Die Geschichte

Der Regenbogenfisch ist ein kleiner Fisch, der über und über mit glänzenden Schuppen bedeckt ist. Die anderen Fische bewundern ihn, was ihn sehr stolz macht. Die Bewunderung lässt jedoch nach, als ein kleiner blauer Fisch den Regenbogenfisch um eine seiner Schuppen bittet. Dieser jagt den kleinen blauen Fisch davon. Von da an will keiner mehr etwas mit dem arroganten Regenbogenfisch zu tun haben und er wird zum einsamsten Fisch im Meer. Nach seinen Gesprächen mit dem Seestern und dem Oktopus gibt der Regenbogenfisch zögernd eine seiner Schuppen an den kleinen blauen Fisch ab. Erst da bemerkt er, wie glücklich er andere mit diesem Geschenk macht. Der Regenbogenfisch verteilt nun an jeden der Fische eine seiner Glitzerschuppen, bis ihm zum Schluss selbst nur noch eine übrigbleibt. Die Freude des Teilens beschert dem Regenbogenfisch von nun an ein glückliches Leben, gemeinsam mit den anderen Meeresbewohnern.

Yasmina Sayhi: Eine Frage, die Ihnen sicherlich viele stellen: Wie sind Sie zu diesem spannenden Beruf gekommen?

Marcus Pfister: Ich habe als Grafiker und Konzepter gearbeitet und dort auch immer wieder mein Talent als Illustrator einfließen lassen. Allerdings hatte ich dann irgendwann den Wunsch freiere Arbeiten zu realisieren. Mit meiner zweiten Vorliebe, Geschichten zu erzählen, hat sich das Bilderbuch als Plattform geradezu angeboten.

Nun haben sicherlich viele Menschen den Wunsch, Kinderbuchautor zu werden. Was würden Sie der nächsten Generation mit auf den Weg geben?

Der Wunsch alleine reicht nicht, man muss den Weg zu Ende gehen. Auch während der Ausbildung träumten viele angehende Grafiker davon, ein Bilderbuch zu realisieren, aber keiner hat es schlussendlich gemacht. Machen, probieren und sich nicht entmutigen lassen, wenn es beim ersten Mal nicht klappt.

Ihr Buch Der Regenbogenfisch feiert dieses Jahr 25. Jubiläum und wurde bereits in über 80 Sprachen übersetzt. Können Sie uns kurz sagen, wie Sie zu der Idee für dieses Buch gekommen sind?

Da ich von der Grafik herkomme, basieren viele meiner Bücher auf visuellen Ideen, so auch der Regenbogenfisch. Er ist aus meiner ersten Bilderbuchfigur, der müden Eule, entstanden. Wenn Sie das Cover dieses Buches um 90 Grad drehen, werden Sie bestimmte Ähnlichkeiten feststellen… Aber das war nur die Geburtsstunde der Figur – die Geschichte kam danach.

Haben Sie mit einer solch großen Resonanz gerechnet?

Absolut nicht. Wir waren so froh, dass sich das Buch trotz aller technischen Schwierigkeiten realisieren ließ, dass wir gar nicht an einen möglichen Erfolg gedacht haben. Die ganze Geschichte hätte ohne Folie gar nicht funktioniert und das Projekt stand lange auf Messers Schneide.

Die Hauptfiguren ihrer Bücher sind zum Großteil Tiere, wie Eulen, Pinguine, Igel oder Raben. Spielen Tiere eine große Rolle in Ihrem Leben?

Eigentlich nicht. Es liegt mir nicht, Menschen zu illustrieren, darum habe ich mich immer wieder für Tierfiguren entschieden.

Welche moralischen Werte möchten Sie mit dieser Geschichte vermitteln?

Ich finde es nicht notwendig, in jedem Buch irgendwelche moralischen Werte zu vermitteln. Ein Buch darf auch mal einfach nur Spaß machen. In der Regenbogenfischreihe hat sich das ganz natürlich entwickelt. Wir hatten eine Figur, die als Vermittler moralischer Grundwerte akzeptiert wurde, kleinere und grössere Probleme die in dieser Altersphase auftauchen und es war klar, dass sich auch künftige Geschichten in diese Richtung bewegen mussten.

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Kinderbücher für die Entwicklung eines Kindes?

Ich finde sie aus verschiedenen Gründen sehr wichtig. Einerseits sind es die ersten Kontakte des Kindes mit dem Medium Buch. Hier soll der Spaß und die Freude am Buch, am Lesen entdeckt werden. Auf der anderen Seite finde ich die Vorlesesituation zwischen Eltern und Kind wunderschön. Sich am Abend nochmals Zeit nehmen um eine Geschichte vorzulesen ist für Eltern und Kind ein extrem bereicherndes Erlebnis.

In dem Buch verschenkt der Regenbogenfisch seine glänzenden Schuppen, sodass am Ende alle Fische eine kleine schimmernde Schuppe besitzen. Es gibt Leute, die behaupten das Buch sei weniger über das Teilen, als mehr darüber, dass man sich anderen anpassen muss um akzeptiert zu werden. Was sagen Sie dazu?

Zu einer solchen Interpretation der Geschichte kann es eigentlich nur kommen, wenn man den Beginn der Geschichte völlig ausblendet. Dort wird klar, dass der Regenbogenfisch nicht einsam ist, weil er seine Schuppen nicht verschenken will. Nein, er ist alleine, weil er arrogant und überheblich ist. Die andern Fische fragen ihn bereits zu Beginn der Geschichte, ob er mit ihnen spielen will (auch ohne Schuppen-Geschenk), doch der Regenbogenfisch fühlt sich als etwas Besseres und gleitet stumm und stolz an ihnen vorbei. Der wahre Inhalt der Geschichte ist, dass er diesen unangenehmen Charakterzug überwinden kann und nebenbei auch noch die Freude am Teilen entdeckt.

Als Autor und Künstler ist mir die Vorstellung, wir könnten alle uniformiert und gleichgeschaltet werden, ein Graus. Und die Idee, dass man sich Freunde kaufen könnte, finde ich ebenso unsinnig wie absurd. Warum sollte ich eine solche Geschichte schreiben?

Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt? Wenn ja, können Sie uns ein bisschen darüber erzählen?

Im Moment beschäftigt mich vor allem das Regenbogenfisch-Jubiläum mit allem Drum und Dran. Ich arbeite wieder vermehrt an Skulpturen, ein schöner Ausgleich zur Illustration. Aber nächstes Jahr wird mich bestimmt wieder das eine oder andere Bilderbuchprojekt in seinen Bann ziehen.

Vielen Dank für das Interview!