Die Entwicklung und Nutzung einer umfassenden literalen Kompetenz ist für die Teilhabe an einer modernen Medien- und Informationsgesellschaft unverzichtbar, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des digitalen Wandels der Gesellschaft, den es zu verstehen und analysieren und in fachliche Lehr- und Lernprozesse zu integrieren gilt (vgl. KMK 2017). Zahlreiche Konferenzen und deutschdidaktische Publikationen haben das Feld der Digitalität seither differenziert erschlossen. Jedoch hat die Covid 19-Pandemie wie im Brennglas gezeigt, dass der Impact der Digitalisierung weder in den Ausstattungen der Schulen noch in den Lehr-Lernkonzeptionen des Unterrichts gegenwärtig hinreichend gesichert ist.

Dem digitalen Lesen und Schreiben kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, da sich digitale Lese- und Schreibprozesse nicht nur maßgeblich von analogen Lese- und Schreibprozessen unterscheiden, sondern die Digitalisierung neue mediale Formate des Lesens und Schreibens hervorgebracht hat. Dabei sind besonders zwei Aspekte zu nennen, die zu grundlegenden Veränderungen von Lese- und Schreibprozessen beitragen und die wir im Rahmen der Tagung der AG Medien fokussieren möchten: Automatisierung und Sozialität.

Mit dem Blick auf Automatisierung geht der Anspruch einher, die Bedeutung der Algorithmizität für Lesen und Schreiben ebenso zu reflektieren wie die didaktische Nutzung von Tools zur Lese- und Schreibunterstützung (z.B. Spracherkennungssoftware), die bereits jetzt so weit entwickelt sind, dass ihnen erhebliche Unterstützungsfunktion zukommt. Es ist anzunehmen, dass es durch den Einsatz dieser Tools zu einer kognitiven und motorischen Entlastung kommen kann und Kapazitäten für hierarchiehöhere Rezeptions- und Produktionsprozesse frei werden (vgl. Lehnen 2018). Zugleich sind die Produktionskontexte digitaler Texte (z.B. Suchfunktionen, KI oder automatische Übersetzungsprogramme) in didaktische Perspektiven einzurücken.

Daneben bietet der Einsatz digitaler Medien Formen des sozialen Austauschs und der Vernetzung, die im analogen Raum bislang so nicht möglich waren. Kollaborative Schreibprozesse und Textlektüren (Social Reading) schließen an außerschulische Paradigmen der Netzkultur an, generieren im modus operandi des Teilens und Kommentierens neue Formen von Anschlusskommunikation und können dazu beitragen, individuelle Lese- und Schreibprozesse gemeinsam zu reflektieren.

In einer dritten Perspektive wird es darum gehen, die aus der Pandemie hervorgehenden fachlichen Veränderungen digitaler Lehr-Lernkulturen online, offline und hybrid im Fokus von Lern-Lehrprozessen des Lesens und Schreibens zu erfassen, zu bewerten und weiterzuentwickeln.

Im Rahmen der Tagung der AG Medien sollen theoretisch-konzeptionelle Beiträge, evidenzbasierte Forschungsergebnisse und Best Practice-Beispiele zusammengeführt und diskutiert werden.

Fragestellungen für Beiträge zur Tagung könnten sein:

  • Wie gelingt der Übergang vom analogen zum digitalen Schreiben?
  • Wie lassen sich digitale Tools bzw. Angebote zum Lesen und Schreiben im digitalen Raum fachdidaktisch sinnvoll implementieren?
  • Wie können Potentiale der Automatisierung von Lese- und Schreibprozessen didaktisch genutzt werden und welche neuen Herausforderungen ergeben sich ggf. durch den Einsatz dieser Tools im Deutschunterricht?
  • Wie sehen Rezeptions- und Produktionsprozesse in der digitalen Gegenwart aus und welche Anschlussstellen ergeben sich für fachliche Lehr-Lernproesse?
  • Inwiefern sind digitale kulturelle Praxen (z.B. Gaming) auch auf Lesen und Schreiben angewiesen?
  • Wie formieren sich kulturelle Prozesse unter dem Einfluss des Algorithmus und wie lässt sich dessen Funktionsweise erkennen?
  • In welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen ermöglicht die Digitalisierung die Selbstermächtigung junger Leserinnen und Leser sowie Schreiberinnen und Schreiber?
  • Wie haben sich digitale Lese- und Schreibprozesse in Schulen und Hochschulen durch die COVID-19-Pandemie verändert?

Als Keynote-Referenten für die Tagung haben zugesagt: Prof. Dr. Volker Frederking, Prof. Dr. Gerhard Lauer, Prof. Dr. Torsten Steinhoff

Literatur:

  • Böck, Sebastian/Ingelmann, Sebastian/Matuszkiewicz, Kai/Schruhl, Friederike (Hrsg.) (2017): Lesen X.0. Rezeptionsprozesse in der digitalen Gegenwart. Göttingen: V&R Unipress.
  • Frederking, Volker/Krommer, Axel (2019): Digitale Textkompetenz. Ein theoretisches wie empirisches Forschungsdesiderat im deutschdidaktischen Fokus. URL: https://www.deutschdidaktik.phil.fau.de/files/2020/05/frederking-krommer-2019-digitale-textkompetenzpdf.pdf
  • Kepser, Matthis: Digitales Schreiben und Lesen - Herausforderungen (nicht nur) für den Deutschunterricht. In: Erziehung & Unterricht 9-10 (2020), S. 814-824.
  • Krammer, Stefan/Leichtfried, Matthias/Pissarek, Markus (Hrsg.) (i. Dr.): Deutschunterricht im Zeichen der Digitalisierung. ide-extra. Innsbruck/ Wien: StudienVerlag.
  • Kuhn, Axel (2015): Lesen in digitalen Netzwerken. In: Rautenberg, Ursula/Schneider, Ute (Hrsg.), Lesen: Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin, München, Boston: De Gruyter, 427–444.
  • Lauer, Gerhard (2020): Lesen im digitalen Zeitalter. Darmstadt: wbg.
  • Lehnen, Katrin (2018): Digitales Schreiben - Zur Veränderung literaler Praktiken. In: Mont Cameroun Afrikanische Zeitschrift für interkulturelle Studien zum deutschsprachigen Raum. No 13/14. Themenheft: Schreiben und Schreibkompetenzen an der Hochschule: Theoretische Überlegungen, didaktische Modelle und Perspektiven innerhalb und außerhalb des deutschen Sprach- und Kulturraums, hrsg. von Maryse Nsagou Njikam, 25-35.
  • Schüler, Lisa (2020): Diktieren mit Spracherkennung als Form der medienunterstützten Textproduktion. Ein Forschungsbericht. In: Didaktik Deutsch, 25 (48), 71–85.
  • Steinhoff, Torsten (i. Vorb.): Zur digitalen Transformation des Schreibens. Erscheint in einer Festschrift.

Hinweise zur Einreichung:

Vorschläge für Vorträge von 25 Minuten mit Bezug zum Tagungsthema sind willkommen. Wir bitten Sie, Ihr Abstract (max. 350 Wörter) als PDF-Dokument bis zum 05. Januar 2022 per E-Mail an das Organisationsteam (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) zu senden.

Die Beiträge werden im Nachgang zur Tagung in der Open-Access-Zeitschrift MiDU – Medien im Deutschunterricht publiziert. Bitte beachten Sie, dass die Einreichung für die Manuskripte der 31.07.2022 ist.

Informationen zur Tagung:

Karlsruhe ist mit dem ZKM und dem KIT ein Standort, an dem digitale Kultur maßgeblich mitgestaltet wird. Auf diesen Schwerpunkt richtet sich die Veranstaltung am Freitagabend, 20.05.2022. Die Tagung endet am Samstagnachmittag, 21.05.2022, anschließend findet die Mitgliederversammlung der AG Medien statt.

Weitere Informationen zur Anmeldung und zum Programm finden Sie ab Januar 2022 unter: https://deutsch-digital.eu/agmedien2022

[Quelle: Call for Papers]