Nach 1933 hat sich die Lebenswelt auch für Kinder und Jugendliche in Deutschland radikal verändert und dieser Wandel hat vielfach dazu geführt, dass sie ins Exil gehen mussten. Viele der ebenfalls emigrierten Künstler*innen haben sich den Perspektiven dieser Kinder und Jugendlichen gewidmet. Daher sind im Exil unter den verschiedenen Produktionsbedingungen der jeweiligen Länder Texte und andere mediale Auseinandersetzungen entstanden, die sich an diese Altersgruppe richten oder die aus ihrer Perspektive erzählen. Bestimmend für alle diese Texte und Medien ist eine exilische Verortung. Der Wandel der künstlerischen Ausdrucksformen und die (sozial-)pädagogischen Entwicklungen seit den 1920er Jahren führten auch im Exil zu neuen Konzepten und Formen in der Kinderliteratur und in den neuen Kindermedien wie dem Rundfunk und dem Film. Trans- und intermediale Analysen dieses Feldes stehen noch weitgehend aus. Andere Zusammenhänge der Kinder- und Jugendmedien im Exil sind hingegen bereits erforscht (z.B. Benner: 2015, Fernengel: 2008, Mikota: 2004). Auch das aktuelle Jahrbuch der Gesellschaft für Exilforschung widmet sich diesem Thema (Bannasch et al.: 2023). 

Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft "Frauen im Exil" der Gesellschaft für Exilforschung möchte diese Themen vertiefen und Kindermedien in transmedialer wie diachroner Perspektive miteinander in Verbindung bringen, um spezifisch exilliterarische Phänomene im historischen Wandel zu untersuchen. Der Blick soll auch auf die kinderliterarische Rezeption von Exilen bis in die heutige Zeit geweitet werden. In Kooperation mit dem Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität Hildesheim und der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur der Georg-August-Universität Göttingen widmet sich die Tagung den Praktiken der Produktion und Distribution von Kindermedien des Exils. Damit werden die Netzwerke des Exils und ihre Bedeutung für die künstlerische Produktion genauso in den Blick genommen wie die ästhetischen Artefakte selbst. Insbesondere das prekäre und ambivalente Verhältnis von exilischer Verortung und Akkulturation soll analysiert werden. Postkolonial und gendertheoretisch gestützte Untersuchungen können hier relevante und kritische Perspektiven auf die Kindermedien des Exils und ihre Autor*innen eröffnen. Gerade intersektionale Perspektiven auf die Verschränkung von Migration, Exil, Rassismus, Sexismus und Klassismus in den Kinder- und Jugendmedien des Exils fehlen bisher weitgehend.
Erwünscht sind daher Beiträge aus gattungsübergreifender sowie inter- und transmedialer Perspektive, zum Beispiel zu:

  • Heterotopien/Heterochronien, Third Spaces des Exils und place making durch Kinder- und Jugendmedien des Exils
  • Intersektionalen Perspektiven auf race, gender, class, age und dis/ability in Kindermedien des Exils
  • Ästhetischen und sozialen Positionierung von Emigrant*innen in (kolonialen) Aufnahmegesellschaften
  • Übersetzungen als Prozesse hybrider Akkulturationen
  • medialem Wandel künstlerischer Ausdrucksformen im Exil z.B. infolge von technologischer Entwicklung (Comics, Fotobücher, Hörspiele etc.)
  • Veränderungen von Gattungskonzeptionen im Exil
  • Inter- und transmedialen Untersuchungen zur Rezeption von Kindermedien des Exils, z.B. Verfilmungen von Exilromanen in der DDR
  • Text-Bild-Verhältnissen in den Kindermedien; Illustrationen

Netzwerke der Distribution im Exil (Verlage, Institutionen, Bibliotheken, Zeitschriften, etc.)
 
Als Medien für die Untersuchung bieten sich zum Beispiel an:
erzählende Literatur, Sachbücher (z. B. E. Gombrich: Kleine Weltgeschichte der Kunst, H.J. Kaeser: Die Wunderlampe, K. Loewenstein: Karl Marx erzählt für die Jugend, K. Pahlen: Ins Wunderland der Musik), Übersetzungen (z. B. L. Gombrich: Till Eulenspiegel, Märchen herausgegeben durch H. Scheu-Riesz, B. Schönlank: Tolstoi: Erzählungen und Märchen), Bilderbücher (z.B. W. Trier: 8192 crazy costumes in one book), Foto- und Kunstbücher (z.B. H. Rox Tommy Apple / Banana Circus, T. Gidal My Village In…, Fotobücher von Ylla, H. Vogler/ J. R. Becher: Kampf), Comics/Graphic Novels, Illustrationen (z.B. von Märchen durch Fritz Kredel, H. Weissenborn, J. Scharl, Don Quixote von H.A. Müller), Schullesebücher (z.B. von T. Richter oder F. Leschnitzer), Filme (Heil Hitler! Ich hätt gern n paar Pferdeäppel), Hörspiele (z. B. A. Seghers: Ein ganz langweiliges Zimmer), Theaterstücke (z.B. M. Steffin: Wenn er einen Engel hätte), Lyrik und Zeitschriften.
 
 
Organisator*innen: Dr. Wiebke v. Bernstorff, Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Dr. Hartmut Hombrecher, Dr. des. Helene Roth, Finja Zemke, M.A./M.Ed.
Themenvorschläge (max. 1 Seite) sind bitte mit einer kurzen biographischen Notiz bis zum 31. Juli 2023 einzureichen an: Dr. des. Helene Roth: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
 
Zusagen werden im Oktober versandt.

[Quelle: Pressemitteilung]