Schrift ist mehr als die Abbildung gesprochener Sprache (vgl. Boyken 2023, 51); die Typografie eines Textes mehr als der oberflächliche erste Zugang zum Geschriebenen; der Inhalt nicht losgelöst von seiner Materialisierung zu denken. Editionspraktiken zeigen einen Text – einem Erkenntnisinteresse folgend – als ein zu lesendes Artefakt (vgl. Nutt-Kofoth 2004, 3). Die Sichtbarkeit des Textes wird damit zu einem wesentlichen Kriterium, das eng mit dem Inhalt und ggf. auch einer Aussageabsicht verwoben ist. Die Schriftgestaltung eines Textes kann der optischen Inszenierung dienen (z. B. von Fremdheit in der interkulturellen Literatur; vgl. Meyer 2021, 32), ebenso der Thematisierung von politischen und sozialen Realitäten (vgl. ebd.), sie kann zum ästhetischen und poetischen Gestaltungsmittel werden (z. B. konkrete Poesie) oder zum Medium identitätspolitisch-ideologischer (Selbst-)Positionierungen. Selbst der Weißraum zwischen und hinter den Buchstaben ist nicht frei von Bedeutung (vgl. Seithe 2020). In jedem Fall greift die schlichte Trennung von Materialität und Referenzialität zu kurz. Auch die allzu abgegrenzte Gegenüberstellung von Schrift- und Bildmedien ist bei näherer Betrachtung nicht zu halten. Typografie und Layout sind zentrale Dimensionen sowohl schriftlicher und also auch literarischer Gestaltung.
Umso mehr verwundert die „Schriftvergessenheit“ (Metz 2019, 11 ff.) weiter Teile der literaturwissenschaftlichen Forschung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen – besonders im Kontext multimodal orientierter Forschungsansätze, z. B. der Bilderbuchforschung (vgl. z B. Vach 2020) – steht die Schrift kaum im Fokus Kinder- und Jugendmedienforschung. Das geplante Themenheft 4/2024 von kjl&m möchte hier ansetzen. Wir laden dazu ein, sich mit Beiträgen zu Schrift und schriftkulturellen Artefakten in Kinder- und Jugendmedien zu beteiligen.
Erwünscht sind z. B. Beiträge:
- zu Schrift in historischen oder Gegenwartsphänomenen der Kinder- und
Jugendmedien
- zur Schriftgestaltung im Kontext multimodaler Textualität
- zu Schrift(praktiken) als Gegenstand oder Motiv kinderliterarischen Erzählens
- zu typografischen Phänomenen (z. B. im Bereich der Lyrik)
- zu didaktischen Erwägungen der Schriftgestaltung (z. B. Leser*innenorientierung,
Barrierearmut)
- zum Bibliothekswesen
- und zu weiteren Aspekten des Themas in einem weiten Verständnis...
Abstracts für Beiträge können bis zum 15.11.2023 an
Verantwortlicher Redakteur:
Michael Ritter (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Literatur:
- Boyken, Thomas: Sprache und Schrift in der Kinder- und Jugendliteratur. In: Fuhrhop, Nanna/ Reinken, Niklas/ Schreiber, Niklas (Hgg.): Literarische Grammatik. Wie Literatur und Sprachwissenschaft voneinander profitieren können. Heidelberg 2023, 41-56
- Metz, Bernhard: Die Lesbarkeit der Bücher. Typographische Studien zur Literatur. Paderborn 2020
- Meyer, Anne-Rose: Buchstäblich fremd. Historische, politische und ästhetische Dimensionen arabischer, japanischer und lateinischer Schrift in interkultureller Literatur: Frischmuth – Şenocak – Özdamar – Schami. In: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 12. Jg (2021) H. 2, 131-144. Online unter: https://doi.org/10.14361/zig- 2021-120211 (16.10.2023)
- Nutt-Kofoth, Rüdiger: Text lesen – Text sehen: Edition und Typographie. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Vol. 78 (2004), 3-19. Online unter: https://doi.org/10.1007/BF03379204 (16.10.2023)
- Seithe, Jan: weiß raum. Ästhetik und Poesie weißer Flächen in Typografie, Literatur und bildender Kunst. Siegen 2020
- Vach, Karin: Typografie und Layout im Bilderbuch. In: Dammers, Ben/ Krichel, Anne/ Staiger, Michael (Hgg.): Das Bilderbuch. Theoretische Grundlagen und analytische Zugänge. Berlin 2022, 119-152. Online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05824-9 (16.10.2023)
[Quelle: Pressemitteilung]