Sabine Planka: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Petra Schwarz: Ich bin durch einen sehr harten Schicksalsschlag zum Schreiben gekommen und habe das Schreiben für mich eigentlich nur entdeckt, um wieder zu mir zu finden. Ich habe viele, viele Gedanken gehabt und auch viele Träume in der Zeit und habe die einfach niedergeschrieben. Ich habe dann kurioserweise einen Traum in fortlaufender Erzählung geträumt und den niedergeschrieben, so dass ich dann 70 Seiten eines Manuskriptes hatte, das jetzt noch in meiner Schublade liegt und von dem ich hoffe, dass es irgendwann mal ein Kinderbuch werden wird. Parallel dazu habe ich an Schwanengrab gearbeitet und bin schließlich mit beiden Manuskripten zu meinem Berater Stefan Wendel gegangen, der mir dann geraten hat, mir einen Agenten zu suchen. Roman Hocke von der Autoren- und Verlagsagentur AVA international GmbH hat mich schließlich in seine Autorengemeinschaft aufgenommen, so dass schließlich Schwanengrab entstanden ist.
Sowohl Schwanengrab als auch Sommerpest sind als in sich abgeschlossene Thriller für Jugendliche konzipiert. Was hat Sie daran gereizt, zumal derzeit immer mehr Trilogien auf den Markt kommen, in denen eine Heldin in einer dystopischen Zukunft bestehen, die Welt vor weiteren Zerstörungen retten muss und sich mitunter heroisch selbst opfert, um korrupte Regierungen zu entlarven?
Jugendliche insofern, weil ich die Zielgruppe wahnsinnig spannend finde und mich gerne mit ihnen auseinandersetze. Ich schätze den Dialog mit den Jugendlichen sehr, den ich finde, wenn ich in Schulen gehe oder eben auf die Messe und mich mit den Jugendlichen treffe. Hier kommt unglaublich viel zurück. Das finde ich sehr schön. Außerdem versetze ich mich ganz gerne auch wieder in diese Epoche meines Lebens und überlege mir, wie es mir damals ging. So versuche ich, mich immer wieder in die Situationen der Protagonisten einzufühlen und frage mich, was er oder sie gerade erleidet und wie es ihm oder ihr gerade geht. Wie muss er jetzt reagieren, um plausibel zu bleiben? Das finde ich sehr spannend. Ich glaube, das empfinde ich auch darum so intensiv, weil ich eben nicht mehr jugendlich bin. Wenn ich jetzt für Erwachsene schreiben würde, wär's vielleicht nicht mehr so intensiv.
Sie haben ihre Protagonisten gerade angesprochen. Was reizt Sie daran, sowohl Ihre Protagonisten als auch Ihre Täter psychologisch auszuloten, denn es sind ja durchaus Psychothriller, die Sie schreiben. Was macht es für Sie so interessant, sich gerade auf diesen Aspekt zu fokussieren?
Ich habe als Jugendliche schon Fachliteratur verschlungen, die sich mit diesen Themen beschäftigt hat und mir in der Bibliothek Werke ausgeliehen, von Psychologen, Lehrern oder Erziehern geschrieben, die mit Jugendlichen arbeiten und mit extremen Situationen konfrontiert sind. Da gab es alle möglichen Persönlichkeiten und das hat mich wahnsinnig fasziniert. Das habe ich im Hinterkopf gehabt, aber zunächst nicht bewusst eingesetzt während des Schreibens. Das war zunächst einfach 'weg'. Bei Schwanengrab war es dann so, dass ich die Persönlichkeit der Samantha sofort vor Augen hatte, während sich die der Caro erst step by step entwickelt hat. Das ist bei mir eigentlich immer so, wenn ich schreibe. Der Täter zeigt sich immer – typisch Täter – Schritt für Schritt. Und das mit der multiplen Persönlichkeitsspaltung fand ich persönlich halt wahnsinnig spannend, weil ich viel darüber gelesen habe. Jeder Mensch ist so vielschichtig und mich hat es gereizt, mir diese Schichten anzuschauen und in die Tiefe zu gehen, um zu gucken, was sich dort verbirgt.
Neben diesen psychologischen Aspekten greifen Sie ja auch andere Themen auf. Ich erinnere an Sommerpest, wo Sie Liquid Ecstasy (im Volksmund besser bekannt als "K.O.-Tropfen") thematisieren. Warum beschäftigen Sie sich mit derlei Themen bzw. warum ist es Ihnen wichtig, Ihre Leser für diese zu sensibilisieren?
Wenn wir speziell bei Liquid Ecstasy bleiben: Da wird sehr, sehr viel noch nicht drüber gesprochen. Ich habe mit der Beratungsstelle für betroffene Frauen und Mädchen in Aachen gesprochen und war entsetzt, was für eine Dunkelziffer es gibt und wie die Mädchen und betroffenen Frauen damit umgehen und das totschweigen oder "unter den Tisch fallen lassen". Diese Dunkelziffer ist leider, leider gerade speziell hier sehr hoch, weil Liquid Ecstasy so schlecht nachweisbar ist. Die Gefahr ist somit einfach da und als junger Mensch, v.a. als Mädchen muss man das wissen. Mich hat es wahnsinnig berührt, dass es so viele Frauen gibt, die davon betroffen sind, aber nicht darüber sprechen können oder wollen, aus welchen Gründen auch immer. Deswegen war es für mich einfach wichtig, dieses Thema in meinem Roman unterzubringen.
Ich schließe daraus, dass Sie wahrscheinlich auch mit Ihren Kindern ganz offen drüber sprechen.
Ja, ich spreche da natürlich offen drüber und ich warne sie auch davor. Sie sind in dem Alter, wo sie ihre Wege gehen. Ihnen ist die Gefahr bewusst und ich denke, dass dieses Bewusstsein sich selbst und anderen gegenüber der Schlüssel ist, Gefahren zu vermeiden.
Wo Sie gerade von Ihren Kindern gesprochen haben: Lesen Ihre Kinder Ihre Bücher…
Ja.
…und sind wahrscheinlich ihre ärgsten Kritiker?
Ja. Total. [Petra Schwarz lacht.] Nehmen auch kein Blatt vor den Mund, wofür ich natürlich dankbar bin. Als Mutter kriegt man natürlich herbere Kritik ab, ist ja ganz klar. Ich bin aber froh drum. V.a. meine älteste Tochter ist in ihrer Lektüre sehr wählerisch und sucht kritisch aus, was sie liest. Sie ist sehr, sehr kritisch. Wenn sie von einem Buch nach 20 Seiten nicht gefesselt ist, dann kommt es auch gnadenlos wieder weg. Das ist für mich natürlich Gold wert, weil ich genau weiß, wenn ich ihr 10 Seiten gebe und sie bleibt nicht dran hängen, dann kann ich alles noch mal schreiben.
Werden Sie dem Thriller-Genre treu bleiben?
Nein, nicht ganz. Ich habe viele Ideen und ich werde auch von der Spannung nicht lassen können, weil es mich immer noch reizt, Stück für Stück die Geheimnisse der Protagonisten preisgeben zu können. Aber das kann man in anderen Genres ja auch machen. Beim dritten Buch geht es jetzt entsprechend, auch auf Empfehlung des Verlages, mehr in die Lovestory-Ecke, was mich ebenfalls reizt, weil ich in Sommerpest schon ein bisschen diese Richtung eingeschlagen habe. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, auch einmal viel Gefühl fließen zu lassen. Zudem habe ich auch Ideen für Kinderbücher. Auf ein Genre speziell würde ich mich jetzt nicht festlegen, obwohl es mir schon sehr viel Spaß macht, Thriller zu schreiben.
Stichwort 'Muffin'! [Wir lachen beide.] [In Sommerpest ist Muffin der Hund von Hannes; Anm. S.P.]. Was fließt aus Ihrem Alltag in Ihr Schreiben ein, gerade auch auf den Hund bezogen?
Ich liebe Hunde, ich bin mit Hunden groß geworden und ich hab selber auch zwei Hunde, eine Zeitlang hatte ich sogar drei. Ich bin ein Hundemensch. Tiere haben für mich überhaupt eine große Bedeutung, weil sie so mit Symbolik aufgeladen sein können und weil man aus ihrem Verhalten sehr viel herauslesen kann. Das finde ich toll. Und gerade Muffin ist ein besonderer Fall, da er in Sommerpest eine Rolle einnimmt, die zwar auch ein Mensch in irgendeiner Form hätte übernehmen können, aber nicht mit dem Gefühl und nicht mit diesem Herzblut. Und deswegen hat's ihn hier gebraucht.
Jetzt gehe ich noch einmal einen kleinen Schritt zurück: Sie haben auf Ihrer Homepage http://petra-schwarz.net/ geschrieben, dass Sie z.B. gerne ins Kino gehen, gerne "mit Freunden lachen und schöne Gespräche führen" und gerne Spazierengehen. Sind das Dinge, die Sie auch inspirieren bzw. wovon lassen Sie sich inspirieren, um einer Geschichte ihren Anfang oder eine Wendung zu geben? Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?
Kino inspiriert mich insofern jetzt nicht, weil es mich einfach nur berieselt. Und ich hab momentan einfach nicht die Zeit, ins Kino zu gehen, aber wenn ich gehe, dann gehe ich einfach um abzuschalten. Aber mit Freunden sprechen, das inspiriert natürlich ungemein, ist aber auch so eine Art von Abschalten. Was mich wahnsinnig inspiriert, ist Musik. Ich höre viel Musik und übersetze auch die Songtexte und lasse mich davon berühren. Für das dritte Buch habe ich z.B. einen Songtext in Endlosschleife abgespielt, damit ich bei einer Szene, die ich geschrieben habe, eine bestimmte Emotion nachempfinden konnte. Bei Sommerpest war das ähnlich: Es gab einen Song, der mich besonders bei Leo inspiriert hat. Inspiration hole ich mir aber auch, wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe und etwas in der Natur sehe. Manchmal kommt da ein Flash. Ich habe immer etwas zum Schreiben dabei oder zur Not mein Handy, wobei ich lieber schreibe. Wenn ich meine Stimme höre, ist das Gefühl nicht mehr so intensiv. Wenn ich in der U-Bahn stehe und sehe, dass sich Leute unterhalten, gehen meine Antennen hoch, oder auch wenn ich im Supermarkt stehe. Ich bin eigentlich immer online und habe immer Empfang. Später filtere ich das heraus, was ich brauchen kann und verwende das dann auch.
Also jede Begegnung hat im Grunde das Potential, irgendwann mal Eingang zu finden…
Ja. Es ist einfach die Natur, es sind die Menschen, es sind Gegebenheiten. Ich kann's speziell gar nicht so konkretisieren. Es ist eine Mischung aus Vielem. Und natürlich sind es persönliche Erlebnisse und Gefühle, die ich kombiniere.
Wenn Sie schreiben, sind Sie ja recht abgeschottet, abgeschlossen. Was macht das mit Ihnen, was passiert mit Ihnen beim Schreiben? Und wie findet ein Austausch mit der Öffentlichkeit und mit Kollegen statt?
Wenn ich schreibe, bin ich abgeschottet, wie Sie schon sagen, und dann bin ich einfach weg. Ich bin dann einfach nicht mehr präsent. Ich vergesse die Zeit, wenn ich die Chance habe, richtig schreiben zu dürfen. Speziell wenn ich ein ganzes Wochenende zum Schreiben fahre. Ich schlafe nicht viel, ich esse nicht viel, ich schreibe. [Wir lachen.] Das tut mir aber gut. Das ist so, als wenn andere Leute einen Kurzurlaub machen, nur fahre ich halt zum Schreiben. Das ist für mich Erholung und gibt mir wahnsinnig viel zurück. Ich liebe es einfach, durch Worte Situationen entstehen zu lassen, sie zu verfeinern. Manchmal verliere ich mich in den Worten, die ich schreibe. Es dürfen ja auch keine 1000 Seiten sein, sondern sollen 300 bleiben. [Wir lachen] Ich merke dann schon, dass ich mich wieder zurückholen muss. Ich versuche, mich möglichst fern zu halten von anderen Einflüssen, damit ich in Ruhe schreiben kann. Das ist mir wichtig.
Was es mit mir macht? Ich versuche, mich in Situationen, die es besonders erfordern, in die Gefühle der Akteure hineinzuversetzen. Als Paulina in Sommerpest in dem Verlies eingesperrt ist, habe ich überlegt, wie sie empfindet, welche Ängste sie aussteht, was sie wie wahrnimmt, wenn alles dunkel ist. Welche Sinne überhaupt angesprochen werden. Das versuche ich dann, in Worte zu kleiden. Und das berührt mich dann selber natürlich schon. Es gibt auch Szenen, wo ich zu weinen anfange oder glücklich bin. Das, was ich empfinde, wenn ich mir Gedanken mache über die Situationen, versuche ich, in Worte zu fassen.
Was mich – als vorletzte Frage – interessiert: Wo lesen Sie gerne? Haben Sie einen bevorzugten Ort, an dem Sie gerne lesen? Und v.a. was lesen Sie gerne?
Ich habe im Garten so eine kleine geheime Ecke, da halte ich mich gerne auf. Ich hab leider nicht so viel Zeit, um mich da völlig abzuschotten. Aber mal an einem schönen Tag… Ansonsten lese ich gerne im Bett. Ich bin wirklich der typische Bettleser, weil ich einfach abends die Muße habe und das einfach praktisch ist. Dann läuft kein Fernseher im Hintergrund, es ist nichts außenherum, dann kann ich mich abschotten.
Lesen an sich: Ich habe keinen Lieblingsautor, ich bin da völlig offen für alles, seit ich selber schreibe sowieso. Ich lese Bücher auch anders, seit ich selbst schreibe. Ich lese sie offener, weil ich den Menschen, der dahinter steht, auch wahrnehme. Das finde ich einerseits schön, andererseits ist es auch so, dass ich Bücher jetzt nicht mehr fresse. Ich lese sehr, sehr schnell und ich hinterfrage dann aber auch oft Sätze: Was hat der Autor sich dabei gedacht, wo will er mich jetzt hinführen? Ich versuche, in die Überlegungen des Autors einzusteigen. Und das ist manchmal anstrengend.
Ein spezielles Genre habe ich auch nicht. Ich lese manchmal auch Lyrik, wenn mir danach ist, aber auch Thriller, Erwachsenen-, Kinder- und Jugendbücher. Ich bin sehr neugierig und ich gebe jedem Buch die Chance, es zu Ende zu lesen. Ich habe, wenn es hochkommt, in meinem ganzen Leben ein, höchstens zwei Bücher nicht zu Ende gelesen, weil ich mir immer denke, ich gucke, was noch kommt.
Also ganz das Gegenteil von Ihrer Tochter, die ganz strikt Bücher weglegt.
Ja, meine Tochter, verschwendet keine Zeit. Die ist da ganz strikt. Aber ich denke mir, irgendwas hat der Autor sich dabei gedacht. Gerade wenn ich einen Thriller lese und auf eine offensichtliche Fährte gelockt wurde, frage ich mich, wann die Wende kommt. Wenn sie kommt, bin ich natürlich glücklich, wenn sie nicht kommt, ist es schade. Aber das ist dann einfach der Plot und sollte so sein. Ich mache mir viel Gedanken beim Lesen, seit ich schreibe.
Was für ein Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch und wartet darauf, gelesen zu werden? Oder liegt dort ein Stapel?
Oh, da liegen ganz viele. [Wir lachen.] Wirklich ein Stapel. Ich kann's jetzt gar nicht im Moment… [Petra Schwarz überlegt.] Also, was ich mir wirklich vorgenommen habe, ist… Wenn mir der Titel jetzt einfallen würde… [Nachdem Petra Schwarz beschrieben hat, worum es geht, kramen wir beide in unseren Gedächtnissen, bis uns von Alan Bennet der Buchtitel Die souveräne Leserin einfällt, ein Buch, in dem die Queen zur Buchliebhaberin wird und später auch selbst schreiben will.] Ich liebe dieses Buch. Ich habe es jetzt, glaube ich, vor zwei Jahren das letzte Mal gelesen und mir wieder in meinen Bücherstapel gelegt, weil es sich wirklich schnell lesen lässt und ich den Humor mag. Immer wenn ich jetzt die Queen sehe – und das ist jetzt das Lustige – mit ihrer winkenden Hand, frage ich mich, welches Buch hält sie in der anderen Hand… [Wir lachen.]
Vielen Dank an Petra Schwarz für das Interview!
Die Autorin
Petra Schwarz wurde 1969 in München geboren. Dort aufgewachsen, studierte sie später Marketing und war in der Werbung tätig. Mittlerweile ist sie verheiratet, hat vier Kinder, zwei Hunde und unzählige Ideen für weitere Bücher. Sie lebt in der Nähe von München. Ihre Bücher Schwanengrab und Sommerpest sind im dtv-Verlag erschienen. [Informationen zum Inhalt der beiden Romanen am Ende des Interviews und auf Schwarz' Homepage.]
Die Romane
Schwanengrab, Petra Schwarz' Erstlingswerk, handelt von der Jugendlichen Samantha, die nach dem Tod der Mutter mit ihrem Vater aus den USA zurück nach Deutschland zieht. In der neuen Schule wird sie gemieden und gemobbt, bis sie feststellt, dass sie einer verstorbenen Mitschülerin wie ein Zwilling gleicht. Später findet Sam heraus, dass eine Mitschülerin, die aufgrund eines Kindheitstraumas eine gespaltene Persönlichkeit entwickelt hat, den Unfall der Mitschülerin verursacht hat. Auch Sam gerät nun in Gefahr. Eine Rezension auf KinderundJugendmedien.de finden Sie hier.
Sommerpest dreht sich um die Freundinnen Paulina, Silvie und Leonora, genannt Leo, die zusammen den ersten Urlaub alleine ohne Eltern an der Ostsee verbringen wollen. Leo flirtet bereits im Zug, während sich Paulina am Strand in Hannes und seinen Hund Muffin verliebt. Doch die Urlaubsfreude wird getrübt durch einen Zeitungsbericht über aus einem nahe gelegenen Forschungslabor gestohlene Ratten. Die Mädchen werden mehr und mehr in die Sache verwickelt, bis Leo entführt und ermordet aufgefunden wird. Eine Rezension auf KinderundJugendmedien.de finden Sie hier.