Ein Jahr später erschien ein zweiter Band, in dem u.a. Hoffmanns Kindermärchen Das fremde Kind abgedruckt wurde. Der schlichte Titel "Kindermärchen" war zu dieser Zeit schon durch Albert Ludwig Grimms gleichnamige Märchensammlung von 1809 besetzt. Hinzu kam, dass auch die Brüder Grimm diesen Begriff bei ihrer Märchensammlung Kinder-und Hausmärchen (1812-1815) verwendeten. Mit den Grimmschen Ausgaben wurde der Begriff populär gemacht und zugleich auf eine bestimmte Erzählweise, die durch Naivität, Schlichtheit und Volkstümlichkeit gekennzeichnet war, festgelegt. Hoffmann distanzierte sich mit seiner Anthologie und vor allem mit seinem eigenen Märchen bewusst von dieser Gattungstypologie und schuf einen neuen Märchentyp, der sich einerseits durch die Ambivalenz der Darstellung hinsichtlich der phantastische Ereignisse auszeichnet und andererseits die Handlung nicht mehr in unbestimmtes Irgendwo verlagert, sondern Einblick in den Alltag eines Kindes im städtischen großbürgerlichen Milieu zu Beginn des 19. Jahrhunderts bietet. Zugleich wird deutlich, dass Hoffmann mit dem Begriff "Kindermärchen" eine doppelte Bedeutung intendierte. Auf der einen Seite verweist er auf die kindliche Phantasie, auf der anderen Seite fokussiert er die Darstellung der Handlung aus der Perspektive eines Kindes.
Das Märchen besteht aus einer Rahmenhandlung, in die ein dreiteiliges Binnenmärchen integriert ist. Die Rahmenhandlung beginnt am Weihnachtsabend und findet ausschließlich in der Wohnung der gutsituierten Familie Stahlbaum statt. Hauptfigur ist das siebenjährige Mädchen Marie, das unter dem Weihnachtsbaum einen Nussknacker findet, den sie trotz seiner Hässlichkeit gleich in ihr Herz schließt und gegen die Attacken ihres Bruders Fritz in Schutz nimmt. Als um Mitternacht alle Spielsachen lebendig werden, wird Marie Augenzeugin einer Schlacht zwischen ihren Puppen, die vom Nussknacker angeführt werden, und dem siebenköpfigen Mausekönig und seiner Mäuseschar. Marie kommt dem bedrohten Nussknacker zu Hilfe, verletzt sich dabei schwer an einer Glasscheibe und erkrankt an Wundfieber. Ihr Pate Droßelmeier erzählt ihr an drei aufeinander folgenden Abenden das "Märchen von der harten Nuß", das aus Sicht von Marie die Vorgeschichte ihres Nussknackers berichtet: Aus Rache für die Ermordung ihrer Untertanen hatte die Mausekönigin Mauserinks einst die liebliche Prinzessin Pirlipat in ein Monster verwandelt. Der Hofastronom und der Uhrmacher Droßelmeier erfahren durch ein Horoskop, dass nur der süße Kern der goldenen Nuss Krakatuk der Prinzessin ihr ursprüngliches Aussehen wiedergeben würde. Diese Nuss müsse aber von einem Jüngling, der sich noch nie rasiert und bislang keine Stiefel getragen habe, geknackt werden. Nach fünfzehnjähriger Suche gelangen beide Männer nach Nürnberg, wo sie nicht nur die goldene Nuss, sondern auch den Jüngling vorfinden, der ein Verwandter Droßelmeiers ist. Zwar wird Pirlipat erlöst, aber der Jüngling wird von der sterbenden Mauserinks in einen Nussknacker verwandelt. Er wird mit seinem Onkel des Hofes verwiesen und kann nur dann erlöst werden, wenn er den siebenköpfigen Sohn von Mauserinks tötet und ein Mädchen findet, dass ihn trotz seiner Missgestalt liebt. – Marie schließt aus diesem Märchen, dass ihr Pate und der Uhrmacher identisch seien und dass ihr Nussknacker der verzauberte Neffe sein müsse. Um ihn vor den Angriffen des Mausekönigs zu schützen, gibt sie ihre Süßigkeiten und Spielsachen her. Dem Nussknacker gelingt es schließlich, mithilfe eines von Marie beschafften Schwertes den Mausekönig zu töten. Zum Dank schenkt er ihr die sieben Krönchen des Mausekönigs und führt sie durch einen Wandschrank ins Zuckerbäckerland, seine Residenz. Als Marie in ihrem Bett erwacht, werden die von ihr berichteten Erlebnisse als Traum gedeutet. Selbst die vorgewiesenen sieben Krönchen gelten nicht als Beweis, weil ihr Pate behauptet, sie ihr zum Geburtstag geschenkt zu haben. Marie verstummt und verfällt in Tagträume. Als sie dem Nussknacker ihre Zuneigung gesteht, verspürt sie einen Schlag und fällt vom Stuhl. Ihre Mutter eilt herbei und stellt ihr den aus Nürnberg kommenden Neffen Droßelmeiers vor. Dieser gibt sich als der ehemalige Nussknacker zu erkennen und hält um Maries Hand an. Nach einem Jahr findet die Hochzeit statt und beide ziehen ins Zuckerbäckerland.
In Nußknacker und Mausekönig werden zahlreiche Themen und Aspekte angesprochen: die Beziehung eines siebenjährigen Mädchens zu seiner Familie, die Spiel- und Phantasiewelt Maries, die ambivalente Beziehung zwischen Alltagsrealität und Traum sowie die Belebung von Spielsachen. Außerdem werden mehrere Metamorphosen dargestellt, Menschen verwandeln sich in Puppen, Spielzeug nimmt menschliche Gestalt an, die Figuren im Binnenmärchen finden ihren Gegenpart in den Figuren der Rahmenhandlung, so dass sich nicht nur eine wechselseitige Spiegelung ergibt, sondern auch die Identität der Figuren in Frage gestellt wird. Durch den Wechsel zwischen Erzähler- und Figurenrede, die metafiktiven Leseranreden, die widersprüchlichen Aussagen der Erzählinstanzen und den Fokalisierungswechsel ergibt sich eine Vieldeutigkeit des Geschehens, die bis zum Schluss hin anhält und auch keine endgültige Auflösung zulässt. Das von Hoffmann gewählte Genre, das Kindermärchen, wird darüber hinaus durch den Autor in seinem Märchencharakter potenziert, indem er das Hauptmärchen mit einem Binnenmärchen kombiniert.
Schon zum Einstieg wählt Hoffmann ein romantisches Motiv: Das Märchen beginnt am Weihnachtsabend. Im Zuge der Idealisierung von Kindheit wird das Weihnachtsfest als Fest für Kinder zu einer Möglichkeit des nostalgischen Rückbezugs in die eigene Kindheit. Weitere Aspekte des romantischen Kindheitsbildes manifestieren sich in der Hauptfigur Marie: sie hat eine verklärte Sicht auf Alltagsgegenstände, besitzt die Fähigkeit zur Einbindung der Gegenstände in die Phantasiewelt und zu einem unbefangenen Umgang mit dem Wunderbaren. Dennoch ist Marie kein naives Kind, sie kann ebenso wie ihr Bruder Fritz als "aufgeklärtes" Kind betrachtet werden, denn beide sind sich bewusst, dass ihnen nicht der "liebe Heilige Christ", sondern ihre Eltern und der Pate die Weihnachtsgeschenke bescheren. Ebenso wird betont, dass Marie sich nicht gleich den phantastischen Ereignissen hingibt, sondern die Diskrepanz zwischen realer und phantastischer Welt durchaus bemerkt: "Bin ich nicht ein töricht Mädchen, daß ich so leicht erschrecke, so daß ich sogar glaube, das Holzpüppchen da könne mir Gesichter schneiden!" (S. 33). Doch ihre Phantasie scheint sich nicht zähmen zu lassen, so dass sie von den außerordentlichen Ereignissen vollkommen eingenommen wird.
Hoffmann stellt mit Nußknacker und Mausekönig die Wahrnehmung und Perspektive des Kindes in den Mittelpunkt, ohne sie als falsch oder naiv zu deklarieren. Das verklärte Bild der Frühromantiker differenziert Hoffmann insofern, als dass er kindlichen Phantasie ernst nimmt und zugleich ihre möglichen Gefahren beleuchtet, wie sie bereits durch Johann Gottfried Herder in seiner Vorrede zum ersten Band der Palmblätter (1786) angesprochen wurden. Einen Gegenpol zu Maries überbordender Phantasie bilden die Eltern (und später auch Fritz), die vom aufklärerischen Prinzip der Vernunft geleitet sind, obwohl die Mutter einmal zugesteht, dass es Dinge geben könne, die man mit dem Verstand allein nicht erfassen könne. Der Pate Droßelmeier nimmt eine Zwischenstellung ein. Er verkörpert sowohl die frühromantische Sehnsucht nach einer Rückkehr in die eigene Kindheit als auch die spätromantische Warnung vor den Kehrseiten der Phantasie: "Aber viel hast du zu leiden, wenn du dich des armen missgestalteten Nußknackers annehmen willst!" (S. 88). Die Darstellung des Alltags wird nach den Gesetzen des modernen psychologischen Realismus gestaltet, der eigentlich das Wunderbare ausschließt. Dadurch wird der Zusammenprall von Realitäts- und Märchenerfahrung mehrdeutig. Die phantastischen Ereignisse können als Traum, Einbildung, Wirklichkeit oder Bewusstseinskrise gedeutet werden. Marie wird mit beiden Erfahrungsweisen konfrontiert und gerät in einen psychischen Konflikt. Von ihr werden die Ereignisse als Wirklichkeit empfunden, von den Eltern jedoch als Fieberträume. Der Pate nimmt eine Mittlerfunktion ein, weil er noch am ehesten Verständnis für Marie zeigt. Der auktoriale Erzähler stellt sich mit seinen Kommentaren scheinbar auf die Seite Maries, tatsächlich deutet er auf den ambivalenten Status der Erzählung hin, in der sich kindliche und erwachsene Perspektive wiederspiegeln.
Hoffmanns Kindermärchen weist etliche Parallelen mit Erkenntnissen der zeitgenössischen Kinderpsychologie und Pädagogik auf. Bereits Karl Philipp Moritz hatte in dem von ihm herausgegebenen Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (1783-93) der Lebensphase Kindheit einen besonderen Stellenwert eingeräumt, indem er autobiographische Berichte über Kindheitserlebnisse und Beobachtungsstudien über Kinder abdruckte. In seinen eigenen Beiträgen verwies er auf den Einfluss des Elternhauses auf die frühe kindliche Entwicklung. Dabei betonte er die Bedeutung der kindlichen Phantasietätigkeit, weil diese nicht nur die kindliche Entwicklung fördern, sondern auch der Verarbeitung von familiären Konflikten bis hin zu traumatischen Eindrücken dienen würde. Moritz’ Ideen wurden von Dieterich Tiedemann in Untersuchungen über den Menschen (1778) sowie Jean Paul aufgegriffen, der im dritten Kapitel von Levana oder Erziehlehre (1814) eine Theorie des kindlichen Spiels konzipierte. Tiedemann weist darauf hin, dass Kinder lange nicht - ein genaues Alter nennt Tiedemann nicht - zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden könnten und ihnen deshalb die Distinktion zwischen Imagination, Traum und Realität schwer falle. Verstärkt werde diese Tendenz bei besonders sensiblen, aber auch bei kranken Kindern (342), denen Tiedemann eine hohe poetische Einbildungskraft zuschreibt. Jean Paul wiederum vergleicht das kindliche Spiel mit der schöpferischen Dichtkraft und charakterisiert es deshalb als "erste Poesie des Menschen" (S. 603). Beim Spiel mit Puppen oder mit Gegenständen übernehme das Kind die Rolle eines "Theaterdichter(s) und Regisseur(s)" (S. 604). Des Weiteren führt Jean Paul aus, dass gerade der Umgang mit "toten Spielsachen" deshalb so wichtig sei, weil diese in der kindlichen Vorstellung lebendig und sogar als menschliche Wesen wahrgenommen würden (S. 605). Diese Fähigkeit der Projektion sieht Jean Paul als wichtigen Schritt in der Entwicklung des Kindes an, weil es ihm einen Zugang zur Sphäre der Phantasie und Imagination gewähre. Bereits im frühromantischen Diskurs über Kindheit wurde dem Kind eine besondere Affinität zur Phantasie zugesprochen (Alefeld 1996; Baader 1996; Ewers 1989). Jean Paul sieht diese Befähigung als einen Prozess an, der einem Wandel unterliegt. So ginge das symbolische Spielen mit dem fortschreitenden Alter des Kindes in ein Rollenspiel über, indem das Kind nicht mehr für sich allein spielt, sondern sich anderen Kindern zuwendet. Dadurch wandelt sich auch der Charakter des kindlichen Spiels, wobei die kindliche Phantasiewelt zunehmend durch die Beschäftigung mit der Alltagswirklichkeit in den Hintergrund gedrängt werde. Vergleichbare Ideen zur kindlichen Phantasietätigkeit und zur Bedeutung des kindlichen Spiels finden sich im 20. Jahrhundert bei Jean Piaget und Lawrence Kohlberg, wobei beide Psychologen den Übergang vom symbolischen Spiel zum Rollenspiel und damit einhergehend die Fähigkeit, zwischen Realität und Phantasie zu unterscheiden, auf das 7./8. Lebensjahr festlegen (Schikorsky 1995). Dieser Prozess gehe mit einem auffallenden Verstummen der Kinder einher. Während sie vorher noch freimütig alle Erlebnisse, Phantasien und Träume berichten würden, entwickelten sie nunmehr eine Scheu gegenüber Erwachsenen und würden ihre Geheimnisse eher Gleichaltrigen anvertrauen.
Wie man daraus ersieht, lässt sich eine Verbindungslinie von den theoretischen Überlegungen Karl Philipp Moritz’, Dieterich Tiedemanns und Jean Pauls sowie der auf den spätromantischen Kindheitsdiskurs rekurrierenden Erzählung Nussknacker und Mausekönig von Hoffmann bis hin zur modernen Kindheitspsychologie ziehen. Hoffmann zeigt folglich ein für seine Zeit ungewöhnliches Verständnis für psychische Phänomene und besaß die Fähigkeit, sie in eindringlicher Weise darzustellen (Steinlein 1999). Dieser Blick in die kindliche Seele war innovativ und wegweisend für spätere Kinderbuchautoren. Über eine Synthese dieser von einem entwicklungspsychologischen Ansatz ausgehenden Ideen der genannten Autoren hinaus stellt Hoffmann des Weiteren den Reifungsprozess eines Kindes in den Fokus. Dass es Hoffmann gelingt, Spiel- und Phantasiewelt eines Kindes in Einklang zu bringen, enthüllt sich auch bei der Reise von Marie und Nussknacker ins Zuckerbäckerland. Hier trifft Marie auf ihre eigenen Puppen und die Spielzeugsoldaten und -figuren von Fritz, die nunmehr die Bewohner des vom Nussknacker regierten Puppenreiches sind. Bemerkenswert ist hierbei die synästhetische Qualität des Puppenreichs, die an Herders Bemerkungen über die sinnliche Welterfahrung des Kindes erinnert. Bei ihrem Eintritt in das Königreich des Nussknackers strömen visuelle, auditive, olfaktorische und haptische Eindrücke auf sie ein.
Mit dem Neffen Droßelmeiers hat sie endlich einen gleichaltrigen Spielgefährten gefunden, mit dem sie ihre Märchenwelt teilen kann. Die Schüchternheit und das Erröten Maries deuten darauf hin, dass sie ihre Anhänglichkeit zum Nussknacker auf den Jungen überträgt. An die Stelle eines leblosen Spielzeuges rückt ein menschliches Wesen. Zugleich ändert sich auch das Spielverhalten Maries: hatte sie vorher immer allein mit ihren Puppen gespielt, so entwickelt sich zwischen den beiden Kindern ein Rollenspiel, d.h. die Phantasiewelt bleibt erhalten, nur ihr Stellenwert und ihre Funktion sind verändert. Diese Veränderung ist eine Möglichkeit, den ambivalenten Schluss von Nussknacker und Mausekönig zu deuten, denn über die Bedeutung des Schlussteils, ein siebenjähriges Mädchen verlobt sich mit dem Neffen Droßelmeiers und nach einem Jahr findet die Hochzeit statt, haben sich schon manche Interpreten den Kopf zerbrochen. Eine mögliche Deutung der Ereignisse wäre dann, zwei verschiedene Sichtweisen anzunehmen: Aus der Sicht der Erwachsenen ergibt sich eine Krankheitsgeschichte, aus der Sicht des Kindes ein optimistisches Märchen. Diese Ambivalenz offenbart sich auch im Schluss. Die Hochzeit und die Reise ins Zuckerbäckerland können als heiterer Märchenausgang oder als euphemistische Umschreibung einer Wahnvorstellung gedeutet werden (Ewers 1987).
Diese Multiperspektivität, die sich auf alle Aspekte und Figuren des Märchens erstreckt, wird auf der Narrationsebene auf mehrfache Weise erzeugt. Anfänglich scheint es sich um einen allwissenden Erzähler zu handeln, der über die Ereignisse im Hause Stahlbaum berichtet. Mit seinen Kommentaren stellt er sich scheinbar auf die Seite Maries: tatsächlich deutet er auf den ambivalenten Status der Erzählung hin, in der sich kindliche und erwachsene Perspektive hinsichtlich der Deutung der Ereignisse die Waage halten. Das Eindringen der Mäuse und das Lebendig-Werden der Spielsachen werden zunächst so beschrieben, als würden diese Ereignisse tatsächlich stattfinden: allerdings wird im Verlauf der Schilderung durch vage Vergleiche, Vermutungen, die Verwendung von Modalverben und Konjunktiv sowie den Tempuswechsel der Wirklichkeitsanspruch des Phantastisch-Wunderbaren zurückgenommen. Da die phantastischen Ereignisse zudem in der Nacht passieren, wird angedeutet, dass es sich hierbei auch um Wahrnehmungstäuschungen oder Träume handeln könnte. Dieses Wechselspiel der Deutung der nächtlichen Abenteuer zwischen Realität und Imagination wiederholt sich mehrfach und wird noch durch die verschiedenen Figurenreden und den Fokalisierungswechsel betont. Auch die Aussagen Maries und Droßelmeiers sind zum Teil widersprüchlich: mal hält Marie daran fest, dass sich alles so abgespielt hat, wie sie es erzählt, mal äußert sie aber selbst Zweifel, indem sie überlegt, ob nicht ein Lichtschein daran schuld sei, dass der Nussknacker sie auf einmal mit seinen grünen Augen anfunkele. Ebenso verhält es sich mit Droßelmeier: so bezeichnet er die Geschichten Maries als "tollen Schnack", wenig später spricht er von den "vierzehn Augen des Mausekönigs", bevor Marie ihm überhaupt die Begegnung mit dem Mausekönig geschildert hat. Auf der einen Seite gibt sich Droßelmeier ahnungslos und relativiert Maries Schilderungen, auf der anderen Seite weiß er mehr, als er zugeben möchte. Auf diese Weise wird der Leser angehalten, an der Wahrhaftigkeit der Aussagen der Figuren, aber auch des Erzählers zu zweifeln, so dass sich hier Anzeichen unzuverlässigen Erzählens offenbaren. Hoffmanns Erzählweise überlässt es dem Leser, selbst über diese Fragen nachzudenken. Es bleibt offen, ob die phantastischen Ereignisse in Wirklichkeit stattgefunden haben oder nur in der Vorstellung des Kindes existieren. Immer wieder werden Phänomene rational erklärt, aber man kann nie sicher sein, ob diese Erklärungen hinreichen oder ob sie nicht gar in die Irre führen; und es bleiben stets weitere Teile, die solchen Erklärungen unzugänglich sind. Dieser Schwebezustand offenbart eine multiperspektivische Sichtweise, die dazu führt, dass das Geschehen auf mehreren Ebenen lesbar ist. Aus der Perspektive des kindlichen Lesers, der sich mit Marie identifiziert, ergibt sich ein spannendes Märchen, das mit einem harmonischen Ende ausklingt. Aus der Sicht des erwachsenen Mitlesers ergibt sich jedoch eine kindheitspsychologische Studie, dessen Ende offen ist, so dass Hoffmanns Erzählduktus dem Crosswriting, d.h. dem grenzüberschreitenden Schreiben für Kinder und für Erwachsene, zugeordnet werden kann (Grenz 1990).
Die enge Verzahnung von Kind, Spielzeug und Phantasiewelt wird darüber hinaus durch die in Nussknacker und Mausekönig stattfindenden Metamorphosen thematisiert. Drei Figuren sind davon betroffen: der Nussknacker, Droßelmeier und Marie. Der Nussknacker ist im Binnenmärchen der verzauberte Neffe des Uhrmachers Droßelmeier, er ist zugleich eine Spielzeugfigur von Marie, König im Zuckerbäckerland und zuletzt offenbar noch der tatsächliche Neffe von Maries Patenonkel. Auf die Ähnlichkeit zwischen dem Nussknacker und den jeweiligen Neffen aus Binnen- und Rahmengeschichte wird mehrfach hingewiesen: die Jungen verfügen über ein widerstandsfähiges Gebiss, mit dem sie selbst die härtesten Nüsse knacken können. Zur Unterstützung ziehen sie an dem langen Haarzopf im Rücken, der damit eine Hebelfunktion übernimmt: "Bei Tische knackte der Artige für die ganze Gesellschaft Nüsse auf, die härtesten widerstanden ihm nicht, mit der rechten Hand steckte er sie in den Mund, mit der linken zog er den Zopf an – Krak – zerfiel die Nuß in Stücke" (143).
Droßelmeier ist die vielschichtigste Figur: Er ist der Pate Maries, taucht als Miniaturfigur in dem von ihm gebauten mechanischen Schloss auf, sitzt um Mitternacht als Spukfigur auf der Kaminuhr, hat im Binnenmärchen sein Pendant im Uhrmacher Christian Elias Droßelmeier und wird einmal mit einer Marionette verglichen: "Aber der Pate Droßelmeier schnitt sehr seltsame Gesichter, und sprach mit schnarrender, eintöniger Stimme: 'Perpendikel musste schnurren – picken – wollte sich nicht schicken – Uhren – Uhren – Uhrenperpendikel müssen schnurren – leise schnurren' […] Marie sah den Paten Droßelmeier starr mit großen Augen an, weil er ganz anders, und noch viel häßlicher aussah, als sonst, und mit dem rechten Arm hin und her schlug, als würd‘ er gleich einer Drahtpuppe gezogen. Es hätte ihr ordentlich grauen können vor dem Paten, wenn die Mutter nicht zugegen gewesen wäre, und wenn nicht endlich Fritz, der sich unterdessen hineingeschlichen, ihn mit lautem Gelächter unterbrochen hätte. 'Ei, Pate Droßelmeier', rief Fritz, 'du bist heute wieder auch gar zu possierlich, du gebärdest dich ja wie mein Hampelmann, den ich längst hinter den Ofen geworfen'" (S. 94 f.).
Marie wiederum trägt den gleichen Namen wie das in den Leseranreden angesprochene Mädchen, bei dem es sich offenbar um die Tochter des Verlegers Hitzig handelt, für die Hoffmann dieses Märchen als Weihnachtsgeschenk niedergeschrieben hatte. Außerdem gleicht Marie von ihrem Aussehen her der schönen Prinzessin Pirlipat. In einer Szene im Binnenmärchen wird allerdings angedeutet, dass Pirlipat selbst von Geburt an Ähnlichkeit mit einem Nussknacker hat: sie kam mit einem fertigen Gebiss auf die Welt und ernährt sich ausschließlich von Nüssen. Als sie durch den Fluch der Frau Mauserinks in einen hässlichen weiblichen Nussknacker verwandelt wird, nimmt sie der Uhrmacher Droßelmeier wie eine Maschine auseinander, um die Ursache für die Verwandlung zu ermitteln: "Er nahm Prinzeßchen Pirlipat sehr geschickt auseinander, schrob ihr Händchen und Füßchen ab, und besah sogleich die innere Struktur, aber da fand er leider, daß die Prinzessin, je größer, desto unförmiger werden würde, und wußte sich nicht zu raten und zu helfen. Er setzte die Prinzessin behutsam wieder zusammen, und versank an ihrer Wiege, die er nie verlassen durfte, in Schwermut" (S. 104). Marie vereinigt in sich die äußere Schönheit Pirlipats mit den inneren Eigenschaften der Treue, Güte und Liebe, die ihr es ermöglichen, den Nussknacker zu erlösen.
Allen drei Figuren, Nussknacker, Marie/Pirlipat und Droßelmeier, ist folglich gemeinsam, dass bei ihnen ein Übergang vom Organischen zum Anorganischen stattfindet, indem sie sich anscheinend in leblose Puppen verwandeln oder Menschengestalt erlangen. Seit Julien Offray de La Mettries Abhandlung L’homme machine (Der Mensch als Maschine, 1738; dt. 1875) hat der Gedanke, dass der Mensch wie eine Maschine funktioniert und dass man menschliche Wesen selbst konstruieren könnte, wenn man nur den dahinter stehenden Mechanismus durchschaut hat, Wissenschaftler, Mechaniker und Künstler fasziniert. Die Spielautomaten von Jacques de Vaucanson (ca. 1740), die Androiden von Pierre und Henri-Louis Jacquet-Droz, wie z. B. der berühmte Schreiber (1775) oder der Schachspieler (1782) von Johann Nepomuk Maelzel, waren Attraktionen, die das Publikum anzogen und die Debatte über die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Maschine erneut anfachten.
In der Romantik wurde diese Thematik aufgegriffen, indem etwa Menschen wie Marionetten agieren oder von scheinbar lebendigen Automaten getäuscht werden, wie dies Hoffmann z.B. in seinen Erzählungen Der Sandmann (1816) oder Die Automate (1814) illustriert hat. Wenn Hoffmann in Nussknacker und Mausekönig auf diesen Diskurs zurückgreift, ist es möglich, die darin dargestellten Verwandlungen einerseits als Kritik an der Entfremdung des modernen Menschen zu deuten, andererseits aber auch Bezüge zu Ideen von Gotthilf Heinrich Schubert zur "Traumbildersprache" zu erkennen. Sowohl in den Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft (1808) als auch in der Symbolik des Traumes (1814) (beide Schriften wurden nachweislich von Hoffmann gelesen) geht Schubert auf die Lebensphase Kindheit ein, indem er diese als "Vorstellung einer früheren vollkommeneren Menschheit" charakterisiert. Gerade Kinder hätten deshalb eine besondere Befähigung, durch den Traum und die Einbildungskraft Zugang zum Unbewussten (= die Nachtseiten) zu erlangen. In der Sprache des Traumes und der Phantasie sei es besonders sensiblen Menschen, wozu neben Kindern noch Kranke und Künstler zählen, möglich, die Grenzen zwischen anorganischem und organischem Zustand zu überschreiten, leblose Gegenstände zu beleben und die "Doppelsinnigkeit" der Welt zu erfassen.
Mit der Darstellung des Entwicklungsprozesses eines Kindes und der Einbeziehung des Grauens überschreitet Hoffmann die Schwelle vom romantischen Kunstmärchen hin zur modernen Phantastik. Zugleich hat Hoffmann mit Nußknacker und Mausekönig dem Subgenre der Spielzeuggeschichte neue Impulse verliehen. Bis in die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein dominierten Puppen- oder Spielzeuggeschichten, die ausschließlich didaktischen Zwecken dienten. Sie waren als fiktive Autobiographien konzipiert und schilderten den Umgang zwischen Spielzeug und Kind aus den Augen des Spielzeuges bzw. der Puppe. Die ältesten bekannten Texte wurden in England und Frankreich verfasst, wie z.B. The History of a Doll (1805) von Nancy Manwell oder Jeux de la poupée (anonym, 1806). In Deutschland setzte sich dieser Typ erst mit Mémoires d’une poupée von Julie Gouraud durch, das 1839 in Paris veröffentlicht wurde und 1844 in deutscher Übersetzung mit dem Titel Memoiren einer Puppe erschien. Hierbei handelt es sich immer um Beispiel- bzw. Erziehungsgeschichten, die zum richtigen Umgang mit Spielsachen, aber auch zum einwandfreien moralischen Verhalten erziehen sollen (Kuznets 1994). Bei Hoffmann ändert sich die Darstellungsweise, indem das Geschehen nicht aus der Perspektive des Spielzeugs betrachtet und erzählt wird. Außerdem wird Spielzeug nicht mehr ausschließlich zu Lernzwecken eingesetzt, sondern seine Rolle für die psychische und kognitive Entwicklung des Kindes betont. Die Interdependenz von Kind und Spielzeug wurde erst Ende des 19. Jahrhundert wieder thematisiert und erreichte seinen Höhepunkt im 20. Jahrhundert mit den Kinderklassikern Winnie the Pooh (Pu der Bär, 1926; dt. 1928) von A.A. Milne, The Return of the Twelve (Die Zwölf vom Dachboden, 1956; dt. 1967) von Pauline Clarke oder Kleine Sofie en Lange Wapper (Die wundersame Reise der kleinen Sofie, 1984, dt. 1985) von Els Pelgrom.
Hoffmanns Märchen löste wegen seiner innovativen kinderliterarischen Elemente einen Skandal aus. Schon die ersten zeitgenössischen Rezensionen sahen in dem von Hoffmann als "Kindermärchen" bezeichneten Werk ein Indiz für die Unfähigkeit des Autors, für Kinder zu schreiben. Die Kritiker begründeten ihre Ablehnung mit dem Verweis auf die verschachtelte Erzählstruktur, die intertextuellen Anspielungen, die komplexe, mit Fremdwörtern versehene Sprache, die beunruhigende Darstellung des kindlichen Seelenlebens und dem offenen Schluss (Ewers 1987). Aus Hoffmanns Korrespondenz mit seinem Verleger Georg Reimer geht jedoch hervor, dass er das Werk als geeignete Lektüre für Kinder verstand. Metatheoretische Reflexionen über den kinderliterarischen Status des Märchens legte Hoffmann seinem Alter Ego Lothar im ersten Band der Erzählsammlung Die Serapionsbrüder (1819) in den Mund. Zu diesem Zeitpunkt ist das Nußknacker-Märchen schon nicht mehr allein für Kinder vorgesehen. Als Mitglied im Bund der Serapionsbrüder erzählt Lothar das Märchen von Nußknacker und Mausekönig und verteidigt es gegen den Vorwurf der Zuhörer, dass Kinder die komplexe Erzählstruktur nicht verstehen würden:
"Es ist […] überhaupt meines Bedünkens ein großer Irrtum, wenn man glaubt, daß lebhafte fantasiereiche Kinder, von denen hier nur die Rede sein kann, sich mit inhaltsleeren Faseleien, wie sie oft unter dem Namen Märchen vorkommen, begnügen. Ei – sie verlangen wohl was Besseres und es ist zum Erstaunen, wie richtig wie lebendig sie manches im Geiste auffassen, das manchem grundgescheutem Papa gänzlich entgeht. Erfahrt und habt Respekt!" (2001, S. 306).
Mit dieser Aussage formuliert Lothar als Sprachrohr des Autors eine Poetik des Kindermärchens, die auf die Aufhebung der Grenze zwischen Kinderliteratur und Erwachsenenliteratur zielt und damit theoretische Überlegungen des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt. Auch wenn konzediert wird, dass Kinder die Bedeutung nicht in allen Einzelheiten erfassen können, wird Kindern aufgrund ihrer Phantasietätigkeit ein Zugang zum Werk eingeräumt, der möglicherweise sogar das Verständnis des erwachsenen Lesers übertreffe. Hinter diesen Ideen steckt Hoffmanns Konzept einer ideellen Kindheit, die nicht an die biologisch determinierte Lebensphase gebunden ist, sondern als unendliche Möglichkeit im Geiste bewahrt werden könne. Das sogenannte "serapiontische Prinzip" gelte auch für Nußknacker und Mausekönig. Es besagt, dass die höhere Wirklichkeit, die von den normalen Menschen als Wahn angesehen werde, aus der visionären Kraft des Dichters entstehe. Die phantastische Welt der Einbildungskraft dürfe sich im Märchen jedoch nicht verselbständigen, sondern müsse mit der sie erzeugenden Wirklichkeit in Kontakt bleiben.
Die kindliche Wahrnehmung und Phantasietätigkeit wird in den Mittelpunkt gestellt und nicht mehr als Fehlverhalten im Sinne der aufklärerisch-bürgerlichen Vernunft gedeutet. Mit dem Schluss wird darüber hinaus auf die Gefahren hingewiesen, denen "lebhaft fantasiereiche Kinder" aufgrund des mangelnden Verständnisses ihrer Umgebung ausgesetzt sind. Mit Verweis auf das Vorbild Ludwig Tieck, dem die Verbindung von naivem Märchenton und ironisierender Darstellung gelungen sei, und der Rezeption des Märchens bei zwei kindlichen Lesern bezieht Hoffmann psychologische, rezeptionsorientierte und ästhetische Kriterien ein und betont den nur graduellen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen als Lesern. Sind Kinder aufgrund ihrer fehlenden literarischen Bildung gegenüber Erwachsenen im Nachteil, zeichnen sie sich durch kognitive Fähigkeiten aus, die dieses Defizit kompensieren. Der Autor spielt damit auf die in der Frühromantik postulierte Affinität zwischen Kindheit und Dichtertum an. Diese ermögliche es dem Kind, ein tieferes Verständnis eines Kunstwerkes zu erlangen. Hoffmann formuliert damit ein rezeptionsästhetisches Programm, das sich der Förderung der literarischen Kompetenz durch ästhetisch anspruchsvolle Kinderliteratur verschrieben hat. Zugleich weist er auf die Mehrfachadressiertheit seines Märchens hin, das von Kindern und von Erwachsenen mit Vergnügen gelesen werden könne. Auch aus diesem Grund hält Hoffmann daran fest, dass es sich bei Nußknacker und Mausekönig um ein Märchen für Kinder handele (Kümmerling-Meibauer 2003).
Trotzdem führte die vehemente Kritik an Nußknacker und Mausekönig dazu, dass Hoffmanns Kindermärchen in Deutschland bis in die 1950er Jahre hinein nicht mehr als geeignete Lektüre für Kinder angesehen und fast ausschließlich in Editionen für eine erwachsene Leserschaft abgedruckt wurde. Auch in der Hoffmann-Forschung ignorierte man jahrzehntelang den kinderliterarischen Status des Werkes und behandelte es so, als hätte Hoffmann es überhaupt nicht als Märchen für Kinder intendiert. Eine Renaissance erlebte das Werk mit Beginn der 1980er Jahre, als man in der Kinderliteraturforschung die Bedeutung des Werkes für die Entwicklung der phantastischen Kinderliteratur hervorhob. Seitdem kann man von einer Renaissance des Werks, das mittlerweile den Status eines Kinderklassikers erlangt hat, sprechen. Das zeigt sich u.a. daran, dass in Deutschland mehr als 30 verschiedene Ausgaben erschienen sind, die sich hinsichtlich des Textumfangs und der Illustration voneinander unterscheiden. Während nur wenige Ausgaben den Originaltext abdrucken, wurde er in den meisten Editionen sprachlich überarbeitet ("modernisiert") und zuweilen auch gekürzt, um das Märchen in ein Bilderbuchformat zu pressen. Selbst die letzten Passagen wurden teilweise umgeändert, um den ambivalenten Charakter des Schlusses aufzuheben.
Außerhalb des deutschsprachigen Raumes verlief die Rezeption jedoch gänzlich anders. Nußknacker und Mausekönig wurde in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und beeinflusste maßgeblich die Entwicklung einer kinderliterarischen Phantastik, die den Siegeszug mit Lewis Carrolls Alice’s Adventures in Wonderland (Alice im Wunderland, 1865; dt. 1869) antrat. Folgende, mittlerweile klassische Kinderbücher, basieren auf Ideen und Strukturmerkmalen von Hoffmanns Kindermärchen und verweisen teilweise intertextuell auf das literarische Vorbild: Hans Christian Andersen: Den lille Idas blomster (Die Blumen der kleinen Ida, 1835; dt. 1839), George Sand: Histoire du véritable Gribouille (Geschichte vom wahrhaften Gribouille, 1850; dt. 1987), John Ruskin: The King of the Golden River (Der König des Goldflusses, 1851; dt. 1869), George MacDonald: At the Back of the Northwind (Hinter dem Nordwind, 1871; dt. 1981), bis hin zu Edith Nesbits The House of Arden (Die Kinder von Arden, 1908; dt. 1959), Pamela Travers Mary Poppins (1934; dt. 1935) und Michael Endes Die Unendliche Geschichte (1979). In Deutschland weist Erich Kästners Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee (1932) zahlreiche inhaltliche und formale Parallelen mit Hoffmanns Märchen auf (Kümmerling-Meibauer 2008a). Alexandre Dumas übernahm Hoffmanns Märchen für seine Adaption L’histoire d’un casse-noisette (Geschichte eines Nussknackers, 1845; dt. 1978), die von vielen Forschern bis heute fälschlicherweise als getreue Übersetzung der Originalvorlage angesehen wird. Dieses Märchen geht durch die Anpassung an das großbürgerliche Milieu in Frankreich, die Abschwächung der Groteske, die Entrückung der realistischen Rahmenhandlung ins Märchenhafte und die Angleichung an die Tradition des französischen Feenmärchens sowie die geänderte Schlussfassung weit über eine bloße Übersetzung hinaus. Dumas’ Version wiederum hat durch ihre Übersetzung in andere Sprachen zeitweilig das Hoffmannsche Märchen verdrängt, wurde Vorlage für das berühmte Ballett Der Nußknacker (1892) von Peter Tschaikowski und führte aufgrund des Fehlschlusses, dass beide Märchen gleichsam identisch seien, auch zu Interpretationen, die die Modernität des Märchens von Hoffmann verkannten. Mittlerweile hat sich – vor allem im englischsprachigen Raum ein Medienverbund etabliert, so dass der Stoff, der weiterhin Hoffmann zugeschrieben, aber größtenteils Dumas’ Version entnommen ist, in Form von Filmen (als Animationsfilm und als Realfilm), Hörspielen und Computerspielen vorliegt. Zur Kommerzialisierung haben vor allem die Disney-Version The Nutcracker (USA 1999; Regie: J. Winfield) und die als Film und Computerspiel produzierte Version Barbie und der Nußknacker (USA 2001; Regie: O. Hurley) beigetragen.
Literatur
Der Artikel wurde übernommen aus:
Kümmerling-Meibauer, Bettina: Kinder- und Jugendliteratur. Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der WBG-Verlagsgruppe.
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Forschungsliteratur
- Alefeld, Yonne-Patricia: Göttliche Kinder. Die Kindheitsideologie in der Romantik. Paderborn: Schöningh, 1996.
- Baader, Meike Sophia: Die romantische Idee des Kindes und der Kindheit. Auf der Suche nach der verlorenen Unschuld. Neuwied: Luchterhand, 1996.
- Kinder- und Jugendliteratur der Romantik. Eine Textsammlung. Hrsg. von Hans-Heino Ewers. Stuttgart: Reclam, 1984.
- Ewers, Hans-Heino: Kindheit als poetische Daseinsform: Studien zur Entstehung der romantischen Kindheitsutopie im 18. Jahrhundert. Herder, Jean Paul, Novalis und Tieck. München: Fink, 1989.
- Grenz, Dagmar: E.T.A. Hoffmann als Autor für Kinder und für Erwachsene. In: Kinderliteratur – Literatur auch für Erwachsene? Hrsg. von Dagmar Grenz. München: Fink, 1990. 65-74.
- Kümmerling-Meibauer, Bettina: Kinderliteratur, Kanonbildung und literarische Wertung. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2003.
- Kümmerling-Meibauer, Bettina: Images of Childhood in Romantic Children’s Literature. In: Romantic Prose Fiction. Hrsg. von Gerald Gillespie, Bernhard Dieterle und Manfred Engel: Amsterdam: Benjamins, 2008. S. 183-203.
- Kuznets, Lois: When Toys Come Alive. Narratives of Animation, Metamorphosis, and Development. New Haven/London: Yale University Press, 1994.
- Schikorsky, Isa: Im Labyrinth der Phantasie. Ernst Theodor Amadeus Hoffmanns Wirklichkeitsmärchen „Nußknacker und Mausekönig“. Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Hrsg. von Bettina Hurrelmann. Frankfurt: Fischer Taschenbuch-Verlag, 1995. S. 520-539.
- Steinlein, Rüdiger: Kindheit als Diskurs des Fremden: Die Entdeckung der kindlichen Innenwelt bei Goethe, Moritz und E.T.A. Hoffmann. In: "Die andere Stimme". Das Fremde in der Kultur der Moderne. Festschrift für Klaus R. Scherpe zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Alexander Honold und Manuel Köppen. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 1999. S. 277-297.