Die eingangs gestellte Frage, ob die Welt einen Superman braucht, ist historisch unter je verschiedenen Vorzeichen beantwortet worden. Seine beiden Schöpfer, Jerry Siegel und Joe Shuster, mussten sich jedenfalls gleich in der Konzeptionsphase genau mit diesem Problem beschäftigen. Damals war der Held nämlich noch gar kein Held, sondern in Anlehnung an die Science-Fiction-Literatur der 1930er Jahre ein übermenschlicher Angreifer mit Glatze, dessen Augen Laserstrahlen verschießen konnten. Doch eine solche Figur brauchten weder diejenigen, die von der Großen Depression geprägt waren, noch diejenigen, die ihren Hang zu fantastischen Geschichten mit entsprechenden Short Stories und Comics nachgingen – derlei Geschichten gab es nämlich viele. So änderten die beiden jungen Männer nach und nach das Konzept, bis Superman in seiner Erstausgabe in Action Comics 1 vom April 1938 als der auftritt, den wir zu kennen glauben: Er ist ein übermenschlicher Held, der in seiner bürgerlichen Identität als Reporter arbeitet und Clark Kent heißt. Er ist unglücklich verliebt in seine Kollegin Lois Lane. Diese wiederum ist aber am Helden deutlich interessierter.

Überraschend an dieser ersten Superman-Ausgabe ist, dass der Held weder in Kansas aufwächst, noch dass er fliegen kann. Vielmehr finden Wissenschaftler ein außerirdisches Waisenkind mit erstaunlichen Kräften, das sie großziehen und das dann auf nicht näher benannten Pfaden zum Superhelden wird. Superman ist stark und er kann über Hochhäuser springen. Fliegen lernt er erst im Zuge erster Kinoverarbeitungen. Ebenso überraschend ist, dass dieser erste Superman gar nicht gegen Superschurken und Ungeheuer kämpft, sondern tatsächlich gegen menschliche Ungerechtigkeit: So bringt er einen Gouverneur nachts gegen dessen Willen in den Todestrakt, weil dort ein unschuldig Verurteilter hingerichtet werden soll. Alsbald rettet er zunächst eine Frau, die Opfer häuslicher Gewalt wird, er rettet Lois Lane vor Gangstern und reist nach Washington, um sich einen Lobbyisten vorzuknöpfen. Kein Wunder also, dass sich der Gouverneur nach der nächtlichen Entführung durch den Übermenschen den Schweiß von der Stirn wischt und sich darüber freut, dass Superman anscheinend auf der Seite des ‚Guten‘ stehe. Man sieht: Die Zeit der großen Depression brauchte einen Superman, weil er sich gleichermaßen um die Einzelschicksale auf den Straßen, wie auch um die Politik, die zu diesen Einzelschicksalen geführt hat, kümmerte. Während des Zweiten Weltkrieges erfüllte er diese Funktion umso eifriger. So bringt er Hitler und Stalin im Comic vor Gericht. In der Realität inspiriert er der Legende nach nicht nur amerikanische Soldaten, sondern in Deutschland auch einen gewissen Manfred Schmitt, der das Konzept eines allmächtigen Superhelden in überfrachteten Comicbildern so albern fand, dass er es persiflieren musste. So erfand er den Comic-Detektiv Nick Knatterton, mit dessen Erfolg er sich erst später anfreunden konnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam dann die Ernüchterung: Die Verkaufszahlen brachen ein, der Bedarf war gedeckt. Im Zuge einiger Vorwürfe gegen Superheldencomics wie auch gegen deren Schöpfer, die solche Comics einerseits als jugendgefährdend, andererseits die Verlage unter den Verdacht kommunistischer Propaganda stellten, wurde Superman eine gänzlich andere Figur. Um der alsbald eingeführten Zensur zu entkommen, verlebte Superman seine Abenteuer in meist absurden Sci-Fi-Geschichten oder, wenn es denn schon daheim auf der Erde sein musste, dann in den meist einigermaßen belanglosen Action- und Comedy-Stories, mit denen man den Helden bis heute identifiziert. Ja, dieser Superman war ausgesprochen erfolgreich. Und nein, diesen Superman hat die Welt meist sicher nicht gebraucht, weil er lediglich einen Kompromiss zwischen der Zensur und der ursprünglichen Figur darstellte und darin eben erfolgreicher war als so manche seiner Kolleg:innen.

Der erste Superman-Film von Richard Donner griff 1978 einerseits die Leichtigkeit der aktuellen Superman-Comics, andererseits aber auch die deutlich menschlicheren Anklänge der 1930er Jahre auf. Christoper Reeve spielt seinen Superman exakt auf der Grenze zwischen einem geradezu harmlos anmutenden Übermenschen und einem ungesehenen und deshalb durchaus abgründigen Landei, das sich in der Großstadt zurechtfinden muss. Superman ist bis heute mit Reeve verbunden. Das liegt einerseits an der zugespitzt ausgespielten höflich-distanzierten Art, in der sich Superman im Grunde allen Figuren nähert. Manchmal wirkt dieser Superman geradezu antiquiert. Andererseits liegt das aber auch daran, dass Reeve seinen Superman etwa zum Spanner macht, wenn er Lois Lane beim Umziehen mit seinem Röntgenblick mustert. Heute liest man das zurecht als Sexismus. Damals war es aber ein Hinweis darauf, dass dieser in jeder Hinsicht übermenschliche Mann letztlich eben auch menschliche Züge hat. Dabei fällt schon fast nicht mehr ins Gewicht, dass der Film ausgesprochen teuer produziert und hochkarätig besetzt war, um ihn zu einem Erfolg zu machen. So ganz wurde Superman das pompöse Titellied des Films wie auch Christopher Reeve und seine vorgespielte Naivität nicht mehr los – schon allein, weil der zweite Film von Richard Lester noch einmal spektakulärer als der erste war. In diesem Sinne brauchte die Welt die Filme wohl nicht, weil sie so ausgefeilt erzählt waren. Sie brauchte sie aber sehr wohl, um etwa die durchaus ironischen Vorzüge der Vorlage, mindestens die Dreiecksbeziehung zwischen Superman, Clark Kent und Lois Lane in der damaligen Gegenwart zu situieren. Zu den (meist humorig erzählten) Höhepunkten beider Filme gehört es immerhin, wenn der Held mit dem urbanen Leben des 20. Jahrhunderts konfrontiert wird. Dann nämlich wird die Ambivalenz, die Superman zugleich als Anachronismus wie auch als Wunschvorstellung, als neue Variante des Märchenprinzen darstellt, umso spürbarer.

Der Comic-Superman veränderte sich in den 1970er und 1980er Jahren deutlich. Neue Redakteure und Autorenteams versuchten, Supermans inzwischen gottgleiche Kräfte wieder zu verkleinern, um die Figur nahbarer zu machen. Der Superman der 1970er Jahre ist oft nachdenklicher als seine vorherigen Iterationen und er beschäftigt sich, auch getrieben von den oft privateren Abenteuern der inzwischen aufkeimenden Konkurrenz beim Marvel-Verlag, häufiger mit seinem eigenen Mythos. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist sicherlich Alan Moores Whatever Happend to the Man of Tomorrow (1986), das der Starautor gemeinsam mit Curt Swan, Supermans Zeichner aus den 1960er und 1970er Jahren, realisierte. Moore und Swan erzählen Supermans nahenden Tod aus der Retrospektive und nutzen diese Ausgangssituation, um die Figur und ihre gesellschaftliche Funktion zu hinterfragen. Geradezu herzzerreißend ist eine Szene, in der Superman mit Krypto dem Wunderhund in seinem eigenen Privatmuseum sitzt und ob der heraufziehenden Bedrohung, die prophetisch den gesamten Comic durchzieht, verzweifelt. Moores Antwort auf die eingangs gestellte Frage könnte kaum eindeutiger ausfallen: Superman hat sich selbst zu ernst genommen und deshalb muss er sterben.

Zeitgleich überarbeitete der DC Verlag, der seit jeher Superman produziert hatte, seine Comics. Das bis dahin chaotisch gewachsene Superhelden-Universum wurde im Zuge einer kosmischen Krise, der Crisis on Infinite Earths (1985-1986), radikal verkleinert und auf eine allen Reihen gemeinsame Kontinuität festgelegt. Auch Superman bekam eine neue Hintergrundgeschichte und einen zeitgemäßeren Look, was allerdings nicht darüber hinwegtäuschte, dass der Held seinen Zenit überschritten hatte. Kein Wunder also, dass Todesgeschichten über Superman zu den erfolgreichsten des 20. Jahrhunderts gehörten, wobei keine von ihnen so erfolgreich war, wie der Anfang der 1990er Jahre produzierte Comic The Death of Superman von Autor Dan Jurgens, der als einer der erfolgreichsten Comics aller Zeiten gilt. Superman verstirbt hier allerdings weit weniger nachdenklich als bei Alan Moore, dafür aber umso bombastischer im Kampf gegen eine biologische Superwaffe. Er wird alsbald durch andere Helden ersetzt, kehrt als Energiewesen zurück und nimmt irgendwann seine alte Form wieder an. The Death of Superman belegt, wie es um den ersten Superhelden bestellt war und in vielerlei Hinsicht noch bestellt ist, denn hinter all den Schauwerten und Spektakeln versteckt sich in dem Comic ein einigermaßen hohler, wenig aussagekräftiger Unterbau. Einerseits könnte Superman hier fast beliebig durch einen anderen Helden ersetzt werden, ohne der Geschichte etwa zu nehmen. Andererseits scheint nur noch der spektakuläre Abgang an alte Erfolge anknüpfen zu können.

Auch die 2000er Jahre geben eine eher ambivalente Antwort auf die Frage, ob die Welt einen Superman benötigt. Zwar war der Bedarf an Held:innen nach dem 11. September 2001 nicht unbedingt gering, wie die in dieser Zeit aufkommenden Superheldenfilme belegen. Allerdings waren die Antiheld:innen der jeweiligen Verlage, etwa Batman oder die X-Men, weitaus interessanter für das Publikum. Der Grund dafür lag aber nicht so sehr, wie oft behauptet, darin, dass Superman als allmächtiges Wesen schwierig zu schreiben war oder ist. Sie lag eher darin begründet, die Anschläge nicht verhindert zu haben. Natürlich wurden die Anschläge in den wöchentlichen Serien eher selten direkt und oft symbolisch thematisiert. Trotzdem blieb Superman seitdem eigentlich in der Ambivalenz zwischen seiner gottgleichen Stärke und seinem Unvermögen, tatsächlich etwas zu erreichen, gefangen. Deshalb ist er in den Comics dieser Zeit oft auch als passive Figur gezeichnet. Denkwürdig ist beispielsweise die Ausgabe 628 von Adventures of Superman (2004), in der der Held seiner geliebten Lois Lane im Bett liegend nur dabei zusehen kann, wie sie nun als Kriegsreporterin in den Irakkrieg zieht, während er daheimbleibt. Einschlägiger noch sind die vier Ausgaben von Day of Doom aus dem Jahre 2004, in der Autor Dan Jurgens Supermans Tod aus den 1990ern als Verarbeitung der Terroranschläge reinszeniert und einen Vergleich der beiden Ereignisse wenigstens in der Stimmung wie auch in der entsprechenden Aufladung mit Bedeutung insinuiert. Mit dem 11. September 2001 ist also durchaus auch Superman gestorben.

Was danach kam, kann man oft als Afterlife, als das Leben nach der Krise bezeichnen. Unterschiedliche Teams und Filmschaffende versuchten, dem Mann aus Stahl neue Nuancen hinzuzufügen, ohne sich dabei aber allzu weit von den bekannten Gefilden wegzubewegen. Typisch hierfür sind die beiden Filme Superman Returns (2006) und Batman v. Superman – Dawn of Justice (2016). Ersterer erzählt schlicht die Filme aus den 1970ern weiter und wirft dabei die eingangs zitierte Frage auf, ob die Welt einen Superman braucht – und es ist ausgerechnet Lois Lane, die sie stellt. Doch alsbald wird deutlich, dass sie damit kein höheres philosophisches Problem, sondern eine ganz private Erfahrung verarbeitet, weil ihr Ex schlicht jahrelang zu den Sternen aufgebrochen ist und zu Beginn des Films wieder zurückkehrt. Als dieser sich als Übermensch mit ins Absurde vergrößerter Dornenkrone präsentiert, wird deutlich, dass Superman als Göttlicher Vater zu den Menschen zurückkehrt – aber ohne angebetet zu werden. Zack Snyders Batman v. Superman hingegen wirft in der Exposition all die Frage auf, die man sich stellen müsste, wenn es in der heutigen Welt einen Superman gäbe. Anstatt sie aber zu beantworten (oder zumindest zu bearbeiten) bemüht der Film dann in der weithin langweiligeren zweiten Hälfte eben jenes Ungeheuer, das Superman bereits in den 1990er Jahren umgebracht hatte. So bleibt Superman auf eine seltsame Art sich selbst überlassen. Weder kommt er aus seinen alten Bezügen heraus, noch kann er in der komplexen Welt von heute eine passende Reaktion auf die Geschichte formulieren. Die Trailer zu James Gunns Superman verrät, dass sich auch sein Superman in durchaus vergleichbarer Lage findet. Musikalisch und bildlich zitiert er die Filme mit Christopher Reeve wie auch Zack Snyders Ansätze und es sieht – anhand der Trailer – so aus, als würde er sich an einer Lösung des genannten Problems versuchen.

Betrüblich klingt es, wie dieser Beitrag vermeintlich endet, und vor etwas mehr als zwanzig Jahren hätte ich die obigen durchaus negativen Diagnosen umgehend unterschrieben. Manchmal täte ich es heute noch, wenn es da nicht die Miniserie All Star Superman aus den Jahren 2005 bis 2007 gäbe. Von diesem Comic nur kurz zu berichten wäre ein unverzeihlicher Fehler und genau deshalb schaue ich ihn mir en detail im zweiten Teil an.