Inhalt
Das Leben ist nicht leicht für den namenlosen Protagonisten des Buches. Der Junge muss seine geliebte Heimat Italien verlassen. England wirkt zunächst alles andere als schön. Es ist kalt, regnet und die Straßen riechen nicht mehr nach Vanilleeis, sondern nach Hammelsuppe und Kohlestaub. Aber viel wichtiger ist: Niemand spricht seine Sprache. Das Unbehagen endet jedoch, als der Junge den alten Mr. Evans kennenlernt, der Tauben züchtet. Diese gurren genauso wie die Tauben auf dem Petersplatz in Rom. Er beginnt dem alten Mann bei seiner Zucht zu helfen und darf bald seinen Schützling, den er "Himmelskönig" nennt, darauf vorbereiten, am großen Wettfliegen von Rom nach England teilzunehmen. Und trotz des Unwetters und der Verlockung im warmen Rom zu bleiben: Himmelskönig kommt zurück. Zurück in seine Heimat, zurück zu dem Geruch von Hammelsuppe und dem Scheppern der Metalltürme. Und zurück in die Arme des Jungen, der endlich weiß, wo er zu Hause ist.
Kritik
Die vielfach ausgezeichnete Autorin und diplomierte Zoologin Nicola Davies, die auch für die naturwissenschaftliche Redaktion der BBC gearbeitet hat, veröffentlichte bereits mehrere Bücher für Kinder. Unter anderem wurde ihr 2014 erschienenes Bilderbuch Mein erstes großes Buch von der Natur mit dem Independent Booksellers Best Picture Book ausgezeichnet. Bei ALADIN erscheint nun mit Himmelskönig im Oktober 2017 ihr neuestes Werk mit Bildern der Künstlerin Laura Carlin. Diese gewann 2015 den großen Illustrationspreis von Bratislava für ihre Arbeit in Der Eisenmann (Text: Ted Hughes).
Himmelskönig ist vor allem deswegen ein besonderes Buch, weil es auf der einen Seite die sehr komplexen Gefühle von Auswanderung, der Suche nach Heimat und Identität thematisiert und auf der anderen Seite durch die weichen, kantenlosen Illustrationen für die nötige Leichtigkeit sorgt. Auch die typografische Gestaltung ist interessant: Der Text schlängelt sich in grauen Großbuchstaben durch die bunten Buchseiten. Ähnlich wie der Gemütszustand des Protagonisten ändert sich auch die Farbgebung der Illustrationen mit dem Verlauf der Geschichte. So beginnt das Buch mit grauen und tristen Farben. Je wohler sich der Junge mit seiner Umgebung und der neuen Aufgabe, die ihm zugetragen wurde, fühlt, desto eher tauchen auch kräftige Gelb- und Rottöne in der Geschichte auf.
Dieses Buch beginnt mit der Traurigkeit, fern von der Heimat zu sein und endet damit, die neue Heimat, so wie sie ist, zu akzeptieren. Das mag zunächst nicht wie das klassische Happy End klingen, das wir aus vielen Märchen kennen. Dennoch hat diese Geschichte für den Jungen ein gutes Ende. Er findet trotz der ungewohnten Gerüche und Geräusche etwas, das ihm das Gefühl von Zugehörigkeit gibt. Zunächst durch Mr. Evans und später durch den Erfolg, den er mit Himmelskönig hat. Sowohl die Identität des alten Mannes als auch die des Jungen bleiben weitestgehend ungeklärt. So wird der Lesende weder erfahren, wieso der Junge von Italien nach England kam, noch ob Mr. Evans selbst Familie hat. Das macht die Geschichte zu einer allgemeingültigen Botschaft für alle Leserinnen und Leser.
Fazit
Alles in allem beinhaltet dieses Buch eine ganz neue Art, sich mit Migration zu beschäftigen. So geht es hier nicht um Sprache, Anpassung oder kulturelle Besonderheiten, sondern einfach um Menschlichkeit und am Ende sogar um einen generationsübergreifenden Zusammenhalt.
Die Altersempfehlung ab fünf Jahren ist durch die doch sehr lange Phase der Trauer des Jungen durchaus gerechtfertigt. Dieser Aspekt sollte im gemeinsamen Dialog mit den Erziehungsberechtigten behandelt werden. So kann es gelingen, das Gespräch über Heimat und Zugehörigkeit mit den jungen Leserinnen und Lesern zu eröffnen.
- Name: Davies, Nicola
- Name: Steinhöfel, Andreas
- Name: Carlin, Laura
