Im Oktober 1924 lief das erste deutsche Hörspiel mit dem Namen Zauberei auf dem Sender und kurze Zeit später bildete sich eine große Bandbreite neuartiger, radiophoner Literatur heraus. Die unterschiedlichen Hörspielformate umfassten sowohl mediale Transpositionen als auch zahlreiche Originaltexte für den Funk, darunter Kinderhörspiele, Unterhaltungsserien und medientechnisch, klanglich sowie literarästhetisch experimentelle Formate.
Seit einigen Jahren erst rücken Hörspiele in der literatur- und medienwissenschaftlichen Forschung überhaupt in den Blick, und die Literatur- und Mediendidaktik entdeckt die Möglichkeiten des Mediums für die literarästhetische Kompetenzförderung oder auch die Vermittlung von Formen multimodalen Erzählens. Nicht zuletzt Adaptationen, die die Mehrheit der Produktionen bildeten und später in der Hörspieltheorie zu Unrecht als sekundäre Leistungen abgewertet wurden, bilden hier interessante Untersuchungsgegenstände.
Ein Blick in die zeitgenössische Rundfunkliteratur der Weimarer Republik zeigt, wieviel Hörspiele tatsächlich produziert und gesendet wurden, doch die Hörspielgeschichte benennt immer dieselben wenigen ‚Highlights‘. Diese eingeschränkte Perspektive verwehrt den Blick auf die Ursprünge heutiger Hörspielformate ebenso wie auf die poetologischen Verhandlungen und deren Implikationen für printmediale oder theatrale Schreibweisen. Denn obwohl es hinlänglich bekannt ist, dass einige kanonisierte Autoren – etwa Benjamin, Brecht, Bronnen, Döblin, Toller – sich mit dem Hörspiel auseinandergesetzt haben, gibt es große Wissenslücken bezüglich des Umfangs und Stellenwerts dieser Auseinandersetzung sowie der Frage, wer (noch) was und wie an radiophonen Texten beigetragen hat. Weitgehend unerforscht ist, inwiefern die „große Zeit des Abenteuers im akustischen und phonetischen Gefild“ (Fritz Walter Bischoff) die Schreibweise der Autoren und letztlich der literarischen Moderne verändert hat.
Das gilt auch mit Blick auf Impulse für (audio-)literale Entwicklungen nach 1945. Während beispielsweise in der Kinder- und Jugendliteraturforschung (KJL-Forschung) eine breite Forschungslage zur geschichtlichen Entwicklung der KJL besteht, bilden die Anfänge und Entwicklungen des Kinderhörspiels einen blinden Fleck


Die Tagung soll am 24. und 25. Oktober in Münster stattfinden. Prof. Dr. Sebastian Bernhardt und Prof. Dr. Britta Herrmann freuen sich über einen Themenvorschlag mit Abstract für einen Beitrag von max. 30 Minuten Länge bis zum 29.02.2024 an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..

Die Beiträge sollten sich einer der beiden Sektionen zuordnen:


1. Archiv und Gedächtnis

  • Welche Hörspiele jenseits der bekannten Texte und kanonisierten Namen finden sich, wie wurden sie wahrgenommen?
  • Wie entwickeln sich die verschiedenen Genres des Hörspiels?
  • Welche kulturellen, sozialen, politischen, geschlechterbezogenen, pädagogischen, ethischen Verhandlungen werden in und mit den Hörspielen geführt?
  • Welcher „Erwartungshorizont“ der Zeitgenossen wird über das Hörspiel aufgerufen oder erzeugt, bedient oder unterlaufen?
  • Welche Formen der Adaptation und des multimodalen Erzählens lassen sich rekonstruieren?
  • Welche Relevanz kommt der diachronen Auseinandersetzung mit radiophonen Texten für die die Poetikgeschichte und/oder die Lehrkräftebildung zu

 
2. Sonale Materialitäten/Ästhetiken

  • Wie werde die sonalen Materialitäten des Hörspiels und ihre ästhetischen Möglichkeiten zeitgenössisch diskutiert (etwa in Rundfunkzeitschriften, Rezensionen, Bildern u.ä.)?
  • Welche dramaturgischen Richtlinien werden entwickelt? Welches zeitgenössische Hörwissen fließt in die Hörspielästhetik ein (aus Musik, Technosphären, urbanen Räumen, avantgardistischen Programmen o.ä.)?
  • Welche Aspekte der Rezeptionssteuerung lassen sich beobachten und werden verhandelt (Wirkung über das Ohr, emotionale Effekte, 'immersive' Erlebnisse…)?
  • Gibt es Unterschiede beim Einsatz akustischer Zeichen in verschiedenen Genres (etwa beim Kinderhörspiel?)
  • Welche Rolle kann die klangliche Ästhetik historischer Hörspielen im Rahmen des Literatur- und Medienunterrichts spielen?


Reise- und Unterbringungskosten werden evtl. übernommen. Eine Veröffentlichung der Beiträge im Nachgang ist geplant.

 

[Quelle: Pressemitteilung]