mit Medien als Querschnittsaufgabe des Faches Deutsch gestaltet werden kann, geben Topalović/Drepper/Fröhlich (2018).

Literaturverzeichnis

  • Abraham, Ulf/Knopf, Julia: Deutschunterricht auf der Primarstufe. In: Deutsch. Didaktik für die Grundschule. Hrsg. von Ulf Abraham und Julia Knopf. Berlin: Cornelsen, 2014. S. 7–12.
  • Becker-Mrotzek, Michael: Mündlichkeit – Schriftlichkeit – Neue Medien. In: Didaktik der deutschen Sprache. Bd. 1. Hrsg. von Ursula Bredel, Hartmut Günther, Peter Klotz, Jakob Ossner und Gesa Siebert-Ott. Paderborn: Schöningh UTB, 2003. S. 69–89.
  • Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse: Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2010.
  • Brockmeier Jens: Literales Bewußtsein. Schriftlichkeit und das Verhältnis von Sprache und Kultur. München: Fink, 1997.
  • Ehlich, Konrad: Text und sprachliches Handeln. Die Entstehung von Texten aus dem Bedürfnis der Überlieferung. In: Schrift und Gedächtnis. Hrsg. von Aleida Assmann, Jan Assmann und Christof Hardmeier. München: Fink, 1983. S. 24–43.
  • Ehlich, Konrad: Zur Genese von Textformen. Prolegomena zu einer pragmatischen Texttypologie. In: Textproduktion. Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick. Hrsg. von Gerd Antos und Hans Peter Krings. Tübingen: Niemeyer, 1989. S. 84–99
  • Feilke, Helmuth: Literalität und literale Kompetenz: Kultur, Handlung, Struktur. http://www.leseforum.ch/myUploadData/files/2011_1_Feilke.pdf (02.07.2020).
  • Fix, Marin: Texte schreiben – Schreibprozesse im Deutschunterricht. Paderborn: Schöningh UTB, 2006.
  • Frederking, Volker: Symmedialität und Synästhetik. Begriffliche Schneisen im medialen Paradigmenwechsel und ihre filmdidaktischen Implikationen am Beispiel von Erich Kästners "Emil und die Detektive". In: Filmdidaktik –Filmästhetik. Jahrbuch Medien im Deutschunterricht 2005. Hrsg. von Volker Frederking. München: kopaed, 2006. S.204–229.
  • Frederking, Volker: Symmedialität und Synästhetik. Die digitale Revolution im medientheoretischen, medienkulturgeschichtlichen und mediendidaktischen Blick. In: Digitale Medien im Deutschunterricht. (=Deutschunterricht in Theorie und Praxis (DTP). Hrsg. von W. Ulrich Bd. VIII). Hrsg. von Volker Frederking, Axel Krommer und Thomas Möbius. Baltmannsweiler: Schneider, 2014. S. 3–49.
  • Frederking, Volker/Krommer, Axel/Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch. Eine Einführung. 2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage: Erich Schmidt Verlag: Berlin, 2012.
  • Josting, Petra: Medienkonvergenz im aktuellen Handlungssystem der Kinder- und Jugendliteratur. In: Kinder- und Jugendliteratur in Medienkontexten: Adaption – Hybridisierung – Intermedialität – Konvergenz. Hrsg. von Gina Weinkauff, Ute Dettmar, Thomas Möbius und Ingrid Tomkowiak. Frankfurt am Main: Lang, 2013. S. 233–252.
  • Kultusministerkonferenz [=KMK]: Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Hauptschulabschluss. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_10_15-Bildungsstandards-Deutsch-Haupt.pdf (02.07.2020).
  • Maiwald, Klaus: Wahrnehmung – Sprache – Beobachtung. Eine Deutschdidaktik bilddominierter Medienangebote. München: kopaed, 2005.
  • Maiwald, Klaus: Intermedialität. Zur Einführung in das Thema. In: Intermedialität. Formen – Diskurse – Didaktik. Hrsg. von Klaus Maiwald. Baltmannsweiler: Schneider, 2019. S. 1–22.
  • McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle – Understanding Media. Dresden/Basel: Verlag der Kunst, 1994 [1964 EA].
  • McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters. Bonn, Paris u.a.: Addison-Wesley, 1995 [1962 EA].
  • Ong, Walter J.: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. Berlin, New York: DeGruyter, 2016 [1982 EA].
  • Schmidt, Siegfried J.: Konstruktivismus in der Medienforschung: Konzepte, Kritiken, Konsequenzen. In: Die Wirklichkeit der Medien. Hrsg. von Klaus Merten, Siegfried J. Schmidt und Siegfried Weischenberg. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1994. S. 592–623.
  • Schmidt, Siegfried J.: Geschichten & Diskurse. Abschied vom Konstruktivismus. Reinbek: Rowohlt, 2003.
  • Topalović, Elvira/Drepper, Laura/Fröhlich, Nadine: Digitale Bildung als Querschnittsaufgabe. Der Beitrag des Fachs Deutsch zwischen Sprache, Literatur und Medien. In: Medienbildung trifft Deutschunterricht. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3/2018. Hrsg. von Gisela Beste, Christian Plien und Sabine Anselm. 2018. S. 317–325.
  • Uhl, Benjamin: Tempus – Narration –  Medialität. Eine Studie über die Entwicklung schriftlicher Erzählfähigkeit an der Schnittstelle zwischen Grammatik und Schreiben. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2015.