Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen: Die Bedeutung des Fernsehens als Medium für Kinder und Jugendliche
2 Das Nachkriegsfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland
3 Die Sesamstraßenrevolution der 1970er Jahre
4 Einführung des Privatfernsehens ab den 1980er Jahren
5 Kinderfernsehen im Medienverbund
Konkurrenz durch Privatsender
Am 1. Januar 1984 geht mit Sat.1 unter dem damaligen Namen PKS der erste privatfinanzierte Vollfernsehsender Deutschlands auf Sendung, einen Tag später folgt RTL Plus. Im Unterschied zu den Öffentlich-Rechtlichen Sendern strahlen die neuen Privatsender jedoch hauptsächlich eingekaufte, nicht selbst produzierte Unterhaltungsformate aus. Durch die Einführung des dualen Rundfunksystems gewinnen somit indirekt auch ausländische Fernsehproduktionen an Bedeutung.
So gibt es Zeichentrickserien auf der Grundlage beliebter Actionspielzeuge (He-Man and the Masters of the Universe (1983-1984, Neuauflage 2002-2004), M.A.S.K. (1985-1986)) sowie Zeichentrick-Varianten erfolgreicher Kinofilme (Ghostbusters (Kinofilm: Reitman, 1984. Zeichentrickserie: 1986-1988), Star Wars: Clone Wars (2003-2005)), die aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrads hohe Einschaltquoten versprechen. Die Grenzen zwischen Kinder- und Erwachsenenfernsehen verwischen Serien wie Die Simpsons (seit 1989, in Deutschland 1991) und South Park (seit 1997 bzw. 1999), die das Alltagsleben in den USA ironisieren und sowohl Erwachsene als auch Jugendliche ansprechen. Letztere setzen sich im Fall von South Park auch bewusst über die durch späte Sendeplätze implizierten Altersgrenzen hinweg.
Actionserien für Jugendliche
Bei männlichen Jugendlichen sind in den 1980er und 1990er Jahren vor allem aus den USA importierte Actionserien beliebt, etwa Knight Rider (1982-1986) mit David Hasselhoff, Miami Vice (1984-1989), A-Team (1983-1987), Ein Colt für alle Fälle (1981-1986), Remington Steele (1982-1987) oder MacGyver (1985-1995). Diese und andere Serien transportieren ein dem US-Hollywoodkino entlehntes Erzählprinzip, das auf actionreicher Unterhaltung basiert.
Einrichtung von Kinderfernsehsendern
Mit dem Ausbau der Sendefrequenzen steigt die Anzahl der verfügbaren Fernsehsender. Bei Kindern und Jugendlichen besonders beliebt sind seit dem Start von MTV Europe (1987) und VIVA (1993) Musik-Spartenprogramme, die Heranwachsende über die aktuellen Musiktrends und Nachrichten über ihre Musikidole auf dem Laufenden halten. Hohe Marktanteile bei Kindern und Jugendlichen erreichen das Spartenprogramm Super RTL (seit 1995, die Anteile gehören zu gleichen Teilen der RTL Group und der Walt Disney Company) und der Vollsender RTL II (seit 1993), wenngleich beide Sender hauptsächlich eingekaufte Zeichentrick- und andere Kinderserien zeigen. Durch das mit der Kommerzialisierung des Fernsehens einhergehende Einschaltquoten-Regime verlieren medienpädagogische Konzepte an Bedeutung.
Die öffentlich-rechtlichen Sender reagieren, indem sie ihr Unterhaltungsangebot ausweiten und sukzessive eigene Spartenprogramme für bestimmte Publikumsgruppen wie arte (seit 1992), 3sat (seit 1984) oder Phoenix (seit 1997) aufbauen. Mit dem Kinderkanal (Sendebeginn: 1. Januar 1997, seit dem 1. Mai 2000 heißt der Sender KI.KA) kontern ARD und ZDF den am 12. Juli 1995 auf Sendung gegangenen Kinderfernsehsender Nickelodeon.
Soap Operas und Daily Soaps
Die 1990er Jahre sind die Zeit der Soap Operas, die später zum Sendekonzept der Daily Soaps ausgeweitet werden. Nach dem Vorbild von Dallas (1978-1991) und Denver Clan (1981-1989) entstehen für Jugendliche interessante Serien wie Beverly Hills 90210 (1990-2000), Melrose Place (1992-1999, 2009-2010), Dawson's Creek (1998-2003) mit Michelle Williams und Katie Holmes, O.C., California (2003-2007) oder – vor allem für junge Teenager – Hannah Montana (2006-2011) mit Kinderstar Miley Cyrus.
Die deutsche Fernsehindustrie greift das US-Erfolgsrezept schnell auf; vor allem die Lindenstraße (seit 1985) wird zum Dauerbrenner unter den deutschen Fernsehsendungen. In der ARD sind Marienhof (1992-2011) und Verbotene Liebe (seit 1995) erfolgreiche Vorabendprogrammformate, RTL hat mit Gute Zeiten, schlechte Zeiten (seit 1992) ein jugendlicheres Pendant zur LINDENSTRAßE etabliert, und auch Sat.1 hatte zwischenzeitlich mit Verliebt in Berlin (2005-2007) eine beliebte Serie im Programm.
Schloss Einstein
Spezifisch an Kinder und Jugendliche richtet sich Schloss Einstein (seit 1998), das sich im Soap-Format um die Abenteuer von Jugendlichen auf einem Privatinternat dreht. Mittlerweile gibt es bereits 16 Staffeln mit mehr als 740 Folgen – damit ist die Serie laut Selbstauskunft der Produktionsfirma Saxonia Media die weltweit am längsten laufende fiktionale Kinder- und Jugendserie.
SimsalaGrimm
Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender experimentieren kontinuierlich mit Eigenproduktionen. So beteiligt sich der NDR an SimsalaGrimm (1999-2010), einer bisher 52-teiligen Zeichentrickserie, die modernisierte Fassungen der Grimm‘schen Kinder- und Hausmärchen und anderer Märchenautoren für Vorschul- und Grundschulkinder nacherzählt. Die ökonomisch sehr erfolgreiche Mediatisierung und Vereinfachung der Märchenerzählungen wird von Pädagogen und Medienvermittlern allerdings kritisiert (siehe Erlinger 2007).
Weniger kommerziell ausgerichtet sind experimentelle Kinderserien wie Karfunkel (1991-1995), die in jeweils 25-minütigen Folgen fiktionale Geschichten über interkulturelle Begegnungen zwischen Kindern aus aller Welt in Berlin erzählt und damit versucht, das zunehmend multikulturelle Leben in Deutschland für Kinder und Jugendliche zu thematisieren (vgl. Lutz-Saal 2001).
Literatur
- Erlinger, Hans Dieter (2007): Märchenverfilmungen im Fernsehen. In: Barsch, Achim/Seibert, Peter: Märchen und Medien. Baltmannsweiler, S. 108‐121.
- Lutz‐Saal, Bärbel (2001): Karfunkel. Sendereihe mit Kindern aus aller Welt. In: Schäfer, Horst (Hrsg.): Lexikon des Kinder‐ und Jugendfilms im Kino, im Fernsehen und auf Video. Teil 7: Kinder‐ und Jugendfilm im Fernsehen. Meitingen, S. 1‐21.
(Dieser Text wurde ursprünglich veröffentlicht in: Tobias Kurwinkel/Philipp Schmerheim (2013): Kinder- und Jugendfilmanalyse. Konstanz und München: UVK (= UTB 3885), Kapitel 1.3, Exkurs: Fernsehprogramme für Kinder und Jugendliche. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)