Literatur wird im Rahmen des Literaturunterrichts oftmals in einer thematischen Funktion eingesetzt, dieselbe Beobachtung gilt auch für andere geschichtenerzählende Medien. Ausgehend von einem bestimmten Motiv, einem Problemfeld oder aber einer gesellschaftlichen Entwicklung werden dann Möglichkeiten entwickelt, im Rahmen des Literaturunterrichts neben literarästhetischer Bildung auch eine Auseinandersetzung mit den Themenfeldern zu ermöglichen. In den 1970er Jahren haben auch ernste Probleme wie häusliche Gewalt, Misshandlung, Alkoholismus der Eltern, Mobbing, Armut und Prekariat auf drastische Weise Einzug in die KJL gehalten. Seither stellt die KJL breite, sozialkritische Reflexionen über Problemfelder, Krisensituationen und globale Themen an. Schon in Bilderbüchern lassen sich Hinwendungen zu derartigen Erfahrungen erkennen, in Hörspielen, Filmen aber auch interaktiven Medien lassen sich ähnliche Problemfelder antreffen. Die konkreten Möglichkeiten, diese Gegenstände im Rahmen des Unterrichts einzusetzen, sind wenig erforscht. 

In Abschlussarbeiten von Studierenden für das Lehramt erfreuen sich derartige themen-, konflikt-, problem- oder identitätssensiblen Themen einer großen Beliebtheit. Literatur scheint ein geeignetes Medium zu sein, um Mobbingerfahrungen, die Verarbeitung von Tod und Trauer oder aber Konflikte mit anderen Menschen greifbarer zu machen, empathische Zugänge zu Themenfelder zu eröffnen oder Reflexionen anzustoßen. Allerdings besteht die große Gefahr darin, Literatur zu einer reinen Impulsgeberin für Lebenshilfe oder für die Behandlung von Themenfeldern herabzuwürdigen. Der geplante Sammelband macht es sich zur Aufgabe, zu reflektieren, wie themenorientierte Umgangsweisen mit Literatur und Medien im Unterricht erfolgen können, die dabei dennoch die ästhetische Eigengesetzlichkeit dieser Gegenstände würdigen. 

Zentral ist, dass es nicht um eine inhaltliche Sammlung und Beschreibung literarischer oder medialer Darstellungen der Problemfelder gehen soll, sondern vielmehr um eine systematische Betrachtung der discours-Ebene: 

Wie greifen Literatur und Medien Problemfelder auf? Welche Verfremdungs- und Inszenierungsstrategien gelangen zum Einsatz? Inwiefern lassen sich daraus Legitimationen für den unterrichtlichen Einsatz ableiten? Welche Potenziale ästhetischer Erfahrungen und welches Irritationspotenzial können die fiktionalen Gegenstände bieten? Welche Rolle spielen die Literarizität und Ästhetizität in den didaktischen Überlegungen? Inwiefern wird der Fiktions- und Ästhetizitätsgehalt im Rahmen der didaktischen Überlegungen beachtet? Welche Rolle spielt die ästhetische Wahrnehmung dabei?

Mögliche Gegenstände für eine gegenstandsorientierte didaktische Positionierung (wobei auch eigene Ideen explizit erwünscht sind):

  • Diskriminierungserfahrungen
  • Gewalt im Elternhaus
  • Gewalt durch Peers
  • Mobbing
  • Rassismuserfahrungen und -kritik
  • Intersektionalität
  • Verarbeitung von Traumata
  • Tod und Trauer
  • Identitätskrisen
  • Ökologiekrisen
  • Generationenkonflikte
  • Alteritätserfahrungen
  • Vorurteile
  • Genderbezogene Diskriminierungserfahrungen/sexuelle Herkunft
  • Körperliche/mentale Beeinträchtigung (auch im sozialen Umfeld)
  • Phänomene der Flucht
  • Armut/soziale Herkunft
  • Freundschaft
  • Familie
  • Streit
  • Religiöse Diskriminierungserfahrungen
  • Rechtliche und moralische Grenzfälle
  • Kinderrechte
  • Menschenrechte
  • Verlust …

Die Beiträge sollen folgender Struktur folgen: 

1 knappe theoretische Überlegungen

-       Informationen zu dem Thema

-       Einordnung in den Kontext der Fiktionalität/Verfremdung

2 Gegenstandsbezogene Einordnung

-       Darstellung narrativer bzw. ästhetischer Besonderheiten des Gegenstandes (Verfremdungsstrategien, Diskursivierung, Nähe-/Distanzverhältnisse)

-       Exemplarische Erarbeitung der Ästhetisierung des Phänomens

-       Entwicklung zielgerichteter Möglichkeiten der konzisen narratoästhetischen Analyse

3 Perspektiven für den Literatur- und Medienunterricht

-       Wie kann ein themenorientierter Zugriff erreicht werden?

-       Wie wird sichergestellt, dass die Ästhetizität nicht vernachlässigt wird? 

-       Warum sollte das Thema mittels Literatur oder Medien aufgegriffen werden?

-       Welche methodischen Überlegungen sind dafür zentral? 

Es sind aber auch Beiträge willkommen, die sich dem Thema aus einer empirischen Perspektive nähern. 

Der Band soll auf systematischen Wegen dazu beitragen, gegenstandsorientierte Perspektiven auf Literatur in einem thematisch orientierten Unterricht zu entwerfen. Ziel ist es, Orientierungspunkte zu setzen, um damit einen die ästhetische Eigengesetzlichkeit berücksichtigenden Literaturunterricht sicherzustellen und die Rolle von Literatur im Kontext des Unterrichts zu konturieren. 

Wenn Sie Interesse haben, senden Sie bitte bis zum 29.04.2024 einen Beitragsvorschlag (max. 1 Seite) mit bio-bibliographischen Angaben an den Herausgeber (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.). Im Idealfalle benennen Sie auch gleich 1-2 weitere Themen, die Sie sich vorstellen könnten, damit im Falle von Mehrfachwünschen eine Auswahl getroffen werden kann. 

Der Band wird als print und eBook in meiner Reihe „Literatur – Medien – Didaktik“ im Verlag Frank&Timme erscheinen und über die Springer Bibliotheken abrufbar sein. 

Länge der geplanten Beiträge: 20-30.000 Zeichen (wird nach Sichtung aller Abstracts festgelegt)

Einreichung von Abstracts mit bio-bibliografischen Angaben bis: 29.04.2024, Einreichung der fertigen Beiträge: 03.11.2024, 23:59, Erscheinen des Bandes: spätestens im Februar 2025

Kontakt:

Prof. Dr. Sebastian Bernhardt, Universität Münster, Germanistisches Institut, Abteilung Literatur- und Mediendidaktik Tel.: 0251/83-24660, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Ich freue mich sehr auf Ihre Beitragsvorschläge. Damit die Beiträge aktuell bleiben und schnell publiziert werden können, ist der Zeitplan sehr genau abgesteckt. 

[Quelle: Pressemitteilung]